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> THC-Rechtsprechung thematisch sortiert, Nach Entzugsgründen, ihren Nachweisen, Verfahrensfragen
Uwe W
Beitrag 28.12.2013, 03:03
Beitrag #1


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In dieser FAQ soll die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe) zur Kraftfahreignung im Zusammenhang mit Cannabiskonsum dargestellt werden. Die Frage der Abgrenzung zwischen gelegentlichem Konsum und einmaligem Probierkonsum wird dabei in einen separaten FAQ-Thread ausgelagert.
Die Gliederung orientiert sich dabei zunächst an den Eignungskriterien, die in der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung aufgelistet sind.

Danach entfällt die Kraftfahreignung, wenn bei einem gelegentlichen Konsumenten ein zusätzliches Negativmerkmal festgestellt wird.
Der in der Praxis am häufigsten vorkommende Fall ist dabei das fehlende Trennen von Konsum und Fahren. Diesem Thema sind im Teil I die Beiträge a) bis d) gewidmet. In einem konkreten Fall ist aber immer auch der FAQ-Thread "Gelegentlicher Cannabiskonsum vs. einmaliger Probierkonsum, Rechtsprechung und Hintergründe" zu Rate zu ziehen, denn oftmals steht das fehlende Trennvermögen nach einer Fahrt unter Einfluss von mindestens 1,0 ng/ml THC bereits fest, während die Frage der Gelegentlichkeit des Konsums noch offen ist.

Die weiteren Gründe für einen Entzug der Fahrerlaubnis (u.a. Mischkonsum mit anderen Drogen, Persönlichkeitsstörung und Kontrollverlust) im Falle des gelegentlichen Konsums sind dann im Teil II in den Beiträgen e) bis i) aufgeführt. Auch in diesen Fällen erfolgt die Prüfung der Gelegentlichkeit des Konsums unabhängig von der Frage, ob eines der Negativmerkmale erfüllt ist.

Im Teil III (Beiträge j bis n) geht es dann um Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem regelmäßigen (täglichen oder nahezu täglichen) Konsum. Hier lässt bereits das Konsummuster die Kraftfahreignung entfallen, ohne dass noch ein Zusatzmerkmal erfüllt sein muss.

Teil IV (Beitrag o) behandelt Sonderfälle, in denen bereits ein einmaliger Cannabiskonsum zu Zweifeln an der Kraftfahreignung Anlass gibt.

In Teil V (Beträge p bis u) geht es um diverse Rechtsfragen, die nicht unmittelbar die Auslegung der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung betreffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Entzugsbescheides auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an. Das ist in den Bundesländern, in denen das Widerspruchsverfahren nicht abgeschafft wurde, der Erlass des Widerspruchsbescheides, in den anderen Bundesländern der Erlass des Bescheides über den Entzug der Fahrerlaubnis. Wenn die Kraftfahreignung vor diesem Zeitpunkt verloren gegangen ist, ist deshalb zu prüfen, ob sie zum Zeitpunkt des Bescheiderlassen zurückgewonnen wurde, was regelmäßig im Rahmen einer MPU zu prüfen wäre. Hier gibt es Unterschiede in der Rechtsprechung zwischen den Bundesländern, unter welchen Voraussetzungen diese MPU von der Behörde anzuordnen ist. Weiterhin gibt es in vorläufigen Rechtsschutzsachen deutliche Unterschiede nach welchen Kriterien in offenen Fällen entschieden wird. Die Rechtsprechung zu Verfahrensfragen betrifft sowohl das Verwaltungsverfahren im Allgemeinen als auch Fragen im Zusammenhang mit ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten. Schließlich geht es noch um die Frage, inwieweit Fahrerlaubnisverordnung und die Rechtsprechung mit dem Grundgesetz vereinbar sind und um die Ausdehnung der Rechtsprechung auf fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge.

Gliederung und Verlinkung der einzelnen Beiträge

I. Fehlendes Trennvermögen bei gelegentlichem Konsum
a) Allgemeines zum fehlenden Trennvermögen bei gelegentlichem Konsum
b) THC-Grenzwerte für das fehlende Trennvermögen
c) Zweifel am Trennvermögen im Bereich 1,0 bis 2,0 ng/ml THC, insbesondere in Bayern
d) Sonstige Zweifel am Trennvermögen: aktive THC-Werte unterhalb von 1,0 ng/ml

II. Sonstige eignungsausschließende Gründe bei gelegentlichem Konsum
e) Mischkonsum mit Alkohol bei gelegentlichem Konsum
f) Gelegentlicher Cannabiskonsum und zusätzlicher Gebrauch anderer psychoaktiver Stoffe
g) Kontrollverlust beim gelegentlichen Konsum
h) Persönlichkeitsstörung und gelegentlicher Konsum
i) Andere Gründe für Eignungszweifel bei gelegentlichem Konsum (Z.B. jugendliches Alter, als Beifahrer eine berauschte Fahrt nicht verhindert)

III. Regelmäßiger Cannabiskonsum
j) Regelmäßiger Konsum: Allgemeines
k) Regelmäßiger Konsum: Nachweis durch Konsumangaben des Betroffenen
l) Regelmäßiger Konsum: Nachweis durch die Werte einer Blutprobe oder Haaranalyse
m) Regelmäßiger Konsum: Wann rechtfertigt der Besitz von Cannabisprodukten die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens?
n) Regelmäßiger Konsum: Wann rechtfertigt ein festgestellter Cannabiskonsum die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens?

IV. Eignungszweifel bei Einmalkonsum
o) Einmalkonsum und Suchtverlagerung: Eine weitere Verkehrsauffälligkeit unter Alkoholeinfluss; Konsum harter Drogen in der Vergangenheit

V. Sonstiges: Wiedergewinn der Kraftfahreignung, Interessenabwägung, Verfahrensfragen, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge
p) Der Wiedergewinn der Kraftfahreignung
q) Entscheidungsmaßstäbe in vorläufigen Rechtsschutzsachen die Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten für das Hauptsacheverfahren
r) Rechtsprechung zu Verfahrensfragen: Allgemeines : Bindungswirkung von strafgerichtlichen Eignungsentscheidungen, Verhältnis zum Punkte- und Probezeitsystem, Zustellungen, Anhörung, Verfahrensfehler bei polizeilichen Vernehmungen, Begründungspflicht für die Beschwerde beim OVG etc.
s) Rechtsprechung zu Verfahrensfragen bei ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchungen
t) Rechtsprechung zu Grundsatzfragen Unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol; Parallelität von Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot
u) Anwendung der Rechtsprechung auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (Mofas, Fahrräder)


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Uwe W
Beitrag 28.12.2013, 04:00
Beitrag #2


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Allgemeines zum fehlenden Trennvermögen bei gelegentlichem Konsum

* VGH München 11 CS 08.2157 Beschluss vom 17.11.2008
Entzug der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Einfluss von 3,5 ng/ml THC und anscheinend feststehendem gelegentlichem Konsum. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren war in beiden Instanzen ohne Erfolg. Dass der Antragsteller ursprünglich am Tattag nicht habe fahren wollen und sich vor Antritt der Fahrt fahrtüchtig gefühlt habe, spielt nach Ansicht des VGH keine Rolle.

* VGH München Beschluss vom 28.01.2010, 11 CS 09.1443
Zitat
Auf die Frage, ob der Betroffene erkennen oder auch nur damit rechnen musste, im Zeitpunkt der Verkehrsteilnahme noch unter relevantem Cannabiseinfluss zu stehen, kommt es demgegenüber nicht an (vgl. zur Irrelevanz des Gesichtspunkts, ob sich der Betroffene durch den Einfluss des konsumierten Cannabis subjektiv in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt fühlt, z.B. BayVGH vom 11.11.2004 Blutalkohol Bd. 43 [2006], 414/415).


* OVG Münster 16 B 1538/06 Beschluss vom 06.10.2006
Fehlendes Trennvermögen kann bereits aus einem einzigen Vorfall hergeleitet werden.

Nachweis der Fahrereigenschaft bzw. der Fahrabsicht:
* VGH München 11 CS 05.801 Beschluss vom 27.07.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Antragsteller wird apathisch am Steuer eines mitten auf der Fahrbahn haltenden PkW angetroffen (51,1 ng/ml THC; 33,5 ng/ml THC-OH und 143,8 ng/ml THC-COOH). Der VGH sieht die Fahrereigenschaft einerseits durch das lediglich unsubstantiierte Bestreiten, andererseits durch die Rechtskraft eines entsprechenden Bußgeldbescheides und schließlich durch Beobachtungen von zwei Zeuginnen als erwiesen an.

* VGH München 11 CS 09.452 Beschluss vom 08.07.2009 (Eilantrag abgelehnt) sowie nachfolgend
-VG Würzburg W 6 K 09.268 Urteil vom 13.11.2009 (Klage abgewiesen) und
-VGH München 11 ZB 10.836 Beschluss vom 29.10.2010 (Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt)
betreffen einen Fall, in dem die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Fahrereigenschaft eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten klären musste, der mit 6,5 ng/ml THC, 1,8 ng/ml THC-OH und 26 ng/ml THC-COOH nach einer längeren Autobahnfahrt auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte angetroffen wurde.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 19.06.2013, 12 ME 33/13
Fehlendes Trennvermögen ist auch anzunehmen, wenn eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss zu erwarten ist. Hier war der Antragsteller in einer Grundstückseinfahrt am Steuer eines PkW unter Einfluss von 5,3 ng/ml THC, 1,5 ng/ml 11-OH-THC und 29,3 ng/ml THC-COOH angetroffen worden. Nach Nichtvorlage eines äG zur Klärung der Konsumform wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Das Eilverfahren blieb für den Antragsteller in beiden Instanzen erfolglos.

Verwertbarkeit der Blutprobe auch ohne richterliche Anordnung:
Eine anlässlich einer Fahrt unter THC-Einfluss durchgeführte Blutprobe ist auch dann verwertbar, wenn sie ohne die erforderliche richterliche Anordnung nach § 81a (2) StPO gewonnen wurde:

* VGH Mannheim 10 S 4/10 Beschluss vom 21.06.10
* VGH München Beschluss vom 31.01.2013, 11 CS 12.2623(mit ausführlicher Begründung; weiterhin wurde das Bestreiten der Blutprobenentnahme als unsubstantiiert zurückgewiesen)
* VGH München Beschluss vom 21.11.2011, 11 CS 11.2247
Zitat
Nach der Rechtsprechung des Senats bleibt eine etwa unterlassene Einholung einer richterlichen Entscheidung auch bei fehlender Gefahr im Verzug dann für die Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutanalyse ohne Einfluss, wenn auf der Hand liegt, dass der Richter einem solchen Eingriff die Genehmigung nicht hätte versagen können (BayVGH vom 28.1.2010 Az. 11 CS 09.1443 und Jagow, Fahrerlaubnis- und Zulassungsrecht, Loseblattkommentar, § 46 FeV S. 113).

* VGH München Beschluss vom 28.01.2010, 11 CS 09.1443
* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 205.09 Beschluss vom 03.11.09
* OVG Greifswald 1 M 12/08 Beschluss vom 20.03.2008(Quelle: verkehrslexikon.de)
* OVG Lüneburg Beschluss vom 16.12.2009, 12 ME 234/09
* OVG Lüneburg Beschluss vom 14.08.2008, 12 ME 183/08
* OVG Münster 16 B 1344/13 Beschluss vom 11.12.2013
* OVG Koblenz 10 B 11226/09.OVG Beschluss vom 29.01.10

Verwechslung der Blutprobe?

* VGH München 11 CS 09.1492 Beschluss vom 25.09.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Eine Verwechslung der Blutproben ist nach Ansicht des VGH zwar prinzipiell möglich, es wurden aber keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, und der Antragsteller hatte gegenüber der Polizei auch einen zeitnahen Cannabiskonsum eingeräumt.

Der gemessene THC-Wert kann als Wert zum Zeitpunkt der Fahrt angesehen werden (ohne Messfehlerrabatt!), Rückrechnung zu einem höheren Wert aber unzulässig:

Zunächst das vom BVerwG im Ergebnis bestätigte
* VGH Mannheim 10 S 3174/11 Urteil vom 22.11.12
Zitat
34 a) Entgegen der Auffassung des Klägers sind keine Abzüge vom Messwert 1,3 ng/ml THC vorzunehmen.

35 Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass jeder Messwert eine Schwankungsbreite aufweist. Dies hat das im Parallelverfahren 10 S 1783/10 erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. A. deutlich gezeigt, das für den dort vom Rechtsmedizinischen Institut der Universität Freiburg gemessenen Wert von 2,9 ng/ml mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,7 % den „wahren“ Wert zwischen 1,8 und 3,99 ng/ml ansiedelt, und mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 2,16 und 3,63 ng/ml. Dies bedeutet aber nicht, dass es rechtlich geboten wäre, im jeweiligen Einzelfall den untersten Wert der Schwankungsbreite der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Unabhängig davon, dass eine solche Anforderung die Ermittlung jenes untersten Werts in jedem Einzelfall erfordern und damit der Verwaltung einen nur schwer zu leistenden Aufwand abverlangen würde, ist insoweit zu bedenken, dass der „wahre“ Wert statistisch ebenso gut an der obersten Grenze der Schwankungsbreite liegen kann. Ferner ist davon auszugehen, dass in dem meist beträchtlichen Zeitraum zwischen Fahrtantritt und Blutentnahme bereits eine entsprechende, wenn auch (anders als bei Alkohol) nicht linear verlaufende Reduzierung der THC-Konzentration stattgefunden hat, bei Fahrtantritt also eine höhere Konzentration vorlag (vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehrsrecht, RdNr. 518: Verlaufskurve der THC-Konzentration in den ersten 7 Stunden nach Konsumende). Im Einzelnen:...

Diese Überlegungen sind vom Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsverfahren im Ergebnis bestätigt worden: BVerwG 3 C 3.13 Urteil vom 23.10.2014
Zitat
c) Der Einwand des Klägers, wegen nicht auszuschließender Messungenauigkeiten müsse ein „Sicherheitsabschlag“ von dem in der Blutprobe festgestellten THC-Wert von 1,3 ng/ml abgezogen werden, ist ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat ein solches Erfordernis im Ergebnis zu Recht verneint.

44 Nach seinen Feststellungen ist der beim Kläger festgestellte Messwert lege artis nach den Regeln der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie ermittelt worden; gleichwohl ist - wie das Berufungsgericht weiter feststellt - eine Schwankungsbreite bei den Messwerten unvermeidbar.

45 Bei der Frage, ob solche Messungenauigkeiten einen „Sicherheitsabschlag“ erforderlich machen, handelt es sich nicht anders als bei der Bestimmung des Gefährdungsmaßstabs um eine Frage der Risikozurechnung. Es geht darum, ob die verbleibende Ungewissheit, dass der „wahre“ THC-Wert nicht an der unteren, sondern ebenso an der oberen Grenze dieser Schwankungsbreite liegen kann, von dem Cannabiskonsumenten, der sich nach dem Rauschmittelkonsum an das Steuer eines Kraftfahrzeugs setzt, oder aber von den anderen Verkehrsteilnehmern zu tragen ist. Da der Cannabiskonsument den Gefährdungstatbestand schafft, liegt es auf der Hand, dass die verbleibende Unsicherheit zu seinen Lasten gehen muss. Angesichts der Zielrichtung des Fahrerlaubnisrechts, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten und Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer so weit wie möglich auszuschließen, liegt in dieser Risikozuordnung eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Rechte.

46 Unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass die bei der Untersuchung von Blutproben nicht zu vermeidenden Messungenauigkeiten bereits bei der Festsetzung der analytischen Grenzwerte berücksichtigt worden sind, die die Grenzwertkommission in Bezug auf die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Liste der berauschenden Mittel und Substanzen vorgenommen hat. Im Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Grenzwerte einen Sicherheitszuschlag enthalten (Blutalk 2007, 311).

47 Verbleibende Schwankungsbreiten selbst bei lege artis erfolgenden THC-Messungen müssen auch nicht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des Betroffenen gehen und deshalb zu einem „Sicherheitsabschlag“ führen. Dieser für eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung geltende Grundsatz kommt im Gefahrenabwehrrecht, dem die Fahrerlaubnis-Verordnung zuzurechnen ist, schon wegen dessen anderer Zielrichtung nicht zur Anwendung. Selbst für die strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Fahrten unter Cannabiseinfluss geht die Rechtsprechung im Übrigen davon aus, dass der gemessene THC-Wert nicht um einen „Sicherheitsabschlag“ zu verringern ist (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 3 Ss 205/06 - NZV 2007, 248 <249> und OLG Brandenburg an der Havel, Beschluss vom 30. März 2007 - 1 Ss (OWi) 291B/06 - Blutalk 2008, 135 <136 f.>, jeweils m.w.N.; ebenso für Maßnahmen nach der Fahrerlaubnis-Verordnung OVG Münster, Urteil vom 1. August 2014 - 16 A 2806/13 - juris Rn. 61 ff; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 - 2 B 341/11 - NZV 2013, 99 <100>).

48 Schließlich kann sich der Kläger bei seiner Forderung nach einem „Sicherheitsabschlag“ auch nicht auf die allgemeinen Beweislastregeln berufen, die im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen. Er verkennt dabei, dass der normative Ausgangspunkt der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 getroffenen Regelung ein möglichst weitgehender Ausschluss von cannabisbedingten Gefährdungen der Sicherheit des Straßenverkehrs ist.



* VGH Mannheim 10 S 1272/07 Urteil vom 15.11.2007 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Von dem ermittelten THC-Wert (hier 2,1 ng/ml) ist kein Sicherheitsabschlag abzuziehen.
* VGH Mannheim 10 S 306/07 Beschluss vom 24.07.07
Von den festgestellten THC-Blutwerten sind keine Messtoleranzen abzuziehen.

* VGH München 11 CS 06.2806 Beschluss vom 04.06.2007
Fahrt unter Einfluss von 1,6 ng/ml THC und 31 ng/ml THC-COOH (Blutentnahme 98 Minuten nach Polizeikontrolle) am 07.02.2006 unter Eingeständnis gelegentlichen Konsums, 3 Stunden vor der Fahrt sei ein Joint geraucht worden. Das VG geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Fahrt der aktive Wert über 2,0 ng/ml THC gelegen haben muss und dass deshalb gelegentlicher Konsum ohne Trennvermögen vorliegt.
Diese Argumentation wird von der Beschwerdeschrift nicht angegriffen, jedoch der Wiedergewinn der Kraftfahreignung behauptet.
Der VGH weist die Beschwerde aufgrund einer Interessenabwägung zurück, weist aber ergänzend darauf hin, dass er ein Überschreiten oder Erreichen der 2,0 ng/ml Grenze zum Zeitpunkt der Fahrt und damit fehlendes Trennvermögen nicht für erwiesen hält (wird ausführlich anhand von mehreren Studien zum THC-Abbau erläutert).

* VGH München 11 ZB 07.2767 Beschluss vom 15.09.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Fahrt unter Einfluss von 2,9 ng/ml THC und 86,3 ng/ml THC-COOH bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten führt zum Entzug der Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen. Im Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil wird geltend gemacht, dass vom gemessenen THC-Wert ein Sicherheitsabschlag von mindestens 37% abzuziehen sei, so dass der vorwerfbare Wert dann unter der 2,0 ng/ml Grenze liege. Der VGH lehnt den Antrag ab.

* VGH München Beschluss vom 02.03.2010, 11 CS 09.2558
Fahrt unter Einfluss von 2,1 ng/ml THC. Der gemessene THC-Wert wurde vom VGH ohne Berücksichtigung einer "Schwankungsbreite" der Entzugsentscheidung zu Grunde gelegt.

* VGH München Beschluss vom 27.09.2010, 11 CS 10.2007
Nach einer Fahrt unter Einfluss von 2,0 ng/ml THC sowie 21 ng/ml THC-COOH wird in einem ärztlichen Gutachten gelegentlicher Konsum bescheinigt.
Nachdem die Behörde die Fahrerlaubnis ohne weitere MPU-Anordnung entzogen hatte, stellt das VG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.Der VGH bestätigt diese Entscheidung. Eine Rückrechnung des THC-Werts vom Zeitpunkt der Blutprobe auf den ca. 1 Stunde zurückliegenden Zeitpunkt der Fahrt sei nicht zulässig in dem Sinne, dass der Wert zum Zeitpunkt der Fahrt höher gewesen sein muss.



Passive Aufnahme des THC:

* VGH Mannheim 10 S 427/04 Beschluss vom 10.05.04
Entzug der FE auch bei passivem Mitrauchen in einem "Chill-Out-Raum"
Zitat
Ein Fahrerlaubnisinhaber, der wie der Antragsteller, nicht erstmals mit Cannabis in Berührung kommt, sondern zumindest gelegentlicher Konsument dieses Betäubungsmittels ist, muss sich aber darüber im Klaren sein, dass er sich durch einen zweistündigen Aufenthalt in einer sehr stark cannabishaltigen Atmosphäre allein durch das Einatmen der mit Cannabis durchsetzten Luft eine erhebliche Menge von Cannabinoiden zugeführt hat. Auch ein Fahrerlaubnisinhaber, der in solcher Kenntnis der erheblichen inhalativen Aufnahme von Cannabinoiden durch den Aufenthalt in einer stark cannabishaltigen Atmosphäre ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt und damit den öffentlichen Straßenverkehr gefährdet, ist wegen seiner unzureichenden Trennungsbereitschaft fahrungeeignet.


* VGH München 11 CS 05.2198 Beschluss vom 19.06.2006 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Bei 6,0 ng/ml THC und 35 ng/ml THC-COOH war der Einwand, dass die Werte durch Passivrauchen entstanden sei können, bereits vom VG widerlegt worden.

* VGH München 11 CS 08.633 Beschluss vom 13.06.2008
Fahrt am 18.02.2007 unter Einfluss von 2,9 ng/ml THC und 18,9 ng/ml THC-COOH führt zur Anordnung eines äG. Laut ärztlichem Gutachten hatte der Antragsteller bis zur Jahreswende 2005/2006 gelegentlich konsumiert, der Konsum im Februar 2007 solle nach seinen Angaben unbewusst gewesen sein, er sei aber zur Zeit drogenfrei. Nach Nichtvorlage eines im Herbst 2007 angeforderten MPU-Gutachtens wurde am 15.01.2008 die Fahrerlaubnis entzogen. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der VGH schließt eine unbewusste THC-Aufnahme im Vorfeld der Fahrt durch passives Inhalieren (Bezugnahme auf Blutalkohol 2006, S. ) aus, ebenso den Konsum leicht hanfhaltiger Produkte, und er geht davon aus, dass Haschkekse nicht unbewußt konsumiert worden wären. Damit liege gelegentlicher Konsum vor.


* OVG Münster 16 A 1716/13 Beschluss vom 12.11.2013
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil wird abgelehnt, nachdem Ampetamine und THC-COOH im Blut des Klägers gefunden worden waren und er sich auf einen unbewußten Konsum berufen hatte.
Zitat
Die Behauptung einer unbewussten Drogenaufnahme ist nach ständiger Senatsrechtsprechung grundsätzlich nur dann beachtlich, wenn der Betroffene nachvollziehbar und plausibel darlegt, wie es dazu gekommen sein soll. Dazu gehört im Fall einer missbräuchlich durch Dritte herbeigeführten Rauschmittelvergiftung, wie sie vom Kläger als eine Möglichkeit für den positiven Drogennachweis in den Raum gestellt worden ist, regelmäßig nicht nur, dass er eine Situation schildert, in der solches stattgefunden haben kann, sondern er auch Ausführungen zu einem potentiellen Täter und dessen Motiv macht.

* OVG Münster 16 B 99/11 Beschluss vom 22.7.11
3,4 ng/ml THC und eine nicht mitgeteilten Menge THC-COOH unterhalb von 100 ng/ml. Angabe, in der Nacht auf einer Feier sei ihm unbemerkt Cannabis in selbstgedrehte Zigaretten beigemischt worden, wird angesichts der Blutwerte für falsch gehalten.

* OVG Koblenz 10 B 11390/06 Beschluss vom 02.01.2007 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Der spätere Einwand des Passivkonsums bei einem festgestellten Wert von 2,7 ng/ml THC wurde damit widerlegt, dass der Antragsteller laut von ihm unterschriebenen Protokoll der polizeilichen Vernehmung mit ordnungsgemäßer Belehrung ca 2,5 Stunden vor der Fahrt einen Joint geraucht hatte.

* OVG Saarlouis 9 W 6/00 Beschluss vom 22.11.2000 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Werden die näheren Umstände eines behaupteten Passivkonsums trotz Aufforderung nicht näher dargelegt, so spricht das dafür, dass es sich um eine Schutzbehauptung handelt.

Verzögerungen des THC-Abbaus aus medizischen Gründen
* OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 02.08.2012 - OVG 1 M 84.12) (verkehrslexikon.de)
Verzögerungen des THC-Abbaus durch Medikamenteneinnahme wären rechtlich irrelevant:
Zitat
Denn ein verzögerter Abbau des THC durch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten, der hier vom Antragsteller noch nicht einmal belegt, sondern nur schlicht behauptet wird, lässt das durch die Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter Drogeneinfluss belegte mangelnde Trennungsvermögen regelmäßig nicht entfallen. Wer neben Cannabis auch Medikamente einnimmt, muss sich vergewissern, ob diese auf die Wirkung und den Abbau von Cannabis von Einfluss sein können und sein Verhalten darauf einrichten. Wer in Unkenntnis einer etwaigen Verzögerungswirkung zu früh nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt, belegt damit mangelndes Trennungsvermögen.

* OVG Münster 16 B 878/13 Beschluss vom 27.08.13: der THC-Wert von 2,0 ng/ml lässt sich nicht mit einem mehr als 24 Stunden zurückliegenden Konsum und einem regelwidrig gestörten THC-Abbau erklären, wenn gleichzeitig ein THC-COOH-Wert von 70,8 ng/ml gemessen wurde.
* VG Saarlouis 10 K 156/12 Urteil vom 23.01.2013
Versuch, eine Wertekombination 7,9 ng/ml THC, 2,4 ng/ml THC-OH und 31 ng/ml THC-COOH mit Nierenversagen (!) nach dem angeblich 4 Tage vor der Fahrt stattgefundenen Konsum zu erklären, scheitert auch im Hauptsacheverfahren, nachdem das OVG Saarlouis (1 B 420/11 Beschluss vom 15.12.2011) im Eilverfahren noch eine Substantiierung des entsprechenden Vorbringens empfohlen hatte.


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THC-Grenzwerte für das fehlende Trennvermögen

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden ( BVerwG 3 C 3.13 Urteil vom 23.10.2014), dass von fehlendem Trennvermögen auszugehen ist, wenn eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Gegen die tatsächliche Feststellung des VGH Mannheim im Urteil vom 22.11.12 (Aktenzeichen VGH10 S 3174/11), dass das ab einer Konzentration im Serum von 1,0 ng/ml THC der Fall ist, hatte der Revisionsführer keine Einwände erhoben. Ohne Erfolg blieb auch sein Einwand, dass im Hinblick auf mögliche Messungenauigkeiten ein „Sicherheitsabschlag“ vom ermittelten THC-Wert vorgenommen werden müsse.
Link zur Pressemitteilung des BVerwG vom 23.10.14 im Verfahren 3 C 3.13

Die Argumentation des BVerwG zur Grenzziehung beim Trennvermögen kann auch hier im Verkehrsportal nachgelesen werden.

Bis zu diesem Zeitpunkt bestand keine Einigkeit zwischen den Oberverwaltungsgerichten in der Frage, ab welchen THC-Werten von fehlendem Trennvermögen auszugehen ist. Wurde dieser Grenzwert bei einer Fahrt mit einem Kraftfahrzeug erreicht oder überschritten und ist der Betroffene zumindest gelegentlicher Konsument, so steht fest, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geeignet war, ein Kraftfahrzeug zu führen. Es folgt entweder der Entzug der Fahrerlaubnis oder aber die Anordnung einer MPU, um zu überprüfen, ob die Kraftfahreignung inzwischen zurürckgewonnen wurde. Ab 2,0 ng/ml THC gehen alle Obergerichte von einem fehlendem Trennvermögen aus, ohne dass besondere Ausfallerscheinungen oder sonstige drogenbedingte Defizite nachgewiesen werden müssen (wie es in den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende noch der Fall war).


Grenze bei 2,0 ng/ml THC: (Anmerkung: diese Rechtsprechung dürfte aufgrund des Urteils des BVerwG vom 23.10.14 überholt sein)
Der bayrische Verwaltungsgerichtshof sieht fehlendes Trennvermögen erst ab 2,0 ng/ml THC im Blutserum als nachgewiesen an. Im Bereich 1,0 ng/ml THC bis 2,0 ng/ml bestehen Zweifel am Trennvermögen, die im Rahmen einer MPU abzuklären sind.
- VGH München 11 CS 04.157 Beschluss vom 03.02.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Bei einer Fahrt unter Einfluss von 6,4 ng/ml THC sieht der VGH das Trennvermögen als nicht gegeben an (nicht nur wie das VG als zweifelhaft)
- VGH München 11 CS 04.2348 Beschluss vom 11.11.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de) Fall mit 1,2 ng/ml THC, auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 414 f.
- VGH München 11 CS 05.1711 Beschluss vom 25.01.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fall mit 1,9 ng/ml THC. Der VGH begründet äußerst ausführlich, warum seiner Meinung nach fehlendes Trennvermögen erst ab 2,0 ng/ml THC während einer Fahrt unterstellt werden darf, und dass im Bereich darunter nur eine MPU-Anordnung in Frage kommt, um bei feststehendem gelegentlichem Konsum Zweifel am Trennvermögen nachzugehen. Auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 416ff.
- VGH München Beschluss vom 23.02.2010, 11 CS 09.2427
Zitat
Für den Verlust der Fahreignung wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist entscheidend, ob ein gelegentlicher Konsument von Cannabis objektiv unter dem Einfluss einer THC-Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch negative Auswirkungen des Konsums auf den Betroffenen signifikant erhöht. Darauf, ob bei dem Betroffenen drogentypische Ausfallerscheinungen bzw. Fahruntüchtigkeit (zum Unterschied zwischen „Fahreignung“ und „Fahrtüchtigkeit“ vgl. BayVGH vom 20.9.2006 Az. 11 CS 05.2043) feststellbar waren, kommt es hiernach nicht an. Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen, ab einer THC-Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist (vgl. etwa BayVGH vom 7.1.2009 Az. 11 CS 08.1545).



Grenze bei 1,0 ng/ml THC:
In vielen anderen Bundesländern sieht man fehlendes Trennvermögen dagegen schon ab 1,0 ng/ml THC als gegeben an:

* Baden-Württemberg: - VGH Mannheim 10 S 3174/11 Urteil vom 22.11.12 Hauptsacheurteil bei einem Fall mit 1,3 ng/ml THC; die Revision zum BVerwG wird zugelassen; ausführliche Begründung des Grenzwerts 1,0 ng/ml; im Verfahren
BVerwG 3 C 3.13 wurde das Urteil des VGH Mannheim vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt[/b]
- VGH Mannheim 10 S 1272/07 Urteil vom 13.12.07: Fall mit 2,1 ng/ml THC. Die Frage, ob fehlendes Trennvermögen ab 1,0 oder erst ab 2,0 ng/ml THC vorliegt, wurde im Revisionsurteil des BVerwG aber nicht entschieden, da das BVerwG die Abweisung der Klage mit regelmäßigenm Konsum begründete;
- VGH Mannheim 10 S 530/06 Beschluss vom 09.05.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de) Fall mit 1,1 ng/ml THC.
- VGH Mannheim 10 S 2519/05 Beschluss vom 27.03.06 Fall mit 1,0 ng/ml THC; auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 412 f.
- VGH Mannheim 10 S 2194/04 Beschluss vom 15.11.04
fehlendes Trennvermögen bei 1,4 ng/ml THC. Auch zu finden in Blutalkohol 42, 187 = VRS 108, 157

* Berlin und Brandenburg: OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 17.09 Beschluss vom 16.06.09 (Fall mit 1,2 ng/ml THC)

* Bremen: OVG Bremen Beschluss vom 20. 7. 2012 - 2 B 341/11 Fall mit 1,0 ng/ml im Serum

* Hamburg: OVG Hamburg 3 Bs 214/05 Beschluss vom 15.12.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fall mit 1,7 ng/ml THC. Beschluss auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 249 ff. und auf verkehrslexikon.de


* Niedersachsen: - OVG Lüneburg Beschluss vom 11.09.2008, 12 ME 227/08: Fall mit 1,4 ng/ml THC und 10,5 ng/ml THC-COOH im Serum
- OVG Lüneburg Beschluss vom 11.07.2003, 12 ME 287/03: Fall mit 3,8 ng/ml THC

* Nordrhein-Westfalen: -OVG Münster 16 A 2006/12 Urteil vom 21.03.13: Hauptsacheverfahren mit 1,0 ng/ml THC; Revision zum BVerwG wird zugelassen (Urteil mit ausführlicher Begründung)
- OVG Münster 16 B 536/12 Beschluss vom 22.05.12: Fall mit 1,6 ng/ml THC im Serum;
- OVG Münster 16 B 237/12 Beschluss vom 19.03.2012 THC-Wert wird nicht mitgeteilt;
- OVG Münster 16 A 2075/11 Beschluss vom 04.01.12 bzw. Beschluss auf verkehrslexikon.de: Fall mit 1,2 ng/ml THC und deutlichen Mängeln bei der körperlichen Koordination;

* Schleswig-Holstein: - OVG Schleswig 4 MB 43/05 Beschluss vom 09.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de): Fall mit 1,3 ng/ml THC
- OVG Schleswig 4 MB 49/05 Beschluss vom 07.06.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de): Fall mit 1,4 ng/ml THC
- OVG Schleswig 4 MB 32/08 Beschluss vom 18.03.2008 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de): Fall mit 2,74 ng/ml THC
- OVG Schleswig 4 LB 61/08 Urteil vom 17.02.2009 (fahrerlaubnisrecht.de) bzw. 4 LB 61/08 Urteil vom 17.02.2009 auf verkehrslexikon.de: Fall mit 0,97 ng/ml THC und Nichtbeibringung einer MPU

* Thüringen: OVG Weimar 2 EO 37/11 Beschluss vom 06.09.12: Fall mit 1,8 ng/ml THC; wird ausführlich begründet.

Bereich 1,0 bis 2,0 offen, ab 2,0 fehlendes Trennvermögen:
In den restlichen Bundesländern hat sich das Oberverwaltungsgericht anscheinend noch nicht mit einem Fall aus dem Bereich 1,0 bis 2,0 ng/ml THC beschäftigen müssen (auch im größten Bundesland NRW war diese Frage z.B. bis Januar 2012 noch offen). Das OVG/der VGH geht (soweit Rechtsprechung vorliegt) jedenfalls bei Werten ab 2,0 ng/ml THC im Blutserum von fehlendem Trennvermögen aus, ohne dass es des Hinzutretens von Ausfallerscheinungen bzw. drogenbedingten Auffälligkeiten bedarf:

* Hessen: - VGH Kassel 2 B 441/10 Beschluss vom 03.05.10: Fall mit 2,2 ng/ml THC, wobei sich der VGH von der 1,0 ng/ml Grenze mit einem "Demgegenüber" zu distanzieren scheint;
- VGH Kassel 2 A 1016/09.Z Beschluss vom 10.02.10: Fall mit 5,0 ng/ml THC

* Mecklenburg-Vorpommern: OVG Greifswald 1 M 12/08 Beschluss vom 20.03.2008(Quelle: verkehrslexikon.de)

* Rheinland-Pfalz: - OVG Koblenz 10 B 11226/09.OVG Beschluss vom 29.01.10: Fall mit 9,2 ng/ml THC
- OVG Koblenz 7 A 10206/03.OVG Urteil vom 13.01.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Fehlendes Trennvermögen wird aus dem Überschreiten der 1,0 ng/ml Marke zusammen mit dem Umstand hergeleitet, dass beim gemessenen Wert von 2,0 ng/ml THC Beeinträchtigungen festgestellt wurden.

* Saarland: - OVG Saarlouis 1 B 269/09 Beschluss vom 14.04.09: Fall mit 39 ng/ml THC
- OVG Saarlouis 1 B 23/07 Beschluss vom 03.05.07: Fall mit 2,2 ng/ml THC
- OVG Saarlouis 1 W 26/06 Beschluss vom 01.06.06: Fall mit 7,0 ng/ml THC

* Sachsen: aus Sachsen ist keine Rechtsprechung zu der Problematik bekannt

* Sachsen-Anhalt: - OVG Magdeburg 3 M 575/08 Beschluss vom 16.10.2009(Quelle: verkehrslexikon.de) fehlendes Trennvermögen bei 2,3 ng/ml unter Hinweis auf die obergerichtliche Rechtsprechung
- OVG Magdeburg 1 M 34/07 Beschluss vom 30.05.2007 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de): Trennungsvermögen erst bei einer KfZ-Fahrt mit mindestens 1,0 ng/ml THC zumindest zweifelhaft.

Historische Rechtsprechung:
* VGH Mannheim 10 S 2143/05 Beschluß vom 15.11.05 Auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 249 ff.
Historisch interessant: Fehlendes Trennvermögen zumindest ab 2,0 ng/ml THC. Der von Daldrup und Meininger entwickelte "Cannabis-Influence-Factor" ist für die Frage des Trennvermögens ohne Bedeutung.
* VGH Mannheim 10 S 1642/05 Beschluß vom 12.09.05 Fehlendes Trennvermögen jedenfalls ab 2,0 ng/ml THC. Auch zu finden: Blutalkohol 2006, S. 512 ff. und auf fahrerlaubnisrecht.de

* OVG Münster 16 B 907/07 Beschluss vom 09.07.2007
Kein Trennvermögen, wenn unter Einfluss von 1,4 ng/ml THC ein Unfall verursacht wird, bei dem Ausfallerscheinungen festgestellt werden.
* OVG Münster 16 B 1392/05 Beschluss vom 07.02.2006
Fehlendes Trennvermögen bei einem Aktivwert von 2,1 ng/ml THC.
* OVG Münster 19 B 1263/00 Beschluss vom 29.09.2000
Eilverfahren gegen einen Entzug, der sich auf Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens stützt, in beiden Instanzen ohne Erfolg. Bei Zweifeln am Trennvermögen ist bei gelegentlichen Konsumenten nach § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV eine MPU anzuordnen (entgegen dem Wortlaut hat die Behörde nach Ansicht des OVG kein Ermessen).

Nur Zweifel am Trennvermögen wegen eines alten positiven MPU-Gutachtens
* VGH München 11 CS 06.118 Beschluss vom 20.11.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt im Februar 2005 unter Einfluss von 11 ng/ml THC und 64 ng/ml THC-COOH führte zunächst zu einem vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter, dann erfolgte aber nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit. Die Fahrerlaubnis war Anfang 2003 erstmalig erteilt worden, nachdem ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten im Oktober 2001 zu dem Ergebnis geführt hatte, dass die behauptete Abstinenz seit April 2000 bei zuvor regelmäßigem Cannabiskonsum glaubhaft sei.
Das vorläufige Rechtsschutzbegehren gegen den Entzug durch die Fahrerlaubnisbehörde hat zweitinstanstanzlich insofern Erfolg, als die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Screeningauflage (8 Urinscreenings an unvorhersehbaren Terminen innerhalb eines Jahres) wiederhergestellt wurde. Der VGH verneint zwar eine Bindungswirkung der strafrichterlichen Bußgeldentscheidung nach § 3 StVG und geht wie das VG von einem gelegentlichen Konsum aus, ist aber der Meinung, dass wegen der Begutachtung aus dem Jahr 2001 eine Ausnahme im Sinne der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der FeV vorliegen könnte und dass deshalb vor dem Entzug eine MPU hätte angeordnet werden müssen.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Uwe W
Beitrag 29.12.2013, 02:42
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Zweifel am Trennvermögen im Bereich 1,0 bis 2,0 ng/ml THC, insbesondere in Bayern

Fehlendes Trennvermögen noch nicht erwiesen: (diese Rechtsprechung des VGH München dürfte aufgrund des Urteils des BVerwG vom 23.10.14 im Verfahren 3 C 3.13 überholt sein)

* VGH München 11 CS 04.2348 Beschluss vom 11.11.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de) Auch in Blutalkohol 2006, S. 414 f.
Bei einer Fahrt unter Einfluss von 1,2 ng/ml THC und 24 ng/ml THC-COOH sieht der VGH wie schon das VG fehlendes Trennvermögen noch nicht als erwiesen.

* VGH München 11 CS 04.3526 Beschluss vom 21.02.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Der VGH begründet, warum im Bereich von 1,0 bis 2,0 ng/ml THC (hier 1,1 ng/ml) zunächst nur eine medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, aber von einem Fahrerlaubnisentzug abzusehen ist.

* VGH München 11 CS 05.1711 Beschluss vom 25.01.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)Auch in Blutalkohol 2006, S. 416ff.
Fahrt unter Einfluss von 1,9 ng/ml THC und 19,1 ng/ml THC-COOH. Der VGH stellt zweitinstanzlich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Entziehungsbescheid wieder her. Der VGH begründet äußerst ausführlich, warum seiner Meinung nach fehlendes Trennvermögen erst ab 2,0 ng/ml THC während einer Fahrt unterstellt werden darf, und dass im Bereich darunter nur eine MPU-Anordnung in Frage kommt, um bei feststehendem gelegentlichem Konsum Zweifel am Trennvermögen nachzugehen.

* VGH München Beschluss vom 27.09.2010, 11 CS 10.2007
Die eine Stunde nach einer Fahrt entnommene Blutprobe enthält 2,0 ng/ml THC sowie 21 ng/ml THC-COOH. Da nach Ansicht des VGH eine Rückrechnung nicht zulässig sei in dem Sinne, dass sich zum Zeitpunkt der Fahrt ein höherer Wert ergebe. sei eine MPU anzuordnen, die im Widerspruchsverfahren nachzuholen sei.

Entzug Rechtmäßig nach Nichtbeibringung des angeordneten Gutachtens:
* VGH München 11 ZB 04.782 Beschluss vom 05.01.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Nach einer Fahrt unter Einfluss von 1,2 ng/ml THC und 6,5 ng/ml THC-COOH wurde das angeforderte MPU-Gutachten nicht beigebracht und danach die Fahrerlaubnis entzogen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende VG-Urteil wurde abgelehnt.

* VGH München 11 CS 07.3066 Beschluss vom 18.01.2008
Nach einer Fahrt unter Einfluss von 1,2 ng/ml THC und 19 ng/ml THC-COOH sowie dem Eingeständnis gegenüber der Polizei, der Antragsteller rauche unregelmäßig nur immer am Wochenende Cannabis, wurde das von der Behörde angeordnete MPU-Gutachten nicht beigebracht und die Fahrerlaubnis daraufhin entzogen. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren wurde in beiden Instanzen abgelehnt. Der VGH bestätigt seine Rechtsprechung, dass ein aktiver Wert zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml THC Zweifel am Trennvermögen auslöst, die bei gelegentlichem Konsum eine MPU-Anordnung rechtfertigen.

* VGH München 11 CS 09.262 Beschluss vom 04.05.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Fahrt mit 1,3 ng/ml THC und 29 ng/ml THC-COOH. Im angeforderten ärztlichen Gutachten zur Klärung der Konsumform wird gelegentlicher Konsum bis zur Fahrt eingeräumt, für die Zeit danach jedoch Abstinenz behauptet. Die danach angeordnete MPU samt vorbereitender Screenings (6 mal innerhalb eines Jahres) wurde jedoch aus Kostengründen verweigert. Nach Entzug der Fahrerlaubnis und erfolglosem Widerspruchsverfahren erfolgt Klage samt Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren gegen die ablehnende Entscheidung des VG im Eilverfahren wird vom VGH verweigert. Die MPU diene zwar nicht zur Prüfung des Wiedergewinns der Kraftfahreignung, sondern zur Prüfung, ob diese weggefallen sei. Da der Antragsteller aber nunmehr abstinent leben wolle, müsse er sich daran festhalten lassen und auch entsprechende Nachweise erbringen.

* VGH München Beschluss vom 13.12.2010, 11 CS 10.2873
Antragsteller hatte nach anfänglichem Leugnen bei einer Polizeikontrolle einen "letztmaligen" Konsum am Vorabend eingeräumt. In einer ihm am 19. Mai 2010 um 11.40 Uhr entnommenen Blutprobe wurden 2,0 ng/ml THC und 23,0 ng/ml THC-Carbonsäure festgestellt. Nachdem das angeforderte MPU-Gutachten nicht beigebracht wurde, entzog die Behörde die Fahrerlaubnis. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen blieb in beiden Instanzen erfolglos.

* VGH München 11 CS 11.2894 Beschluss vom 13.01.2012
Nach einer Fahrt unter Einfluss von 1,8 ng/ml THC wurde ein ärztliches Fahreignungsgutachten zur Feststellung des Konsumverhaltens angeordnet, vom Antragsteller jedoch nicht beigebracht. Stattdessen wurden Urinscreenings angeboten und ein erstes negatives Screeningergebnis vorgelegt.
Die vorläufigen Rechtsschutzersuchen gegen den folgenden Fahrerlaubnisentzug blieben in beiden Instanzen erfolglos: die Behörde habe die Beibringungsanordnung zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt, und der Ausgang des Bußgeldverfahrens habe nicht abgewartet werden müssen.

* VGH München 11 CS 13.219 Beschluss vom 23.04.2013
Fahrt auf einem Leichtkraftrad unter Einfluss von 2,0 ng/ml THC, 10,2 ng/ml THC-COOH und 1,2 ng/ml 11-OH-THC. Aus der Angabe vor ca. zwei Wochen zum letzten Mal Betäubungsmittel konsumiert zu haben, wird Gelegentlichkeit des Konsums hergeleitet. Nachdem innerhalb einer gesetzten Frist von 2 Monaten kein MPU-Gutachten vorgelegt wurde, erfolgte der Entzug der Fahrerlaubnis. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wurde in beiden Instanzen verweigert.
Zitat
19 2. Auch der weiter geltend gemachte Beschwerdegrund, die Frist zur Beibringung des Gutachtens sei mit zwei Monaten zu kurz gesetzt gewesen, vermag die Richtigkeit der Entscheidung des Erstgerichts nicht in Zweifel zu ziehen.

20 Nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen muss die Frist für die Vorlage des Gutachtens angemessen sein. Es muss dem Betreffenden unter Berücksichtigung aller Umstände möglich sein, der Aufforderung der Behörde nachzukommen. Eine feste Frist, wann ein Gutachten vorzulegen ist, gibt es deshalb nicht. Es entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Hier dient die Vorlage des medizinischen-psychologischen Gutachtens nicht zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern zur Klärung der Frage, ob der Antragsteller seine Fahreignung verloren hat. Da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht, ist den Eignungszweifeln unter dem Gesichtspunkt des in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV geforderten Trennungsvermögens so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen. Die für die Beibringung des Gutachtens zu bestimmende Frist ist damit ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt (so auch OVG RhPf, B.v. 21.7.2009 –10 B 10508/09). Die Beantwortung der im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs möglichst zeitnah zum Aufkommen des entsprechenden Verdachts zu klärende Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund mangelnden Trennvermögens nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, hängt nicht davon ab, ob er über eine gewisse Zeit Drogenabstinenz nachweisen kann.



* OVG Münster 16 B 895/09 Beschluss vom 29.07.2009
Verweigerung vorläufigen Rechtsschutz in 2. Instanz, nachdem wegen Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
Die MPU-Anordnung war wegen zweier § 24a Delikte erfolgt, hätte nach Ansicht des OVG aber auch auf gelegentlichen Konsum (Antragsteller gab an, ca. 1 Monat vor der Fahrt mal an einem Joint gezogen zu haben) mit zweifelhaftem Trennvermögen (1,5 ng/ml THC und 19 ng/ml THC-COOH) gestützt werden können.


Probleme bei der Begutachtung/negative Gutachten:
(auch wenn die bayrische Praxis im Bereich 1,0 bis 2,0 ng/ml mit der Rechtsprechung des BVerwG nicht übereinstimmt, dürften die folgenden Entscheidungen in Fällen interessant sein, in denen Zweifel am Trennvermögen besteht)

* VGH München 11.CS 06.1475 Beschluss vom 14.09.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
- 01.10.1998: Fund von 4 g Marihuana in der Jackentasche als Führer eines KfZ
- 11.07.2004: Fahrt mit 100 g Marihuana im KfZ; kein aktives THC, aber 20 ng/ml THC-COOH
- 04.07.2005: Fahrt unter Einfluss von 1,0 ng/ml THC und 4,5 ng/ml THC-COOH
Der VGH stellt zweitinstanzlich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den wegen Nichtbeibringung einer MPU erfolgten Fahrerlaubnisentzug wieder her und bewilligt Prozesskostenhilfe. Der Antragsteller hatte zwischenzeitlich Abstinenznachweise vorgelegt. Die Untersuchungsstelle hatte dem Antragsteller erklärt, eine psychologische Untersuchung sei erst nach einjährigen Abstinenznachweis zulässig bzw. hätte bis dahin keinerlei Erfolgsaussichten.
Der VGH hält den Schluss auf die fehlende Fahreignung wegen Nichtvorlage des Gutachtens für nicht gerechtfertigt, da er die Nichtvorlage nicht zu vertreten hat(ausführlich begründet).

* VGH München 11 CS 08.3150 Beschluss vom 02.03.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Nach einer Fahrt mit 1,9 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH ordnet die Behörde eine MPU an. Das Gutachten wird vom VGH als mangelhaft bewertet:
Zitat
2. Das in rechtmäßiger Weise angeforderte medizinisch-psychologische Fahreignungsgutachten des TÜV vom 10. Juni 2008 in Gestalt der ergänzenden Äußerung vom 28. August 2008 hat jedoch gravierende Mängel in Bezug auf das Verständnis des Gutachtensauftrags. Der Fahrerlaubnisbehörde ging es (zu Recht) darum, herauszufinden, ob der Antragsteller seine Fahreignung verloren hat. Das TÜV-Gutachten unterscheidet aber nicht zwischen der Frage des Verlustes und der Frage der Wiedererlangung der Fahreignung. Im Gutachten wird ausgeführt, es handle sich beim Antragsteller um einen Zustand nach gelegentlichem Cannabiskonsum ohne Abstinenznachweis. Die geforderten Voraussetzungen für eine sichere Fahreignung seien aus verkehrsmedizinischer Sicht noch nicht gegeben. Im Gespräch sei zu klären gewesen, inwieweit er sich mit seiner drogenbezogenen Vorgeschichte auseinandergesetzt habe. Als Anmerkung wird festgehalten, es sei erörtert worden, ob zur Wiederherstellung (Unterstreichung durch das Gericht) der Fahreignung ein Kurs i.S.v. § 70 FeV für den Antragsteller in Betracht komme. Das Gutachten geht somit stillschweigend davon aus, dass der Verlust der Fahreignung des Antragstellers feststehe, erläutert aber nicht woraus es den Fahreignungsverlust folgert. Es wird allein darauf abgestellt, der Antragsteller habe die Fahreignung wegen des fehlenden Abstinenznachweises noch nicht wiedererlangt. Dieser Ansatz wird der Aufgabenstellung nicht gerecht.

16 Auch wenn der Antragsteller sich auf Abstinenz seit März 2008 beruft, kann bis zur Erbringung des geforderten Abstinenznachweises ein Verlust der Fahreignung jedenfalls unter Hinweis auf fehlendes Trennungsvermögen bei einer Fahrt mit 1,9 µg/l THC nicht als feststehend angesehen werden. Soll in solchen Fällen dem Betroffenen bereits für die zum Abstinenznachweis benötigte Zeitspanne die Fahreignung abgesprochen werden, müsste dies besonders begründet werden, etwa wenn eine medizinisch-psychologische Begutachtung fehlendes Trennungsvermögen ergibt. Hierzu schweigt aber das für den Antragsteller gefertigte medizinisch-psychologische Gutachten nebst Ergänzung. Das Gutachten stellt somit im Ergebnis keine geeignete Grundlage für die Fahrerlaubnisentziehung dar.


* VGH München Beschluss vom 12.04.2010, 11 CS 09.2751
2007 erfolgt eine KfZ-Fahrt unter Einfluss von 1,0 ng/ml THC. Nach Fristablauf für das geforderte MPU-Gutachten kam es zum Entzug der Fahrerlaubnis. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde aber ein Gutachten vorgelegt, welches negativ ausfiel. Die fehlende Eignung zum Zeitpunkt der Fahrt folgert der VGH aus dem Gutachten:
Zitat
2. ... Da die Fahreignungszweifel, denen sich eine Person ausgesetzt sieht, die mit einer zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml liegenden THC-Konzentration ein Fahrzeug im Straßenverkehr führt, daraus resultieren, dass nicht gewährleistet ist, ob es sich bei diesem Blutwert lediglich um einen für den Betroffenen günstigen Zufallsbefund handelt, ist zu ermitteln, ob er das Gebot, zwischen der Einnahme von Cannabis und dem Fahren zu trennen, künftig zuverlässig einhalten wird. Die Fragestellung, die die Fahrerlaubnisbehörde der Begutachtungsstelle in solchen Fällen zu unterbreiten hat, zerfällt mithin in zwei Teile: Zum einen muss in Erfahrung gebracht werden, ob der Betroffene weiß, welche Zeitspanne er nach dem Konsum von Cannabis verstreichen lassen muss, bis der THC-Spiegel in seinem Blut mit zweifelsfreier Sicherheit auf eine Konzentration unter 1,0 ng/ml (d.h. auf einen Wert, bei dem die Fahrtauglichkeit keinesfalls beeinträchtigt sein kann) abgesunken ist. Zum anderen hat er der Begutachtungsstelle die Überzeugung zu vermitteln, dass er sich in Zukunft diesem Wissen gemäß verhalten wird (vgl. BayVGH vom 14.9.2006, a.a.O., S. 16 AU).

24 Die Begutachtungsstelle für Fahreignung, die das vom 26. März 2009 stammende Gutachten erstellt hat, ist u. a. diesen Fragestellungen nachgegangen. Ausweislich der Ausführungen auf Seite 19 oben dieser Ausarbeitung wurde der Antragsteller ausdrücklich befragt, ob er wisse, wann die THC-Konzentration im Blut so weit abgebaut ist, dass sie definitiv unter einem Nanogramm je Milliliter liegt. Da der Antragsteller diese Frage verneint hat, kann bereits aus diesem Grund ausgeschlossen werden, dass sein Verhalten am 13. Oktober 2007 Ausdruck des Bemühens war, das Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr unter einem für die Fahrtauglichkeit relevantem Cannabiseinfluss zu vermeiden. Zusätzlich bestätigt wird der Befund, dass seine Verkehrsteilnahme an jenem Tag nicht Ausdruck eines bewussten Trennverhaltens war, durch den Umstand, dass er bei der psychologischen Untersuchung am 17. März 2009 außerdem angegeben hat, er habe, als er sich am 13. Oktober 2007 ans Steuer gesetzt habe, nicht daran gedacht, dass er noch unter Drogeneinfluss stehe könnte. Vielmehr habe er sich "total fit" gefühlt, obwohl er schon 30 Stunden auf den Beinen und "ein bisschen müde" gewesen sei. Wer aber trotz vorangegangener, zeitnaher Cannabisaufnahme (sie fand nach den Darstellungen des Antragstellers ca. sieben bis siebeneinhalb Stunden vor Fahrtbeginn statt) nicht einmal mit der Möglichkeit rechnet, dass er noch in einem Umfang unter dem Einfluss dieses Betäubungsmittels stehen könnte, die die Fahrtüchtigkeit auch nur potenziell beeinflusst, und sich auf seine diesbezüglichen persönlichen Einschätzungen verlässt (vgl. zur Unmöglichkeit einer subjektiven Wirkungskontrolle bei Betäubungsmitteln Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, S. 169 f.), bietet nicht die Gewähr dafür, dass er in allen Fällen, in denen mit fortdauernden Wirkungen eines Haschisch- oder Marihuanakonsums gerechnet werden muss, konsequent vom Führen eines Fahrzeugs Abstand nehmen wird. Angesichts der im Gutachten vom 26. März 2009 wiedergegebenen eigenen Bekundungen des Antragstellers ist deshalb erwiesen, dass er wegen seines Verhaltens am 13. Oktober 2007 als fahrungeeignet anzusehen ist.
Ein Wiedergewinn der Kraftfahreignung schließt der VGH aus, weil das vorgelegte Gutachten bescheinigt, dass die behauptete Abstinenz nicht stabil sei.

* VGH München 11 C 11.3005 Beschluss vom 14.02.2012
Fahrt eines tschechischen Berufskraftfahrers unter Einfluss von 1,8 ng/ml THC. Ein erstes MPU-Gutachten verneinte die Frage, dass der Kläger in der Lage sei, die Zeitspanne richtig einzuschätzen, welche er nach dem Konsum von Cannabis verstreichen lassen müsse, bis der THC-Spiegel in seinem Blut mit zweifelsfreier Sicherheit auf einen Wert abgesunken sei, der die Fahrtauglichkeit nicht beeinträchtigen könne. Nachdem der Kläger eine einjährige Drogenfreiheit mittels Haaranalyse nachgewiesen hatte, wurde die Gutachtensaufforderung wiederholt.
Zitat
... mit der Fragestellung auf, ob er in der Lage sei, die Zeitspanne richtig einzuschätzen, welche er nach dem Konsum von Cannabis verstreichen lassen müsse, bis der THC-Spiegel in seinem Blut mit zweifelsfreier Sicherheit auf einen Wert abgesunken sei, der die Fahrtauglichkeit nicht mehr beeinträchtigen könne. Falls diese Frage zu bejahen sei, sei zu klären, ob sich der Kläger zukünftig entsprechend diesem Wissen verhalten und nur noch mit einer unter 1,0 ng/ml Blut THC-Konzentration am Straßenverkehr teilnehmen werde. Das daraufhin erstellte Gutachten vom 8. Februar 2010 verneinte beide Fragestellungen.
Nachdem der Kläger eine ambulante Drogentherapie angefangen hatte, kündigte die Behörde eine dritte MPU an, zu der der Kläger aber nicht bereit war. Prozesskostenhilfe für die Klage gegen den danach erfolgten Entzug der Berechtigung, mit dem CZ-Führerschein in Deutschland KfZ führen zu dürfen, wurde erst zweitinstanzlich gewährt.
Der VGH beanstandete die Fragestellung bei der zweiten MPU und führt aus, warum das vorgelegte Gutachten die Kraftfahreignung nicht mit hinreichender Sicherheit verneint.


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Sonstige Zweifel am Trennvermögen: aktive THC-Werte unterhalb von 1,0 ng/ml,

MPU-Anordnung bei aktiven Werten im Bereich 0,5 bis 0,99 ng/ml THC

* VGH Mannheim 10 S 1586/14 Beschluss vom 02.10.2014
Vorläufiges Rechtsschutzersuchen gegen einen Fahrerlaubnisentzug wegen Nichtvorlage eines MPU-Gutachtens bleibt auch in zweiter Instanz erfolglos. Der Antragsteller war bei einer Fahrt mit 11 ng/ml THC-COOH und einem aktiven THC-Wert oberhalb der Nachweisgrenze, aber unter 1,0 ng/ml aufgefallen. Er hatte eingeräumt, 2 und 5 Tage vor der Kontrolle konsumiert zu haben, so dass die Gelegentlichkeit seines Konsums feststeht.
Der VGH hält die Anordnung zur Beibringung eines MPU-Gutachtens wegen Zweifeln am Trennvermögen bei gelegentlichem Konsum für rechtmäßig, so dass dessen Nichtvorlage zum Entzug der Fahrerlaubnis führen durfte:
Zitat
8 ... Dies bedeutet aber entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht, dass bei Feststellung eines unter 1,0 ng/ml THC liegenden Blutwertes im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz ohne Weiteres das erforderliche Trennungsvermögen nachgewiesen wäre. Vielmehr ist dann zu prüfen, ob weitere Umstände vorliegen, die die Annahme des Fehlens des Trennungsvermögens rechtfertigen, oder ob es zur Beurteilung der Kraftfahreignung der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bedarf (vgl. Senatsurteil vom 22.11.2012 - 10 S 3174/10 - a.a.O. juris Rn. 30, 32; OVG SH, Urteil vom 17.02.2009 - 4 LB 61/08 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2007 - 16 B 907/07 - juris).

9 Nach Auffassung des Senats spricht einiges dafür, dass bei Feststellung eines Fahrer-Blutserumwertes von <1,0 ng/ml THC die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gerechtfertigt ist (ebenso Zwerger, DAR 2005, 431, 436; ders., ZfS 2007, 551, 554 f. und VGT 2006, 96, 102; Hartung, VBlBW 2005, 369, 376; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 2 StVG Rn. 59; a.A. BayVGH, Beschluss vom 27.09.2010 – 11 Cs 10/1104 – juris Rn. 41; Koehl, DAR 2012, 185, 187). Dies erscheint deshalb nahegelegt, weil der Konsument den Wirkungsverlauf des eingenommenen Cannabis nicht zuverlässig einschätzen kann und der Nachweis von THC in der Blutprobe somit zugleich das Eingehen des Risikos einer psychoaktiven Beeinträchtigung des Fahrvermögens indiziert, d.h. der von unzureichender Trennung zwischen Konsum und Fahren ausgehenden Gefahren. Im vorliegenden Fall bedarf die Frage, ob allein die nicht exakt quantifizierte Feststellung von THC im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Gutachtensanordnung trägt, indes keiner abschließenden Beantwortung. Denn der hier zu beurteilende Sachverhalt ist durch weitere aktenkundige, nötigenfalls im Hauptsacheverfahren ergänzend zu verifizierende Umstände gekennzeichnet, die bei einer Gesamtschau jedenfalls das Bestehen hinreichender Anhaltspunkte für Eignungszweifel i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV belegen.

10 Auszugehen ist davon, dass nach dem Vortrag des Antragstellers zwischen der letzten von ihm angegebenen Einnahme von Cannabis (27.12.2013) und der Blutentnahme um 23.46 Uhr des 29.12.2013 volle zwei Tage lagen sowie zwischen der Polizeikontrolle um 21.00 Uhr und der Blutentnahme nicht weniger als 2 Stunden 46 Minuten. Nach gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnis wird der psychoaktive Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) nach inhalativem Konsum im Blut aber sehr schnell abgebaut. Nach der Aufnahme einer „normalen“ Einzelwirkdosis ist THC nur vier bis sechs Stunden im Blut nachweisbar. Auch nach dem Konsum höherer Dosierungen sinkt die THC-Konzentration im Blut bei Gelegenheitskonsumenten innerhalb von ca. sechs Stunden nach Rauschende auf einen Wert von ca. 1 ng/ml ab. Etwa nach zwölf Stunden ist THC nicht mehr bzw. nur noch mit Werten unter 0,7 ng/ml nachweisbar (vgl. zum Ganzen: Schubert/ Schneider/ Eisenmenger/ Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, Kap. 3.12.1 Ziff. 3.1; Peter Iten, Fahren unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss, 2001, S. 105, 114; Möller u.a., Blutalkohol Vol. 43, 2006, S. 361 f.; vgl. auch Senatsurteile vom 22.11.2012 - 10 S 1783/10 - und 10 S 3174/11 -, VBlBW 2013, 391; Senatsbeschlüsse vom 28.02.2012 - 10 S 3390/11 - NJW 2012, 2744 und vom 28.04.2014 – 10 S 355/14; BayVGH, Beschlüsse vom 19.07.2010 - 11 CS 10.540 - juris; sowie vom 20.09.2007 - 11 CS 07.1589 - juris - jeweils mit Nachweisen aus dem medizinisch-naturwissenschaftlichen Originalschrifttum). Ungeachtet dessen, dass die Nachweisbarkeit von THC im Blut in gewissem Maße auch von den Umständen des Einzelfalles abhängt, kann deshalb nach gesicherter naturwissenschaftlicher Erkenntnis aber davon ausgegangen werden, dass der THC-Nachweis im Blutserum nach der Blutentnahme am späten Abend des 29.12.2013 schwerlich durch die vom Antragsteller gegenüber der Polizei angegebenen Konsumvorgänge am 27.12.2103 bzw. 24.12.2013 erklärt werden kann. Vielmehr liegt es nahe, dass es zu einem weiteren Konsumvorgang am 29.12.2013 in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt gekommen ist. Sollte der letzte Konsum vor Fahrtantritt aber tatsächlich länger als 24 Stunden zurückgelegen haben, so würde daraus nach wissenschaftlicher Erkenntnis zumindest zu folgern sein, dass es zuvor zu einer erheblichen Akkumulation von Cannabinoiden im Körper gekommen ist; eine solche Akkumulation ist aber nur bei erhöhter Konsumfrequenz und geeigneter Dosierung zu erwarten (vgl. Senatsurteil vom 22.11.2012 - 10 S 3174/11 - a.a.O.). Gegebenenfalls käme eine Konsumhäufigkeit in Betracht, die im Übergangsbereich zum - nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ohne Weiteres die Fahreignung ausschließenden - regelmäßigen Konsum läge und entsprechende Abgrenzungsfragen aufwerfen könnte.


11 Dies bedarf hier aber keiner Vertiefung. Vor dem dargelegten naturwissenschaftlichen Hintergrund und der mit diesem kaum vereinbaren Vortrag des Antragstellers zu Konsumvorgängen vor der Polizeikontrolle fällt zusätzlich ins Gewicht, dass der Antragsteller nach den im Polizeibericht festgehaltenen, bei der Kontrolle getroffenen Feststellungen Anzeichen einer akuten Drogenbeeinflussung zeigte in Gestalt fehlender Pupillenreaktion beim Lichtreiztest und deutlichen Lidflatterns. Auch bei der 2 ¾ Stunden später durchgeführten Blutentnahme sind ausweislich des ärztlichen Blutentnahmeprotokolls noch entsprechende Anzeichen („Finger-F.-Probe unsicher“, „Händezittern“) festgestellt worden mit der abschließenden Bemerkung, dass der Untersuchte äußerlich unter Drogeneinfluss zu stehen scheine. Der pauschale Einwand des Antragstellers, die Polizeibeamten seien ihm gegenüber voreingenommen gewesen, verfängt demgegenüber nicht. Abgesehen davon, dass Anzeichen für Drogenbeeinflussung auch vom Arzt bei der späteren Blutentnahme noch erkannt wurden, dürfte das vom Antragsteller ins Feld geführte rigide Vorgehen der Polizeibeamten bei der Kontrolle („Schließen“ des Antragstellers und seines Beifahrers) durch den im Polizeibericht vom 08.01.2014 angesprochenen Fahndungshintergrund zu erklären sein und lässt nicht den Rückschluss auf - ggf. dienstpflichtwidrige, disziplinarrechtlich zu ahndende - Falschangaben der Polizeibeamten zu. Hinzu kommt, dass die Polizeibeamten deutlichen Marihuanageruch im kontrollierten Fahrzeug wahrgenommen und unstreitig auch eine Tüte mit Marihuana-Inhalt unter dem Beifahrersitz gefunden haben. Dies alles deutet darauf hin, dass der letzte Konsum des Antragstellers noch nicht so lange wie von ihm angegeben zurücklag, dass die psychoaktive Wirkung des THC ungeachtet der Unterschreitung des Grenzwerts von 1,0 ng/ml im Zeitpunkt der Blutentnahme noch vorhanden war und für den Zeitpunkt der Polizeikontrolle ein höherer THC-Wert als der später gemessene anzunehmen ist. Dass die Reduzierung der THC-Konzentration im Blut, im Unterschied zu Alkohol, nicht linear erfolgt, steht dem entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht entgegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 17.02.2006 - 10 S 2519/05 - NJW 2006, 2135; Senatsurteil vom 12.11.2012 - 10 S 3174/10 - a.a.O. Rn. 35, 50 m.w.N.).


* VGH München Beschluss vom 15.09.2009, 11 CS 09.1166
Fahrt unter Einfluss von 0,18 ‰ Alkohol sowie THC in einer Konzentration zwischen 0,5 und 0,99 ng/ml und THC-COOH in einer Konzentration von 20 ng/ml.
Zitat
Ein etwaiger Verlust der Fahreignung des Antragstellers kann sich allein aus der zweiten Alternative der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung - nämlich aus einem Gebrauch von Alkohol zusätzlich zur gelegentlichen Einnahme von Cannabis - ergeben.


* VGH München 11 CS 05.2009 Beschluss vom 09.08.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Der Antragsteller hatte anlässlich einer Polizeikontrolle um 21.45 Uhr eingeräumt, dass er seit fünf Jahren pro Woche einen bis drei Joints rauche; am Kontrolltag habe er gegen 16.00 Uhr einen Joint konsumiert.
Zitat
Die Untersuchung einer ihm am gleichen Tag um 22.26 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen Gehalt an THC-Carbonsäure in Höhe von 4,4 ng/ml; die THC- und die 11-Hydroxy-THC-Konzentrationen bewegten sich jeweils im Bereich der Nachweisgrenze. Der die Blutentnahme durchführende Arzt hielt in den Akten fest, der Antragsteller sei bei der Finger-Finger-Probe unsicher gewesen; alle anderen Testverfahren hätten unauffällige Ergebnisse erbracht. Er gelangte zu der Auffassung, es sei äußerlich nicht merkbar, dass der Antragsteller unter dem Einfluss körperfremder Substanzen stehe.
Der VGH stellt zweitinstanzlich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen wegen Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens erfolgten Entzug der Fahrerlaubnis wieder her.
Der VGH sieht bei THC-Werten unter 1,0 ng/ml kein fehlendes Trennvermögen als gegeben. Auch der Umstand, dass der Antragsteller bereits wenige als 6 Stunden nach dem Konsum ein Kfz gelenkt habe, könne ihm nicht vorgehalten werden. Im übrigen sei es nicht mal klar, dass ein Messergebnis innerhalb der Nachweisgrenze einem Wert zwischen 0,5 und 0,99 ng/ml THC entspreche.
Zitat
Dem rechtlichen Ansatz, eine mangelnde Fahreignung völlig losgelöst davon, ob objektiv eine Gefahr für den Straßenverkehr bestanden hat, allein daraus abzuleiten, dass der Betroffene unter Berücksichtigung der bestehenden Unsicherheiten über den Abbau von THC offensichtlich nicht alle Vorkehrungen getroffen hat, um das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung rechtserheblicher THC-Konzentrationen im Blut auszuschließen, ist der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen bereits im Beschluss vom 11. November 2004 (Az. 11 CS 04.2349 , Seite 7 des Beschlussumdrucks) ausdrücklich entgegengetreten.


* OVG Schleswig 4 MB 46/07 Beschluss vom 06.07.2007 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Vorläufiges Rechtschutzbegehren gegen eine Fahrerlaubnisentziehung, die sich auf Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens stützt, bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Etwa eine Stunde nach der Kfz-Fahrt wurde eine Blutprobe entnommen worden, die 0,87 ng/ml THC ergeben hat.
Im Rahmen eines ärztlichen Gutachtens hätte das Konsummuster aufgeklärt werden müssen: bei regelmäßigem Konsum hätte der Sofortentzug, bei gelegentlichem Konsum eine MPU wegen Zweifeln am Trennvermögen folgen müssen, da bereits ab 1,0 ng/ml THC von fehlendem Trennvermögen auszugehen sei. Beschluss auf verkehrslexikon.de

* OVG Schleswig 4 MB 94/07 Beschluss vom 11.12.2007 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de): Analog zu 4 MB 46/07, aber mit 0,97 ng/ml THC. In dieser Sache wurde im Hauptsacheverfahren auch die Klage zweitinstanzlich abgewiesen: OVG Schleswig 4 LB 6/08 Urteil vom 17.02.2009 (fahrerlaubnisrecht.de) bzw. 4 LB 61/08 Urteil vom 17.02.2009 auf verkehrslexikon.de

MPU-Anordnung nach Neuerteilung, wenn in der Vergangenheit das Trennvermögen fehlte:

* VGH München Beschluss vom 13.12.2013, 11 CS 13.2261
Nach Verzicht auf die Fahrerlaubnis bzw. strafgerichtlichem Entzug wegen mehrerer Fahrten unter Cannabiseinfluss (14.05.10: 28,0 ng/ml THC; 20,5 ng/ml THC-OH und 221,0 ng/ml THC-COOH sowie am 10.07.10: 6,2 ng/ml THC; 1,7 ng/ml THC-OH; 104,6 ng/ml THC-COOH und ein Blutalkoholgehalt von 0,60 Promille) wurde die Fahrerlaubnis am 23.03.12 neu erteilt. Nachdem die Polizei am 14.08.12 in der Wohnung des Antragstellers 0,9 g Marihuana, eine Druckverschlusstüte mit Anhaftungen, eine Druckverschlusstüte mit 0,5 g Tabak-Marihuana-Gemisch und Konsumutensilien (Feinwaage, Mühle, Bong) vorgefunden hatte und die Drogen nach den Urteilsgründen des folgenden Strafurteils zum Eigenverbrauch bestimmt waren, ordnete die Behörde ein ärztliches Gutachten zur Bestimmung der Konsumform an.
Zitat
Das vom Antragsteller vorgelegte ärztliche Gutachten des TÜV Süd vom 19. Juni 2013 über eine ärztliche Untersuchung am 24. Mai 2013 führt aus, dass eine Einordnung des Konsumverhaltens des Antragstellers nicht möglich gewesen sei. Der Antragsteller habe sich geweigert, eine Haaranalyse durchführen zu lassen, obwohl eine solche notwendig und angesichts einer Haarlänge von 22 cm möglich gewesen wäre.
Das vorläufige Rechtsschutzersuchen gegen den folgenden Fahrerlaubnisentzug hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.
Zitat
Hier rechtfertigen der Besitz von Cannabis zum Eigenkonsum, der begründete Verdacht auf erfolgten Cannabiskonsum, der Besitz von Konsumutensilien und die Drogenvergangenheit des Antragstellers den Verdacht auf regelmäßigen oder gelegentlichen Cannabiskonsum; die Drogenvergangenheit des Antragstellers, seine zweimalige Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr unter erheblichem Drogeneinfluss und die Ausführungen im Gutachten des TÜV Süd vom 29. Februar 2012, wonach der Antragsteller nur dann fahrgeeignet ist, wenn "künftig von Drogenabstinenz auszugehen ist", begründen den Verdacht auf fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV.




* VGH München 11 CS 06.1350 Beschluss vom 07.12.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de) Beschluss auf der Seite der Landesanwaltschaft
Der Antragsteller hatte seine wegen eines alkoholbedingten Unfall (Oktober 2001) entzogene erste Fahrerlaubnis erst nach einer MPU wiedererteilt bekommen, in der er zwar einen regelmäßigen Canabiskonsum in seiner Jugend und den Gebrauch von Speed einräumte, aber mit Hilfe von Abstinenznachweisen für Drogen und der Geltendmachung von Alkoholabstinenz (bis auf zwei Gläser Glühwein zu Weihnachten) sowie einer entsprechenden Aufarbeitung eine positive Begutachtung erhielt. Nach Verurteilung wegen des Besitzes von mindestens 27 g Haschisch forderte die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation über seine Kraftfahreignung. Das Gutachten wertet sein Eingeständnis
Zitat
Ab Oktober 2004 habe er anfangs einmal pro Woche, später drei- bis viermal wöchentlich "etwas geraucht". Die Dosis habe bei etwa 0,25 g Haschisch gelegen.
als regelmäßigen Konsum, geht aber davon aus, dass er gegenwärtig nicht konsumiere. Ein tief greifender Wandel seiner Einstellung zu Drogen sei jedoch nicht erkennbar. Nach dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" sei er deshalb nicht in der Lage, Kraftfahrzeuge zu führen.
Das vorläufige Rechtsschutzersuchen gegen den folgenden erneuten Entzug der Fahrerlaubnis durch die Behörde hat in zweiter Instanz Erfolg. Der VGH wertet den eingestandenen Konsum nicht als regelmäßig und sieht keine der Zusatztatsachen, die bei gelegentlichem Konsum die Eignung ausschließen, als nachweislich erfüllt. Der VGH hält allerdings eine erneute MPU im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens für nötig, in der sämtliche Zusatztatsachen (Trennvermögen, kein Mischkonsum, kein Kontrollverlust, keine Persönlichkeitsstörung) zu prüfen wären und die durch 4 bis 8 Drogenscreenings über 1 Jahr vorzubereiten wären.

* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 82.09 Beschluss vom 12.11.09
Der Antragsteller hatte 2004 unter Cannabiseinfluss (2,3 ng/ml THC, 18,5 ng/ml THC-COOH) ein KfZ geführt und bei einer Kontrolle im Dezember 2007, bei der ein Wert von 0,6 ng/ml THC ermittelt wurde, zugegeben, gelegentlich Cannabis zu konsumieren. Die MPU-Anordnung, der der Antragsteller bisher nicht nachgekommen ist, wird vom OVG nicht beanstandet. Bei offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens gegen die Entzugsverfügung wird im Rahmen einer Interessenabwägung die Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung abgelehnt.
Zitat
Entgegen dem Einwand des Antragstellers kann auch ein mehrere Jahre zurückliegender Vorfall mit Betäubungsmitteln im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs bei weiteren einschlägigen Vorkommnissen durchaus berücksichtigt werden (Senatsbeschluss vom 16. Juni 2009 - OVG 1 S 17.09 -, juris, Rn. 5).


MPU-Anordnung rechtswidrig bei gelegentlichem Konsum, wenn bisher keine Fahrt unter Einfluss von THC feststeht:

* VGH Mannheim 10 S 1283/04 Urteil vom 14.09.04
Keine Cannabisfragestellung in einem Ersterteilungsverfahren, wenn lediglich Hinweise auf gelegentlichen Konsum aber ohne den Nachweis eines Zusatzelements im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegen (Randziffer 18).

* VGH Mannheim 10 S 2270/02 Beschluss vom 04.07.03
Ein ärztliches Gutachten zur Überprüfung gelegentlichen Konsums scheidet aus, wenn keine Anhaltspunkte für eine der weiteren eignungsausschließenden Tatsachen bestehen. Ein Cannabisfund im PkW reicht nicht aus, Reste eines Joints im Aschenbecher aber schon, um Zweifel am Trennvermögen zu begründen. (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.07.2002 - 1 BvR 2428/95 - und BVerfG Beschl. v. 20.06.2002 -1 BvR 2062/96 -)

* VGH München 11 CS 02.1082 Beschluss vom 03.09.2002 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Ein wegen Besitzes von 26 g Cannabisblättern angeordnetes ärztliches Gutachten bescheinigte gegenwärtig Drogenfreiheit, enthielt aber die Anamnese, dass in den Schul-/Semesterferien zweimal wöchentlich, in der Schul-Studienzeit etwa alle 14 Tage konsumiert worden war. Die darauf folgende Anordnung einer MPU hält der VGH wie schon das VG für rechtswidrig.

* VGH München 11 C 05.1810 Beschluss vom 17.10.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Prozesskostenhilfe für ein Neuerteilungsverfahren wird zweitinstanzlich bewilligt. Die Weigerung, wegen des Besitzes von 0,9 Gramm Marihuana als Beifahrer ein MPU-Gutachten vorzulegen, sei auch dann rechtlich ohne Konsequenzen, wenn für eine Alkoholproblematik (früherer Alkoholmissbrauch) bereits eine Begutachtung stattgefunden hat.

* OVG Bremen Beschluss vom 06.03.2000 - 1 B 61/00 (Quelle: verkehrslexikon.de)
MPU-Anordnung rechtswidrig, wenn zwar gelegentlicher Konsum feststeht, aber für Zweifel am Trennvermögen kein Anlass besteht. Nichtverwertbarkeit des dennoch vorgelegten negativen MPU-Gutachtens wegen inhaltlicher Mängel/mangelnder rechtlicher Relevanz der Antworten.


* OVG Schleswig 4 L 30/00 Urteil vom 12.09.2000 (Quelle: verkehrlexikon.de)
Rechtsprechung noch zur StVZO, aber auch die FeV übertragbar: Antragsteller unterzieht sich einem ärztlichen Gutachten wegen Besitzes von ca. 1 kg Haschisch. Dieses ergibt aktuell Drogenfreiheit, seltener Konsum wird zugegeben. Die vom ärztlichen Gutachter empfohlene MPU wird angeordnet, kommt aber erst im Widerspruchsverfahren zustande, wobei eine Urinabgabe verweigert wird (nur weibliche Mitarbeiter am MPI anwesend). Eine spätere Kontrolle war positiv auf Cannaboide und führte zur Zurückweisung des Widerspruchs.
Das OVG hebt unter Abänderung des VG-Urteils den Entzug der Fahrerlaubnis auf, weil es für die Anordnung der MPU keine Rechtsgrundlage sieht und die Einstufung als gelegentlicher Konsum mit Trennvermögen nicht widerlegbar ist.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Uwe W
Beitrag 29.12.2013, 18:17
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Mischkonsum mit Alkohol bei gelegentlichem Konsum

* Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 14.11.2013, BVerwG 3 C 32.12, Urteil auf der Seite der Landesanwaltschaft Bayern
Pressemitteilung zum Urteil:
Zitat
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol selbst dann regelmäßig eine mangelnde Fahreignung begründet, wenn die Einnahme der Substanzen nicht im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr steht.

Zitat
14 Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, der dem Kläger angelastete Konsum von Cannabis und Alkohol könne schon deswegen weder die Annahme mangelnder Fahreignung noch die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens rechtfertigen, weil ein solcher - nicht in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehender Mischkonsum allein - entgegen dem Wortlaut der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht zum Verlust der Fahreignung führe, ja nicht einmal einen durchgreifenden Anhaltspunkt zur Klärung der Fahreignung biete, sondern dazu weitere Besonderheiten in der Person des Betroffenen hinzutreten müssten.

15 Eine solche einschränkende und damit der Sache nach korrigierende Auslegung der untergesetzlichen Norm wäre nur dann notwendig, wenn ihr wörtliches Verständnis gegen höherrangiges Recht verstieße, unter anderem also dann, wenn ein solches Verständnis - wie das Berufungsgericht meint - nicht mit dem mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar wäre. Diesen Verfassungsverstoß folgert das Berufungsgericht aus dem von ihm in einem früheren Verfahren eingeholten Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 9. Januar 2012, wonach es keinen Erfahrungssatz des Inhalts gebe, demzufolge Personen, die einen Mischkonsum von Cannabis und Alkohol betrieben, früher oder später mit Sicherheit in diesem Zustand ein Fahrzeug im Straßenverkehr führen würden, eine Trennungsbereitschaft also aufgäben. Der daraus gezogene Schluss des Gerichts, es müssten daher für die Anwendung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Person des Mischkonsumenten Besonderheiten bestehen, die befürchten ließen, dass gerade bei ihm ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Straßenverkehr zu besorgen sei, wird von Verfassungs wegen nicht gefordert.

Das BVerwG begründet seinen Rechtsstandpunkt einerseits damit, dass die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Erkenntnisse zusammenfasse, die in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung unter Beteiligung der entsprechenden Fachkreise ihren Niederschlag gefunden haben. Ein solcher auf breiter Basis entwickelter Erkenntnisstand lasse sich nicht ohne Weiteres durch wissenschaftliche Einzelmeinungen oder einzelne Studien widerlegen. Notwendig dafür wäre zumindest die Feststellung gewesen, dass der Stand der Wissenschaft sich inzwischen im Sinne der Studie von on Ronen u.a. (The effect of alcohol, THC and their combination on perceived effects, willingness to drive and performance of driving and non-driving tasks, Accident Analysis and Prevention, 42 <2010>, S. 1855 - 1865) weiterentwickelt hätte. Nach dieser Studie ist die Wahrscheinlichkeit eines Fahrens unter dem Einfluss von Mischkonsum nicht wesentlich höher als beim Konsum von nur Cannabis.
Andererseits begründet das BVerwG seinen Standpunkt damit, dass bei einer Fahrt unter dem Einfluss von beiden Substanzen die Gefahr eines Unfalles wesentlich erhöht gegenüber einer Fahrt nur unter Cannabiseinfluss sei.
Zitat
aßgeblich für die Gefahreneinschätzung, die dieser Nummer zugrunde liegt, ist nicht nur der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Verlust des Trennungsvermögens oder der Trennungsbereitschaft zwischen der Teilnahme am Straßenverkehr und dem Drogenkonsum kommt, sondern auch der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass es infolge fehlender Trennung zu Schäden kommt, mit anderen Worten, die Wahrscheinlichkeit, dass der fahrende Drogenkonsument Unfälle verursacht. Selbst wenn man als richtig unterstellt, dass der Mischkonsument sich nicht häufiger ans Steuer setzt als derjenige, der es beim Cannabiskonsum belässt, bleibt die Erhöhung des Unfallrisikos durch die kombinierte Rauschwirkung (vgl. Schubert u.a., a.a.O., Kommentar zu Kapitel 3.12.1, Anmerkung 1.1 d, S. 171 f.).


Zitat
Zu berücksichtigen ist im Übrigen, dass der Verwaltungsgerichtshof unabhängig davon auch auf die Vagheit der Einlassung des Klägers hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht hat, dass beide Substanzen auch unter zeitlichem und mengenmäßigem Blickwinkel in einer Weise eingenommen worden sein müssten, die zu einer kombinierten Rauschwirkung habe führen können; insoweit verweist er auf seinen Beschluss vom 15. September 2009 - 11 CS 09.1166 - (juris), in dem er sich zu Recht - wie auch weitere Instanzgerichte (VGH Mannheim, Beschlüsse vom 10. Februar 2006 - 10 S 133/06 - DÖV 2006, 483, und vom 19. August 2013 - 10 S 206/13 - juris; VG Hamburg, Beschluss vom 10. September 2009 - 15 E 1544/09 - juris; VG Osnabrück, Beschluss vom 15. Februar 2011 - 6 B 95/10 - juris) auf den Standpunkt gestellt hat, dass es im Hinblick auf die Gefahren des Mischkonsums, deren Vermeidung die Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung dient, allein auf die kombinierte Rauschwirkung ankommt. Entscheidend ist - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 12. März 2012 - 11 B 10.955 - (juris Rn. 54) zutreffend ausführt - keine „handlungsbezogene“, sondern eine „wirkungsbezogene“ Betrachtungsweise; nötig ist keine gleichzeitige Einnahme der Substanzen, sondern unter zeitlichem Blickwinkel eine Einnahme, die eine kombinierte Rauschwirkung zur Folge haben kann. Ein fahrerlaubnisrelevanter Mischkonsum von Cannabis und Alkohol setzt demnach in zeitlicher Hinsicht eine Einnahme der Substanzen voraus, die zu einer Wirkungskumulation führen kann (VGH Mannheim, Beschluss vom 19. August 2013, a.a.O. Rn. 6; so auch Pießkalla, NVZ 2008, 542 <545 f.>). Hier stand ein solcher zeitlicher Zusammenhang indes nicht in Frage. Anders als in den Fällen, in denen diese Problematik erörtert worden ist, musste hier nach den Äußerungen des Klägers über sein Konsumverhalten nicht von einer zeitlichen Streuung, sondern von einer Einnahme der Substanzen im Sinne eines einheitlichen Lebensvorganges ausgegangen werden. Die Frage, ob eine überlappende Wirkung beider Substanzen ausgeschlossen war, stellte sich daher von vornherein nicht.

27 Problematischer ist die Betrachtung aus dem - vom Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Urteil so bezeichneten - mengenmäßigen Blickwinkel. Insoweit kann jedenfalls denkgesetzlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die in Rede stehenden Substanzen in derart geringen Mengen konsumiert hat, dass eine im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne beachtliche kombinierte Rauschwirkung nicht eintreten konnte. Jedenfalls aus diesem Grund liegt - anders als der Revisionsführer meint - kein schlechthin unmöglicher Schluss des Verwaltungsgerichtshofs vor, wenn er das seinerzeitige Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung als nicht erwiesen betrachtet und eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich des eingetretenen Verlusts der Fahreignung für erforderlich hält.

28 Ungeachtet dessen steht diese Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs jedoch deshalb nicht im Einklang mit Bundesrecht, weil sie überzogene Anforderungen an die behördliche Pflicht zur Sachaufklärung stellt...


Der Entzug der Fahrerlaubnis wegen Mischkonsums setzt sowohl voraus, dass gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt, als auch, dass eine gleichzeitige Wirkung von Cannabis und Alkohol stattfindet:

* VGH Mannheim 10 S 206/13 Beschluß vom 19.8.2013

* VGH Mannheim 10 S 133/06 Beschluss vom 10.02.06
Entzug rechtmäßig auch ohne Verkehrsteilnahme bei Nachweis von THC (9,1 ng/ml), THC-COOH (78 ng/ml) und Blutalkoholkonzentration von 1,39 Promille in der Blutprobe. Gelegentlichkeit des THC-Konsums wurde aus dem THC-COOH-Wert hergeleitet. Auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 252 ff.

* VGH Mannheim 3 K 888/02 Beschluss vom 24.06.03
Zitat
Die Annahme der Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen folgt auch aus der Tatsache, dass der Kläger gleichzeitig Cannabis und Alkohol konsumiert hat. Krüger (S. 10 f.) und Berghaus (S. 3 f.) führen in ihren vom Bundesverfassungsgericht im Verfahren 1 BvR 2062/96 eingeholten Gutachten unter Hinweis auch auf experimentelle Studien aus, dass das Risiko eines Verkehrsunfalls beim gleichzeitigen Konsum von Cannabis und Alkohol gegenüber dem Risiko eines bloßen Cannabiskonsums dramatisch ansteigt (vgl. auch Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2002, S. 110).


* OVG Lüneburg Beschluss vom 07.06.2012, 12 ME 31/12:
Zitat
9 Kann auf der Grundlage der derzeit allein vorhandenen Erkenntnisse nicht von einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ausgegangen werden, lässt sich - entgegen der Annahme der Antragsgegnerin - eine fehlende Eignung auch nicht wegen eines zum Cannabiskonsum hinzugekommenen Gebrauchs von Alkohol im Hinblick auf den vorgetragenen Absinthgenuss annehmen. 9.2.2 der Anlage 4 FeV setzt allgemein eine gelegentliche Einnahme von Cannabis voraus. Eine einmalige Einnahme von Cannabis führt also auch dann nicht zur Fahrungeeignetheit, wenn zusätzlich Alkohol gebraucht worden wäre (s. auch etwa Pießkalla, NVZ 2008, 542). Ungeachtet dessen dürfte die Bejahung eines die Fahreignung ausschließenden zusätzlichen Alkoholgebrauchs voraussetzen, dass beide Substanzen, also Cannabis und Alkohol, im Körper gleichzeitig und wirkaktiv vorhanden sind (VG München, Urteil vom 20.1.2009 - M 6a K 08.417 -, juris Rdn. 15; OVG Saarl., Beschluss vom 8.1.2010 - 1 B 493/09 -, ZfSch 2010, 172, juris; Pießkalla, NVZ 2008, 542, 545 f.). Der Befundbericht des Labors J. GmbH K. vom 19. August 2011 liefert hierfür keinen Anhaltspunkt.


* OVG Münster 16 B 99/11 Beschluss vom 22.7.11
3,4 ng/ml THC und eine nicht mitgeteilten Menge THC-COOH unterhalb von 100 ng/ml sowie Alkohol. OVG hält den Ausgang des Verfahrens für offen, da Gelegentlichkeit nicht erwiesen.

* OVG Saarlouis 1 B 493/09 Beschluss vom 08.01.10
kein Entzug der FE wegen gelegentlichem Cannabiskonsum, wenn gleichzeitig 0,5 ng/ml THC und 0,63 Promille Alkohol gemessen werden;

Bayern Mischkonsum Cannabis/Alkohol

* VGH München Urteil vom 12.03.2012, 11 B 10.955 (auf openjur.de)
Das erste von zwei ausführlich begründeten Urteilen des VGH, nach der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol nur dann eignungsschädlich sein soll, wenn der Mischkonsum einen Bezug zum Straßenverkehr hat. Das Urteil wurde rechtskräftig, weil die Klage auch aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg hatte.

* VGH München Urteil vom 24.10.2012, 11 B 12.1523
Das zweite Mischkonsumurteil, welches vom BVerwG im November 2013 aufgehoben wurde.

* VGH München Beschluss vom 21.07.2011, 11 CS 11.1061
Antragstellerin stand unter Einfluss von Alkohol (Atemalkoholkonzentration 0,92 mg/l) und konnte nur durch Eingreifen Dritter davon abgehalten werden, Marihuana zu konsumieren.Der VGH hält die Aufforderung, ein ärztliches Gutachten zur Klärung der Cannabiskonsumform beizubringen, nach § 14 (1) Satz 1 Nr. 2 FeV für gerechtfertigt.
Auch die Klage blieb erfolglos. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde im nachfolgenden Hauptsacheverfahren zurückgewiesen: VGH München Beschluss vom 25.10.2012, 11 ZB 12.1975

* VGH München Beschluss vom 15.09.2009, 11 CS 09.1166
Fahrt unter Einfluss von 0,18 ‰ Alkohol sowie THC in einer Konzentration zwischen 0,5 und 0,99 ng/ml und THC-COOH in einer Konzentration von 20 ng/ml. Ob eine kombinierte Rauschwirkung vorgelegen hat, ist nach Ansicht des VGH offen und muss im Widerspruchsverfahren weiter aufgeklärt werden.

* VGH München 11 CS 08.3150 Beschluss vom 02.03.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Nach einer Fahrt mit 1,9 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH ordnet die Behörde eine MPU an. Gegenüber dem Gutachter gibt der Antragsteller Beikonsum von Alkohol an, woraus der VGH den Verlust der Kraftfahreignung für die Vergangenheit folgert.


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Beitrag 30.12.2013, 03:49
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Gelegentlicher Cannabiskonsum und zusätzlicher Gebrauch anderer psychoaktiver Stoffe

* VGH München Beschluss vom 24.10.2013, 11 CS 13.1810
Entzug wegen Nichtbeibringung eines Fahreignungsgutachtens, das angeordnet worden war, um abzuklären, ob der Antragsteller missbräuchlich psychoaktiv wirkende Arzneimittel und andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnahm bzw. einnimmt, die die Fahreignung nach Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung in Frage stellen. Der Antragsteller war mit einem Rettungswagen in eine Klinik verbracht worden, nachdem er von seiner Freundin nicht ansprechbar in einem Krampfanfall am Boden liegend aufgefunden worden war.
Zitat
Durch die Besatzung des Rettungswagens sei eine Tüte mit der Aufschrift "Millenium Platinum 3 Gramm" an die Polizeibeamten übergeben worden. Die Besatzung habe angegeben, dass der Antragsteller ihnen gegenüber geäußert habe, dass er dessen Inhalt zuvor konsumiert habe. In der Wohnung hätten die Beamten eine Bong, eine Feinwaage und eine gebrauchte Cannabismühle mit Anhaftungen gefunden sowie hinter der Couch eine Schatulle, in welcher sich mehrere Druckverschlusstütchen mit kleineren, nicht bestimmten Restmengen befunden hätten.

3 Nach dem Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 7. Dezember 2012 habe sich in dem Tütchen mit der Aufschrift "Millenium Platinum" getrocknetes und zerkleinertes pflanzliches Material von würzigem Geruch befunden, in dem der Wirkstoff AM2201 nachgewiesen worden sei, ein synthetisches Cannabinoid, dessen Wirkung der von Cannabis ähnlich, jedoch deutlich stärker ausgeprägt sei und das derzeit noch kein Betäubungsmittel im Sinne des § 1 BtMG darstelle.
Das vorläufige Rechtsschutzersuchen verlief in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Zitat
Diese Tatsachen reichen für sich genommen aus, um den Verdacht einer missbräuchlichen Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen zu begründen, auch wenn hier die Annahme nicht auf entsprechende Laborwerte einer, in solchen Fällen üblichen, Blutuntersuchung anlässlich des Klinikaufenthalts des Antragstellers gestützt werden kann. Gerade die aufgefundenen drogentypischen Utensilien in der Wohnung des Antragstellers sprechen für die in Nr. 9.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geforderte Regelmäßigkeit der Einnahme und damit für einen durch ein Gutachten zu klärenden Eignungsmangel.

23 Der Gutachtensanforderung steht auch nicht entgegen, dass es sich bei dem vorgefundenen Wirkstoff AM2201 derzeit um kein Betäubungsmittel im Sinne des § 1 BtMG handelt. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis stehen im Gegensatz zum Strafrecht, wo es vorrangig um die Sanktionierung von vergangenem Verhalten geht, die präventive Gefahrenabwehr und der Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrern im Fokus. Die betäubungsmittelrechtliche Legalität vermag nicht die vom Konsum dieses Wirkstoffes ausgehende straßenverkehrsrelevante Gefahr auszuschließen.

24 Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist ein Bezug zum Straßenverkehr hier nicht erforderlich. Weder § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 FeV noch Nr. 9.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfordern einen derartigen Bezug, wie dies bei der gelegentlichen Einnahme von Cannabis nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorgesehen ist. Da nach dem oben zitierten Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts die Wirkung des Wirkstoffs AM2201 deutlich stärker ausgeprägt ist als das von Cannabis, spricht manches dafür, dass Konsumenten dieses Wirkstoffes ein höheres Risiko für den Straßenverkehr darstellen als gelegentliche Konsumenten von Cannabis. Damit verbietet sich eine Gleichbehandlung von AM2201 und Cannabis, insbesondere aber auch deshalb, weil die Privilegierung des gelegentlichen Cannabiskonsums auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und als Ausnahme von der Regelvermutung entsprechend eng auszulegen ist.


* VGH München Beschluss vom 18.10.2010, 11 CS 10.1810
Gelegentlicher Cannabiskonsument muss zur MPU, weil er vor mehr als einem Jahr Spice geraucht hat. Weiterhin wurde ihm von der Behörde auferlegt, sich regelmäßig Drogenscreenings zu unterziehen. 18 Tage nach der Gutachtenanordnung stellt die Untersuchungsstelle im Urin Cannaboide in der Konzentration von 17 ng/ml fest, weitere 20 Tage später in einer Konzentration von über 100 ng/ml. Die Behörde entzieht daraufhin die Fahrerlaubnis: Spice sei eine harte Droge; die Kraftfahreignung sei auch noch nicht wiedererlangt, weil der Betroffene sich dafür jeden Drogenkonsums zu enthalten habe. Das VG stellt die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs wieder her: eine Cannabisabstinenzpflicht bestehe nicht, wenn jemand wegen des Konsums harter Drogen die Fahrerlaubnis verliere. Das Leugnen eines zeitnahen Cannabiskonsums müsse erst im Rahmen der angeordneten MPU berücksichtigt werden.

Der VGH hält er es nicht für erwiesen, dass der Konsum von Spice zum Verlust der Kraftfahreignung führt, da der Konsum stattgefunden hat, bevor Spice dem Betäubungsmittelgesetz unterworfen wurde (mit ausführlicher Begründung).

* VGH München Beschluss vom 27.09.2010, 11 CS 10.1104
Wegen des nachgewiesenen Konsums von Cannabis und des Verdachts des Konsums von Amphetaminen und Kokain wurde eine MPU angeordnet. Das der Behörde vorgelegte Gutachten belegt gelegentlichen Cannabiskonsum und behauptet, es seinen Fahrten unter Einfluss von Betäubungsmitteln zu erwarten.
Nach Ansicht des VGH ist beim Verdacht des Konsums harter Drogen bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten keine MPU, sondern nur ein ärztliches Gutachten anzuordnen. Die Feststellungen des MPU-Gutachtens samt verschiedener Ergänzungen seien nicht tragfähig, um einen Fahrerlaubnisentzug zu rechtfertigen. Vielmehr müsse mittels Haaranalyse geklärt werden, ob harte Drogen konsumiert wurden.

* VGH München 11 CS 09.1118 Beschluss vom 20.07.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Der Antragsteller hatte im Verwaltungsverfahren mehrfach zugegeben, gelegentlich Cannabis konsumiert zu haben. Weiterhin hat er zugegeben, einmalig mit einem zusammengerollten Geldschein ein weißes Pulver konsumiert zu haben, welches möglicherweise Kokain oder Ephredin sein könnte. Nach dem VG hält auch der VGH die Anordnung einer MPU mit der folgenden Fragestellung für rechtmäßig:
Zitat
"Kann der Betroffene trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie zusätzlicher Eignungszweifel (Verdacht bzw. erhöhte Bereitschaft auf gleichzeitigen Konsum harter Drogen bzw. sonstiger psychoaktiv wirkender Stoffe) ein Kraftfahrzeug der Klasse 3 sicher führen? Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln oder deren Nachwirkungen führen wird?"


* VGH München 11 CS 06.2043 Beschluss vom 14.03.2007
Der Antragsteller war unter Hinweis auf den nach seinen Einlassungen feststehenden, zumindest gelegentlichen Haschischkonsum und den durch den positiven Mahsan-Test gegebenen Anhaltspunkt für Kokainkonsum gemäß § 46 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV aufgefordert worden, ein MPU-Gutachten vorzulegen. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen gegen den nach Nichtbeibringung erfolgten Entzug der Fahrerlaubnis blieb in beiden Instanzen erfolglos. Der VGH hält die Gutachtensanforderung für rechtmäßig:
Zitat
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ist ein gelegentlicher Cannabiskonsument nur dann fahrgeeignet, wenn er Konsum und Fahren trennt und nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe gebraucht, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass die Fahreignung eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten u.a. dann zu verneinen ist, wenn er zusätzlich andere psychoaktiv wirkende Stoffe zu sich nimmt. Sind der gelegentliche Cannabiskonsum und der zusätzliche Konsum anderer psychoaktiv wirkender Stoffe erwiesen, steht seine Nichteignung im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV fest. Reagiert ein Drogenschnelltest auf Betäubungsmittel positiv, so reicht das - für sich allein - nicht ohne Weiteres aus, um einen Betäubungsmittelkonsum zu belegen. Ein solches Testergebnis stellt aber ein (sehr) gewichtiges, da auf objektiv-naturwissenschaftlichem Weg gewonnenes Indiz dafür dar, dass der Betroffene die Substanz, auf die der Test angesprochen hat, eingenommen hat.

(vgl. BayVGH vom 21.3.2005 Az. 11 CS 04.2334; vom 24.7.2006 Az. 11 CS 05.3350).

Bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten wie dem Antragsteller war das hinsichtlich Kokain positive Ergebnis des am 20. Oktober 2005 vorgenommenen Urintests deshalb jedenfalls geeignet, Zweifel an seiner Fahreignung zu erwecken. Damit war aber die Voraussetzung für eine auf § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV gestützte Gutachtensanordnung gegeben. Soweit sich der Antragsteller für seine gegenteilige Auffassung auf den Beschluss des erkennenden Senats vom 21. März 2005 (a. a. O.) beruft, übersieht er, dass es dort um den Nachweis eines Betäubungsmittelkonsums ging, während hier zu prüfen ist, ob der für eine Gutachtensanordnung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV lediglich zu fordernde Verdacht des Konsums anderer psychoaktiv wirkender Stoffe besteht. Auch ein solcher Verdacht darf selbstverständlich nicht aus der Luft gegriffen werden, sondern muss sich auf Tatsachen stützen können. Eine solche Tatsache liegt hier mit dem hinsichtlich Kokain positiven Ergebnis des Urintests vom 20. Oktober 2005 indessen vor. Dabei wird nicht verkannt, dass Drogenschnelltests ungenau sein und u. U. fehlerhafte Ergebnisse zeitigen können. Dieser Unschärfe wird jedoch, wie der erkennende Senat schon im Beschluss vom 24. Juli 2006 (a. a. O.) dargelegt hat, bereits dadurch Rechnung getragen, dass das Ergebnis eines solchen Tests - für sich allein - nicht ohne Weiteres als ausreichender Nachweis im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV anerkannt wird.

Die Entscheidung wurde im Hauptsacheverfahren bestätigt:
VGH München 11 ZB 07.1271 Beschluss vom 20.08.2007

* VGH München 11 CS 05.1678 Beschluss vom 08.03.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt unter Einfluss von 21 ng/ml THC, 8,4 ng/ml 11-Hydroxy-THC, 46 ng/ml THC-COOH, 113 ng/ml Diazepam, 57 ng/ml Nordiazepam, 10 ng/ml Temazepam, 4 ng/ml Oxazepam, 69 ng/ml Doxepin, 116 ng/ml Nordoxepin. Der VGH hält gelegentlichen Cannabis-Konsum für nicht erwiesen und schlägt ein ärztliches Gutachten zur Klärung der Konsumform vor. Er führt zu den übrigen Substanzen aus:
Zitat
Da erst geklärt werden muss, ob der Antragsteller unter Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV fällt, weil er Cannabis mehr als einmal zu sich genommen hat, kann zwar zunächst dahin stehen, ob eine der dort erwähnten „Zusatztatsachen“ vorliegt. Es erscheint jedoch sinnvoll, den eventuellen Beikonsum von psychoaktiv wirkenden Medikamenten zu Cannabis mit abzuklären.

Bei Diazepam, Nordiazepam, Temazepam und Oxazepam handelt es sich um verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel im Sinne der Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG. Die ebenfalls beim Antragsteller festgestellten Substanzen Doxepin und Nordoxepin sind zwar keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG, jedoch ebenso wie die vorgenannten Stoffe als psychoaktiv wirkende Substanzen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV einzustufen, da sie als Antidepressiva verwendet werden und auf das zentrale Nervensystem wirken (vgl. auch Hettenbach/Kalus/Möller/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 2005, § 3 RdNrn. 1-11).

Die weitere Frage, unter welchen Voraussetzungen Diazepam, Nordiazepam, Temazepam und Oxazepam als Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) geeignet sind, fehlende Fahreignung nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV zu begründen, wurde von der Fahrerlaubnisbehörde und dem Verwaltungsgericht Bayreuth zu Recht nicht thematisiert, nachdem sich die beim Antragsteller gemessenen Werte unterhalb bzw. im Fall von Nordiazepam im Rahmen des therapeutischen Wirkspiegels gehalten haben, und die Einnahme wohl auch auf einer ärztlichen Verordnung beruhte. Auch die Einnahme von Medikamenten im Sinne der Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz kann aber im Einzelfall Fahrungeeignetheit zur Folge haben, etwa wenn sie missbräuchlich, d.h. ohne ärztliche Verordnung bzw. in höheren als den üblichen therapeutischen Dosierungen erfolgt


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Beitrag 30.12.2013, 12:04
Beitrag #8


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Kontrollverlust beim gelegentlichen Konsum

* VGH München Beschluss vom 18.10.2010, 11 CS 10.1810
Gelegentlicher Cannabiskonsument muss zur MPU, weil er vor mehr als einem Jahr Spice geraucht hat. Weiterhin wurde ihm von der Behörde auferlegt, sich über ein Jahr lang am 8. eines Monats einem Drogenscreening zu unterziehen.
18 Tage nach der Gutachtenanordnung stellt die Untersuchungsstelle im Urin Cannaboide in der Konzentration von 17 ng/ml fest, weitere 20 Tage später in einer Konzentration von über 100 ng/ml.
Der VGH sieht wegen des zweiten Screenings einen dringenden Verdacht auf Kontrollverlust, dem mit einer entsprechenden MPU-Fragestellung nachzugehen sei.
Zitat
28 Ein Kontrollverlust im Sinn der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 liegt dann vor, wenn eine Person im Wissen darum, sich demnächst einer Untersuchung unterziehen zu müssen, die der Feststellung eines bei ihr (nicht mehr) bestehenden Betäubungsmittelkonsums dient, in enger zeitlicher Nähe zu einem Untersuchungstermin Drogen einnimmt (vgl. OVG NRW vom 7.1.2003 VRS Bd. 105 [2004], S. 73/75; vom 15.9.2008 Az. 16 A 58/08 <juris> RdNrn. 8 - 10). Denn wer kurz vor einer angekündigten Untersuchung weiterhin Betäubungsmittel gebraucht, zeigt, dass er sein Konsumverhalten nicht hinreichend steuern kann oder er - z.B. aus fehlender Einsicht oder aus Gleichgültigkeit - nicht willens ist, sich auf bevorstehende Situationen einzurichten, in denen es auf Drogenfreiheit ankommt (OVG NRW vom 7.1.2003, a.a.O., S. 75 f.)


* OVG Lüneburg Beschluss vom 30.03.2004, 12 ME 90/04
Der Betroffene hatte behauptet, nach dem am 18. Juni 2003 angeordneten Drogenscreening nicht mehr konsumiert zu haben. Es wurden aber in den Urinproben noch Konsumrückstände festgestellt: 24 ng/ml THC-COOH am 22. August 2003 und 12 ng/ml THC-COOH am 12. September 2003.
Das OVG schließt daraus, dass entweder bis zum 18.06. regelmäßiger Konsum vorgelegen haben muss oder aber, dass der Betroffene nach der Screeninganordnung noch weiter konsumiert haben muss (gelegentlicher Konsum mit Kontrollverlust).

*OVG Münster 19 B 1249/02 Beschluss vom 07.01.2003 Nachdem beim Antragsteller anscheinend am 11.01.02 bei einer Polizeikontrolle 19 Gramm Haschisch gefunden worden waren, erschien dieser am 10.04.02 zu einer ärztlichen Begutachtung, deren Anordnung ihm am 06.04.02 zugestellt worden war. Die Blutanalyse ergab 13,9 ng/ml THC und 114,4 ng/ml THC-COOH. Das OVG schließt daraus sowohl regelmäßigen Konsum als auch einen Kontrollverlust, so dass bereits der gelegentliche Konsum als fahreignungsschädlich anzusehen ist.

* OVG Münster 16 A 58/08 Beschluss vom 15.09.2008 Der Kläger hatte gelegentlichen Konsum eingeräumt.
Zitat
Weiterhin ist als feststehend zu betrachten, dass der Kläger seinen Cannabiskonsum nicht zu kontrollieren vermag. Obwohl er lange vorher wusste, dass im Juli 2007 die medizinisch- psychologische Untersuchung anstand, hat er nach eigener Angabe noch ein bis zwei Tage vor dem Untersuchungstermin Cannabis konsumiert. Ein solches Verhalten wird nach sachverständiger Beurteilung - die das beschließende Gericht teilt - als Hinweis auf einen Kontrollverlust gewertet.

10 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 19 B 1249/02 -, juris Rdnr. 14 m.w.N. = NWVBl 2003, 229.

11 Einen Kontrollverlust des Klägers hat auch der von ihm beauftragte Gutachter festgestellt. Das Verwaltungsgericht ist dieser nachvollziehbaren Bewertung beigetreten. Dagegen ist entgegen dem Zulassungsantrag nichts zu erinnern. Wer kurz vor der angekündigten Untersuchung weiterhin Cannabis konsumiert, zeigt, dass er sein Konsumverhalten nicht hinreichend steuern kann oder nicht willig ist, sich auf Situationen einzurichten, die Drogenfreiheit voraussetzen.

12 Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2003, a. a. O., Rndr. 16.

13 Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zwischen dem Willen und der Fähigkeit zur Abstinenz nicht unterschieden, greift nicht durch. Der Kontrollverlust entfällt nicht dadurch, dass der Drogenkonsument seinem verbotenen Verlangen unter Anspannung aller Willenskräfte zu widerstehen vermöchte, diese aber nicht aufbringen will. Im Übrigen ist nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger überhaupt die Fähigkeit zur Abstinenz hat. Bei der medizinisch-psychologischen Untersuchung im Juli 2007 hatte der Kläger - wie er selbst hervorhebt - aufgrund inzwischen gewonnener Einsicht den Willen, kein Cannabis mehr zu konsumieren und von Drogen Abstand zu nehmen. Zur Betätigung dieses Willens war er jedoch in der Folgezeit nicht in der Lage. Sein Cannabiskonsum dauert unverändert fort, wie sich zumindest aus seinen Einlassungen während der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und in der Berufungszulassungsschrift ergibt.
Beschluss auf verkehrslexikon.de

* OVG Münster 16 A 59/08 Beschluss vom 15.09.2008
Parallelverfahren und -entscheidung zu 16 A 58/08

* OVG Bautzen 3 B 157/08 Beschluss vom 29.09.09 Der Untersuchte hatte (jedenfalls hält das OVG das spätere Bestreiten für unsubstantiiert) vor den beiden Untersuchungsterminen einer ärztlichen Begutachtung im Abstand von weniger als 10 Tagen jeweils Cannabis konsumiert. Das VG hatte daraus gewohnheitsmäßigen Konsum gefolgert, auch wenn das Gutachten in anderer Hinsicht fehlerhaft war. Der Einwand des Antragstellers, ein regelmäßiger Konsum sei nicht erwiesen, wurde vom OVG zurückgewiesen. Bemerkung: Wesentlich überzeugender wäre es in meinen Augen gewesen, den Entzug der Fahrerlaubnis mit dem Tatbestand "gelegentlicher Konsum mit Kontrollverlust" zu begründen.


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Beitrag 30.12.2013, 13:04
Beitrag #9


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Persönlichkeitsstörung und gelegentlicher Konsum

* OVG Bautzen 3 BS 136/01 Beschluss vom 08.11.01: Es ist nicht als Tatsache zu werten, die bei gelegentlichem Konsum Eignungszweifel auslöst, wenn im ärztlichen Gutachten behauptet wird, dass sich "persönlichkeitsabhängige Störungen" andeuteten, insbesondere wenn " diese Störungen „möglicherweise als Folge erheblicher Defizite der Persönlichkeit ... nicht ausgeschlossen“ werden könnten, wobei dies „allerdings der ärztlichen Methodik nur begrenzt zugänglich“ sei."


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Beitrag 30.12.2013, 17:33
Beitrag #10


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Andere Gründe für Eignungszweifel bei gelegentlichem Konsum

Jugendliches Alter des Konsumenten

* VGH München 11 CS 05.77 Beschluss vom 13.05.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Zweitinstanzliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Fahrerlaubnisentziehung, die mit der Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens begründet wurde. Der VGH sieht bei einem gelegentlichen Konsumenten, der im Alter von 16 Jahren mit dem Konsum begonnen hat, dessen Jugendlichkeit nicht als Tatsache an, die bei gelegentlichem Konsum für sich genommen bereits Zweifel an der Kraftfahreignung auslöst und eine MPU-Aufforderung rechtfertigt.
Zitat
Unabhängig hiervon sieht es der Verwaltungsgerichtshof nicht als hinreichend gesichert an, ob gelegentlicher Cannabiskonsum selbst dann, wenn der Antragsteller dieses Verhalten schon vor dem 16. Geburtstag aufgenommen hätte, bereits heute die Gefahr straßenverkehrsrechtlich relevanter Eignungsmängel nach sich zöge. Chronische, auf Cannabiskonsum zurückzuführende Veränderungen können erst nach einer Konsumdauer von 10 bis 15 Jahren, mit sensitiveren Verfahren nach einer Konsumdauer von fünf Jahren entdeckt werden (Kannheiser, a.a.O., S. 60); die letztgenannte Zeitspanne wäre vorliegend selbst dann noch nicht verstrichen, wenn zu Lasten des Antragstellers ein Konsumbeginn im 16. Lebensjahr unterstellt würde. Bei "schwerem Konsum" von Cannabis können andauernde Beeinträchtigungen zwar schon nach relativ kurzer Dauer auftreten (Kannheiser, ebenda); ein derart gesteigertes Konsumverhalten lässt sich im Fall des Antragstellers gegenwärtig indes nicht nachweisen.

Der VGH erörtert dann, dass beim Antragsteller weder eine fehlende Unterstützung seitens seiner Familie, noch eine "allgemeine soziale Perspektivlosigkeit", noch Anhaltspunkte für psychische Labilität feststellbar sei und dass sein (substantiierter) Vortrag, schon mehrfach von Polizisten ohne Drogenauffälligkeiten kontrolliert worden sei, dagegen spreche, dass bei ihm als Teil eines juveniles "sensation-seeking-Verhalten" mit Fahrten unter Drogeneinfluss zu rechnen sei.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 06.12.2013, 12 LA 287/12
beschäftigt sich mit der Anordnung von ärztlichen Gutachten bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchungen bei Jugendlichen (14 bis 17 Jahre), die gelegentlich Cannabis konsumieren bzw. konsumieren könnten. Die Behörde hatte wegen Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen, dessen Anordnung auf einen Erlass des niedersächsischen Verkehrsministers gestützt war. Nachdem das VG den Bescheid aufgehoben hatte, lehnte es das OVG ab, die Berufung dagegen zuzulassen.
Zitat
8 Der Vortrag des Beklagten begründet nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. In der im angefochtenen Urteil auch zitierten Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 27.6.2012 - 12 ME 65/12 -, v. 3.6.2010 - 12 PA 41/10 -, SVR 2010, 434, und v. 16.6.2011 - 12 ME 94/11 -; ferner Bay. VGH, Beschl. v. 22.9.2010 - 11 ZB 10.184 -, juris; OVG NRW, Beschl. v. 15.5.2009 - 16 B 114/09 -, Blutalkohol 46, 292) sind die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung eines ärztlichen Gutachtens nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV im Falle eines in Rede stehenden Cannabiskonsums (nicht, wie der Beklagte meint, eines medizinisch-psychologischen Gutachtens) im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts geklärt. Erforderlich ist danach, dass entweder hinreichend konkrete Anknüpfungspunkte für einen regelmäßigen Cannabiskonsum oder neben der Einnahme von Cannabis weitere Tatsachen vorliegen, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel ziehen, wie etwa das fehlende Trennungsvermögen zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen. Derartige weitere, die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Zweifel ziehende Tatsachen hat das Verwaltungsgericht hier verneint. Umstände, die zu Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Feststellung führen, legt der Beklagte nicht dar.

9 Sie ergeben sich nicht aus Ziff. 1.5 des - die Verwaltungsgerichte nicht bindenden - Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 4. August 2008. Das Verwaltungsgericht merkt zutreffend an, dass der Erlass Gründe dafür, warum die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens zur Überprüfung der Kraftfahreignung bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ohne Bezug zum Straßenverkehr bei Jugendlichen zwischen dem vollendeten 14. und 18. Lebensjahr zum Deliktszeitpunkt gerechtfertigt sein soll, nicht benennt. Auch der Beklagte legt entsprechende, eine abweichende Behandlung dieser Gruppe von Jugendlichen rechtfertigende Gründe nicht dar. Sie sind dem Senat auch in dieser Pauschalität nicht ersichtlich. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen er bei (gelegentlichem) Cannabiskonsum und der „Zusatztatsache“ des jugendlichen Alters des Drogenkonsumenten eine Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für gerechtfertigt gehalten hat (Beschl. v. 30.3.2004 - 12 ME 90/04 -, Blutalkohol 41, 563, juris, u. v. 15.11.2002 - 12 ME 700/02 -, Blutalkohol 40, 171, juris; vgl. dazu andererseits auch Bay. VGH, Beschl. v. 13.5.2005 - 11 CS 05.77 -, juris; VG Oldenburg, Beschl. v. 5.8.2008 - 7 B 2074/08 -, ZfSch 2008, 597, juris; s. auch VG Augsburg, Urt. v. 6.10.2005 - Au 3 S 05.949 -, juris; Zwerger, DAR 2005, 431, 436; Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rdn. 1105; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 14 FeV Rdn. 18). Er hat dies auf die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 (- 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378, juris Rdn. 44) berichtete Erkenntnis gestützt, dass bei besonders gefährdeten Personengruppen, wie etwa bei Jugendlichen in der Entwicklungsphase, der Konsum von Cannabis möglicherweise zu chronischen Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit führt. Unter welchen Voraussetzungen derartige Beeinträchtigungen zu besorgen sind (dazu etwa Bay. VGH, Beschl. v. 13.5.2005 - 11 CS 05.77 -, juris Rdn. 25), ist - soweit im vorliegenden Berufungszulassungsverfahren erkennbar, in dem, wie bereits ausgeführt, eine Zulassung rechtfertigende Darlegungen dieser Art nicht gemacht worden sind - nach dem Stand vorliegender Erkenntnisse nicht geklärt. Der Senat hält es vor diesem Hintergrund nach wie vor für denkbar, dass es Ausnahmefälle geben kann, in denen etwa bei länger andauerndem und intensiverem Cannabiskonsum im jugendlichen Alter des Drogenkonsumenten eine auf die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung etwaiger dauerhafter Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Betreffenden in Betracht kommen kann. Gleichermaßen ist es denkbar, dass im Vorfeld einer Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens Anlass besteht, das Vorliegen derjenigen Konsumgewohnheiten, die zu einer chronischen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit führen können, durch die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens abzuklären, sofern Tatsachen bekannt werden, die insoweit Bedenken begründen. Hier erging die Aufforderung des Beklagten vom 24. April 2012 zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens, um zu klären, ob noch Anhaltspunkte für einen gelegentlichen oder sogar regelmäßigen oder gewohnheitsmäßigen Konsum von Cannabisprodukten vorlägen. Indes waren weder Anknüpfungspunkte für einen regelmäßigen Cannabiskonsum gegeben, noch zielte die Anordnung auf die Feststellung von die Fahreignung in Zweifel ziehenden Mängeln oder gar von chronischen Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit. Unter diesen Umständen hält sie - wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist - einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.


* OVG Lüneburg Beschluss vom 15.11.2002, 12 ME 700/02Das OVG verweigert (unter Aufhebung des VG Beschlusses) zweitinstanzlich vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Entziehungsverfügung, die auf Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens gestützt war. Der Antragsteller hatte bei der Polizei angegeben, dass er seit seinem 16. Lebensjahr einmal im Monat Cannabis konsumiert habe.
Zitat
Auch liegen bei dem Antragsteller weitere Zweifel an seiner Fahreignung vor. In seinem Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 – (NJW 2002, 2378, 2379) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass das jugendliche Alter eines Drogenkonsumenten weitere Zweifel an seiner Tauglichkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat im Rahmen seines Verfahrens mehrere Gutachten eingeholt, die u.a. zu dem Ergebnis kommen, dass die Gefahr besteht, der Konsum von Cannabis werde bei Jugendlichen zum Eintritt chronischer Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit führen. Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis schon im jugendlichen Alter stellt demnach einen Anhaltspunkt dar, der auf das ständige Vorhandensein fahreignungsrelevanter körperlich-geistiger Leistungsdefizite schließen lässt. Der am 14. September 1983 geborene Antragsteller ist zwar im Zeitpunkt der Feststellung seines Cannabiskonsums am 13. Oktober 2001 bereits 18 Jahre alt und damit nicht mehr Jugendlicher i.S. des § 1 Abs. 2 JGG gewesen. Da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt aber das 18. Lebensjahr gerade erst überschritten hatte und bereits seit dem sechzehnten Lebensjahr Cannabisprodukte konsumierte, kann bei ihm ebenfalls eine Verminderung seiner körperlich-geistigen Leistungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden.

9 Der Rechtmäßigkeit der Anordnung zum Beibringen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 13. Juni 2002 steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner sie mit dem Abbruch des Drogen-Screenings durch den Antragsteller begründet hat. Bei der Entscheidung über die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um ein Tätigwerden der Behörde im Rahmen einer Ermächtigung, eine bestimmte Entscheidung zu treffen, zu der sie dann, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind, auch zugleich verpflichtet ist (st. Rspr. d. Sen.; vgl. Atzler, „Ermessen“ bei der Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis, Nds.VBl. 1995, 73 ff.; vgl. auch BVerfG, B.v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92 -, DVBl. 1993, 995). Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren uneingeschränkt nachprüfbar. Es reicht aus, wenn die Verwaltungsbehörde – wie im vorliegenden Fall – eine verkehrsrechtliche Anordnung aufgrund einer zutreffenden Tatsachenbasis getroffen hat. Im Übrigen hat der Antragsgegner zur Begründung seiner Anordnung vom 13. Juni 2002 auch auf die richtige Rechtsgrundlage des § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV hingewiesen.


Als Beifahrer eine berauschte Fahrt des Fahrers nicht verhindert:
* VGH München 11 CS 05.1726 Beschluss vom 16.11.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Vorläufiges Rechtsschutzersuchen gegen einen Fahrerlaubnisentzug, der sich auf Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens stützt, in beiden Instanzen erfolglos: der Antragsteller hatte gelegentlichen Konsum eingeräumt, hatte gemeinsam mit seinem Freund auf einem Parkplatz Cannabis konsumiert und als Beifahrer dann nichts dagegen unternommen, dass der Fahrer unter THC Einfluss vom Parkplatz weggefahren ist, um der Zivilstreife der Polizei zu entgehen. Dass statt einer MPU nur ein äG angeordnet wurde, sei in der Beschwerdeschrift nicht gerügt worden.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 30.12.2013, 19:23
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Regelmäßiger Konsum: Allgemeines

* BVerwG 3 C 1.08 Urteil vom 26.02.2009
Ein Grundsatzurteil zum regelmäßigen Konsum:
Zitat
1. Eine regelmäßige Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 liegt jedenfalls dann vor, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird.

a) Eine Legaldefinition des Begriffs „regelmäßig“ im Zusammenhang mit der Einnahme von Cannabis enthalten weder die Fahrerlaubnis-Verordnung noch das Straßenverkehrsgesetz. Nach dem gewöhnlichen Wortsinn dieses Begriffs ist ein Verhalten dann als regelmäßig anzusehen, wenn es bestimmten Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt, insbesondere in in etwa gleichen zeitlichen Abständen stattfindet. Weiteren Aufschluss gibt die Systematik von Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung. Anders als nach Nr. 9.2.2. bei gelegentlichem Konsum müssen bei regelmäßiger Einnahme keine zusätzlichen Tatbestandselemente - wie etwa fehlendes Trennungsvermögen - erfüllt sein. Daraus folgt, dass unter regelmäßiger Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.1 ein Konsum zu verstehen ist, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand als solcher und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausschließt.

b) Diese vom Verordnungsgeber getroffene Unterscheidung zwischen einem nur gelegentlichen und einem ohne Weiteres zur Ungeeignetheit führenden regelmäßigen Konsum ist nicht zu beanstanden. Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung beruht maßgeblich auf den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr und Bundesministerium für Gesundheit (vgl. BRDrucks 443/98 S. 262), denen ein entsprechendes verkehrsmedizinisches Erfahrungswissen zugrunde liegt und die den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergeben (vgl. zur Bedeutung der Begutachtungs-Leitlinien Urteile vom 21. Mai 2008 - BVerwG 3 C 32.07 - Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 14 = NJW 2008, 2601 <2602> und 27. September 1995 - BVerwG 11 C 34.94 - a.a.O.). In den Begutachtungs-Leitlinien wird als regelmäßige Einnahme von Cannabis, die für sich genommen die Fahreignung entfallen lässt, der tägliche oder gewohnheitsmäßige Konsum bezeichnet. Auf dieser Grundlage durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass eine solche Konsumhäufigkeit ohne das Hinzutreten weiterer Umstände wie etwa eines fehlenden Trennungsvermögens ausreicht, um die Kraftfahreignung auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetz- und Verordnungsgeber im Bereich der Gefahrenabwehr eine Einschätzungsprärogative zusteht. Sie schließt hier insbesondere die Beurteilung der Frage ein, welche der Gefährdungen, die aus den in der Anlage 4 erfassten Krankheiten und Mängeln herrühren, im Interesse der Verkehrssicherheit nicht mehr hinnehmbar sind. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber bei seinen Regelungen der Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer einen hohen Stellenwert eingeräumt hat und Risiken aus regelmäßigem Cannabiskonsum, wie sie nach der fachlichen Einschätzung des für die Erstellung der Begutachtungs-Leitlinien eingesetzten Sachverständigengremiums bestehen oder jedenfalls möglich sind, weitestgehend ausschalten wollte.

c) Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Hinsicht angenommen, dass ein regelmäßiger Konsum, der nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ohne das Hinzutreten weiterer Umstände die Fahreignung entfallen lässt, bei täglicher oder nahezu täglicher Einnahme von Cannabis zu bejahen ist. Diese in der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung geteilte Einschätzung (so auch bereits VGH Mannheim, Beschluss vom 26. November 2003 - 10 S 2048/03 - DAR 2004, 170 m.w.N.; ebenso VGH München, Urteil vom 29. Juni 1999 - 11 B 98.1093 - NJW 2000, 304, Beschlüsse vom 3. September 2002 - 11 CS 02.1082 - ZfSch 2003, 429 und vom 8. Februar 2008 - 11 CS 07.3017 - juris; OVG Münster, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 19 B 1249/02 - DAR 2003, 187) stützt sich auf verschiedene wissenschaftliche Studien (vgl. u.a. Prof. Dr. Berghaus, Gutachterliche Äußerung für das Bundesverfassungsgericht in den Verfahren 1 BvR 2062/96 und 1 BvR 1143/98, im Internet abrufbar unter www.medizin.uni-koeln.de/institute/rechtsmedizin/ga bvg shtml; Prof. Dr. Kannheiser, Gutachten für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, vgl. dazu Urteil vom 29. Juni 1999 - 11 B 98.1093 - NJW 2000, 304, sowie Kannheiser, Mögliche verkehrsrelevante Auswirkungen von gewohnheitsmäßigem Cannabiskonsum, NZV 2000, 57) und entspricht der sachverständigen Bewertung in den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, der - wie ausgeführt - besonderes Gewicht zukommt. Der Kläger hat diese tatsächlichen Feststellungen nicht mit Rügen angegriffen. Soweit er sich auch insoweit auf die Studie „Cannabis und Verkehrssicherheit“ und die dortige Einschätzung bezieht, dass nur ein mehrmals täglicher Konsum eine permanente Intoxikation bewirke (a.a.O. S. 170), führt diese Erwägung nicht weiter. Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfällt nicht erst dann, wenn der Betreffende ununterbrochen unter Drogeneinfluss steht und deshalb überhaupt keine Zeiten möglicher Fahrtauglichkeit verbleiben. Die Grenze zu einer nicht mehr hinnehmbaren Gefahr für die Verkehrssicherheit ist vielmehr bereits dann überschritten, wenn die Häufigkeit des Konsums ein Maß erreicht, bei dem angesichts der dargestellten Unsicherheiten bei der Bestimmung des Drogeneinflusses und seiner Dauer trotz etwa noch verbleibender Phasen einer Fahrtüchtigkeit eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss nicht sicher ausgeschlossen werden kann.


* VGH Mannheim 10 S 2048/03 Beschluss vom 26.11.03
Regelmäßiger Konsum ist täglicher oder nahezu täglicher Konsum (mit ausführlicher Begründung); bei Übergang von regelmäßigem zu gelegentlichem Konsum entfällt die Kraftfahreignung nur, wenn ein Zusatzelement im Sinne von 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV vorliegt.

* VGH Mannheim 3 K 888/02 Beschluss vom 24.06.03
Keine Eignung bei regelmäßigem (täglichem oder nahezu täglichem) Konsum

* VGH München 11 CS 06.1350 Beschluss vom 07.12.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de) Auf der Homepage der Landesanwaltschaft werden dazu Leitsätze formuliert, die bezüglich des Begriffs des regelmäßigen Konsums in Kurzform lauten:
- regelmäßig = täglich, oder nahezu täglich
- viermal pro Woche ist noch nicht regelmäßig
- wenn man 200 mal pro Jahr einnimmt, bleibt die Frage offen
- auch wenn man besonders hohe Dosen konsumiert, aber nicht nahezu täglich, bleibt die Frage offen


Gewohnheitsmäßige Einnahme als regelmäßiger Konsum?
* OVG Münster 16 B 428/10 Beschluss vom 01.06.2010
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Entziehungsbescheid, der mit regelmäßigem Konsum begründet wird, wird zweitinstanzlich wiederhergestellt.
Zitat
Wenn der Normgeber in Anlage 4 zur FeV auf die "Regelmäßigkeit" des Konsums abstellt, soll damit der besonderen Gefährlichkeit dieser Konsumform Rechnung getragen werden. Wegen der Häufigkeit und der Regel- bzw. Zwanghaftigkeit des Konsums kann beim regelmäßigen Cannabiskonsumenten nicht davon ausgegangen werden, dass er zuverlässig Drogenkonsum und Kraftfahren auseinanderhalten kann, wiewohl er grundsätzlich dazu bereit sein mag. Der Normzweck der Nr. 9.2 Anlage 4 zur FeV würde verfehlt, wenn man allein auf die Regelhaftigkeit des Konsums – ohne Berücksichtigung auch der Häufigkeit – abstellen wollte. Denn derjenige, der unter Einhaltung eines festen Zeitschemas, insgesamt aber selten Cannabis konsumiert, wird wahrscheinlich seine grundsätzliche Bereitschaft umsetzen können, Cannabiskonsum und Kraftfahren zu trennen. Es spricht sogar manches dafür, dass die Zuweisung fester Zeiten für den Konsum die konsequente Vermeidung von Kraftfahrten unter Cannabiseinfluss eher erleichtert. Das Risiko, dass der regelhaft aber selten Konsumierende ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss führt, obwohl er dieses für sich grundsätzlich ausgeschlossen hat, ist deutlich geringer als bei einem täglichen oder nahezu täglichen Konsumenten. Diese unterschiedlichen Konsumformen dürfen also nicht zu derselben Rechtsfolge führen.

8 Im Ergebnis folgt daraus, dass die gewohnheitsmäßige Einnahme von Cannabis nur dann als regelmäßig im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne angesehen werden kann, wenn sie nicht deutlich seltener als täglich erfolgt.

9 Vgl. Senatsbeschluss vom 31. März 2009 – 16 B 1611/09 –; auch Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Mai 2009 11 CS 09.262 , juris Rdn. 15: kein regelmäßiger Konsum bei maximal vier Konsumvorgängen pro Woche oder höchstens zwanzig Konsumvorgängen pro Monat.

10 Hiervon ausgehend konsumiert der Antragsteller nach Aktenlage nicht regelmäßig Cannabis. Aus seinen Einlassungen ergibt sich lediglich der von ihm auch mit der Beschwerdeschrift eingeräumte gelegentliche Konsum. Die in der ärztlichen Anamnese angegebenen Konsumvorgänge belegen – nicht zuletzt wegen ihrer fehlenden Klarheit – nur einen Konsum, der deutlich seltener als täglich erfolgt (2007: zwei Monate "abends drei Joints", "zum Wochenende samstags und sonntags jeweils einen Joint"; "am 16. April 2009 habe er bis 23. Juli 2009 Marihuana geraucht"; 25. Juli 2007: "zwei Tage vorher Marihuana konsumiert"; 19. September 2009: letzter Konsum). Die Frage der Regelmäßigkeit des Konsums ist eine Rechtsfrage, die abschließend von den Gerichten zu beantworten ist. Deswegen hat die im ärztlichen Gutachten geäußerte Bewertung, es handele sich um regelmäßigen Konsum, keine Bindungswirkung. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts genügt sie auch nicht, um Regelmäßigkeit ohne eigene Prüfung anzunehmen. Das gilt vorliegend umso mehr, als das Gutachten nicht darlegt, nach welchem Maßstab es den gelegentlichen vom regelmäßigen Konsum unterscheidet.

11 Auch die vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der gutachterlichen Bewertung angenommene missbräuchliche Einnahme von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen (Nr. 9.4 Anlage 4 zur FeV) liegt nicht vor. Nach der Systematik der Nr. 9 Anlage 4 zur FeV ist der Konsum von Cannabis abschließend in den beiden speziellen Vorschriften der Nr. 9.2 geregelt. Der Rückgriff auf die allgemeinere Nr. 9.4 scheidet für diese Droge aus.

12 Aus diesen Gründen kann offen bleiben, ob das vom Antragsteller geltend gemachte Verwertungsverbot für das Gutachten besteht.

13 Die Ordnungsverfügung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtmäßig. Zwar zählt sich der Antragsteller nach eigener Einlassung selbst zu den gelegentlichen Cannabiskonsumenten. Er ist in der Vergangenheit aber nie dadurch aufgefallen, dass er unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat. Ein Verstoß gegen das von Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV aufgestellte Trennungsgebot lässt sich bei ihm nach Aktenlage nicht feststellen.
Beschluss auf verkehrslexikon.de


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(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 30.12.2013, 23:11
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Regelmäßiger Konsum: Nachweis durch Konsumangaben des Betroffenen

* VGH Mannheim 10 S 1272/07 Urteil vom 13.12.07
Der VGH ging von regelmäßigem Konsum aus: "Denn gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamten, darunter dem Zeugen D., hat der Kläger am 11.02.2005 eingeräumt, seit ca. „einem halben bis dreiviertel Jahr nahezu täglich Cannabis konsumiert zu haben. " Der VGH begründet ausführlich, warum er eine Fehlerhaftigkeit des entsprechenden Polizeiprotokolls ausschließt. Hinweis: die Revision gegen dieses Urteil wurde vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen: BVerwG 3 C 1.08 Urteil vom 26.02.09

* VGH Mannheim 10 S 608/07 Beschluss vom 16.5.2007
Angaben des Betroffenen gegenüber kontrollierenden Polizeibeamten können im fahrerlaubnisrechtlichen Entzugsverfahren auch dann verwertet werden, wenn der Betroffene vorher nicht über sein Schweigerecht nach § 136 (1) StPO belehrt wurde. Das Eingeständnis "regelmäßig" Cannabis zu konsumieren, belegt zumindest gelegentlichen Konsum.

* VGH München 11 CS 02.1082 Beschluss vom 03.09.2002 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Ein wegen Besitzes von 26 g Cannabisblättern angeordnetes ärztliches Gutachten bescheinigte gegenwärtig Drogenfreiheit, enthielt aber die Anamnese, dass in den Schul-/Semesterferien zweimal wöchentlich, in der Schul-Studienzeit etwa alle 14 Tage konsumiert worden war. Die darauf folgende Anordnung einer MPU hält der VGH wie schon das VG für rechtswidrig, da weder regelmäßiger Konsum vorliege, noch Zweifel am Trennvermögen bei gelegentlichem Konsum bestünden.

* VGH München 11 CS 06.2806 Beschluss vom 04.06.2007
Fahrt unter Einfluss von 1,6 ng/ml THC und 31 ng/ml THC-COOH (Blutentnahme 98 Minuten nach Polizeikontrolle) am 07.02.2006 unter Eingeständnis gelegentlichen Konsums, 3 Stunden vor der Fahrt sei ein Joint geraucht worden. Im Rahmen der angeordneten ärztlichen Begutachtung räumt der Antragsteller gelegentlichen Konsum bis zu dreimal wöchentlich ein, was vom ärztlichen Gutachter als regelmäßiger Konsum gewertet wird. VG und VGH werten das aber nur als gelegentlichen Konsum, lehnen den Eilantrag aber aus anderen Gründen ab.

* VGH München 11 CS 07.3017 Beschluss vom 08.02.2008
Vorläufiges Rechtsschutzersuchen gegen einen Entzugsbescheid, der sich auf regelmäßigen Konsum stützt, bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Die Behörde hatte zunächst ohne Gutachtensanordnung entzogen, aber aufgrund einer Intervention des VG noch ein äG angeordnet und bis dahin die Vollziehung ausgesetzt. Bei der Begutachtung hatte der Antragsteller eingeräumt:
Zitat
Im Sommer 2006 habe er "falsche Leute kennengelernt" und dann fast täglich "geraucht". Während dieser bis zum November jenes Jahres dauernden Zeit habe sein Verbrauch bei bis zu sechs "Tüten" am Tag (1 bis 6 g Haschisch) gelegen; danach sei es wieder weniger geworden.


* VGH München 11 CS 09.262 Beschluss vom 04.05.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Fahrt mit 1,3 ng/ml THC und 29 ng/ml THC-COOH. Im angeforderten ärztlichen Gutachten zur Klärung der Konsumform wird gelegentlicher Konsum bis zur Fahrt eingeräumt.
Zitat
Aus dem Gutachten vom 8. November 2006 und der darin enthaltenen Feststellung, der Antragsteller habe 2004/2005 zeitweise vier Mal pro Woche Cannabis konsumiert, ergibt sich indes nicht, dass er „regelmäßig“ im Sinne der Rechtsprechung zu Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV Cannabis eingenommen hätte.


* VGH München Beschluss vom 18.05.2010, 11 CS 09.2849
Der Antragsteller hatte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Betäubungsmittelbesitzes angegeben, pro Tag 1 - 2 Joints zu konsumieren. Weiterhin hatte er eine Tablettenkapsel BZP (1-Benzylpiperazine) konsumiert. Nach Korrektur der Konsumangabe durch den Anwalt auf 1 Joint pro Woche ordnete die Behörde eine MPU wegen gelegentlichem Cannabiskonsum und Gebrauch anderer psychoaktiver Stoffe an. Nach Nichtvorlage des Gutachtens erfolgte der Entzug der FE wegen Nichtbeibringung des Gutachtens, gegen den unmittelbar geklagt wurde. Der VGH sieht regelmäßigen Konsum als erwiesen an.

* VGH München Urteil vom 01.10.2012, 11 BV 11.1464
Bei einer melderechtlichen Überprüfung des Klägers, der bereits 1 Jahr vorher schon beim Konsum eines Joints beobachtet wurde, fanden Polizeibeamte am 25.04.09 in der Wohnung des Klägers größere Mengen Haschisch und Cannabis-Pflanzen.
Zitat
Der Kläger wurde anschließend auf der polizeilichen Dienststelle als Beschuldigter vernommen. Dabei gab er an, vor ca. drei Stunden einen Joint geraucht zu haben. Er könne jedoch der Vernehmung problemlos folgen. Es sei ca. drei bis vier Monate her, dass er 100 g Cannabis erworben habe. Der Erwerb habe für den Eigenbedarf stattgefunden. Die Cannabis-Pflanzen in der Wohnung habe er angebaut. Der Ertrag der Ernte sei ausschließlich für ihn allein gedacht gewesen. Er konsumiere seit mindestens vier Jahren täglich mindestens 1 g Cannabis pro Tag.
Der gegen die folgende Entziehung der Fahrerlaubnis eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 12. November 2009 zurückgewiesen. Klage und Berufung blieben erfolglos.
Zitat
Zur Begründung der Berufung trägt der Bevollmächtigte des Klägers im wesentlichen vor, die Ergebnisse der polizeilichen Hausdurchsuchung beim Kläger seien nicht verwertbar, weil diese unter bewusster Umgehung der zugunsten des Art. 13 GG bestehenden Normen und insoweit vor allem ohne Durchsuchungsbeschluss von Gericht oder Staatsanwaltschaft eigenmächtig durch Beamte der Polizei durchgeführt worden sei. Das klägerische Geständnis bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. April 2009 sei ebenfalls nicht verwertbar. Auch hier seien Grundrechte schützende Normen bewusst umgangen worden. Außerdem sei der Kläger bei dieser Vernehmung berauscht gewesen. Schließlich könnten die in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht getätigten Aussagen der als Zeugen gehörten Polizeibeamten nicht verwertet werden, weil diese nicht aus eigener Erinnerung ausgesagt hätten, sondern von der Protokollführerin auf Anweisung der Vorsitzenden Richterin die gerichtliche Verfahrensakte zum Studium unmittelbar vor der Vernehmung auf dem Gerichtsflur ausgehändigt bekommen hätten.

Der VGH lässt die Frage eines Beweisverwertungsverbots wegen der möglicherweise rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung hinsichtlich der dort gewonnenen Erkenntnisse und der in der anschließenden Vernehmung gewonnen Erkenntnisse dahinstehen. Er stellt fest, dass der Kläger unstreitig (2008 und laut Anwaltsschreiben kurz vor der Vernehmung 2009) Cannabis konsumiert hat und dass er rechtskräftig wegen des Besitzes von 100 g Cannabis verurteilt wurde. Das Gericht sei nicht an § 11 FeV gebunden, um den Verdacht auf regelmäßigen Konsum nachzugehen. Im vorliegenden Fall schließt der VGH die Regelmäßigkeit des Konsums aus der Weigerung des Klägers, vor dem VGH zu seinem Konsummuster auszusagen.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 08.11.2006, 12 ME 274/06
Das OVG stellt zweitinstanzlich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Entzug der Fahrerlaubnis wieder her, der mit regelmäßigem Konsum begründet wurde, obwohl nach den Angaben des Antragstellers nur ein zwei bis dreimaliger Konsum pro Woche feststeht.

* OVG Münster 16 B 304/12 Beschluss vom 26.03.12
Regelmäßiger Cannabiskonsum im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne lässt sich nicht aus der Feststellung in einem Strafurteil herleiten, der Verurteilte habe regelmäßig Cannabis konsumiert:
Zitat
Dies bedingt jedoch, dass der Entscheidung zweifelsfrei entnommen werden kann, wovon der Strafrichter hinsichtlich bestimmter, für das Entziehungsverfahren relevanter tatsächlicher Umstände ausgegangen ist. Daran fehlt es hier. Die Feststellung des Amtsgerichts, dass der Antragsteller "dieses Rauschgift (Cannabis) regelmäßig konsumiert", lässt offen, ob damit ein Konsumverhalten beschrieben wird, das nach fahrerlaubnisrechtlichen Maßstäben in der Regel zum Verlust der Kraftfahreignung führt. Während der Begriff "regelmäßig" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch allein die Regelhaftigkeit oder Gesetzmäßigkeit eines Verhaltens bezeichnet, ohne damit zugleich eine spezifische Häufigkeit zu verbinden, erfordert ein regelmäßiger Cannabiskonsum im Sinne des Fahrerlaubnisrechts die tägliche oder nahezu tägliche Einnahme der Droge.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 3 C 1.08 , juris, Rdnr. 14 ff., 20 (= BVerwGE 133, 186); eingehend dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2010 16 B 428/10 , juris (= DAR 2011, 169).


* OVG Münster 16 A 2075/11 Beschluss vom 04.01.12
Widersprüchliche Wiedergabe der Angaben des Klägers gegenüber der Polizei lassen den Schluss auf regelmäßigen Konsum nicht zu, zumal der THC-COOH Wert nur bei 23 ng/ml lag: In der OWi-Anzeige heißt es: "er konsumiere seit ca. vier Wochen vier bis fünf mal wöchentlich Marihuana;" während auf dem vom Kläger während der Kontrolle unterschriebenen Beiblatt eingeräumt wird, " in den letzten vier Wochen vier bis fünf mal Marihuana konsumiert zu haben."


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 31.12.2013, 00:24
Beitrag #13


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Regelmäßiger Konsum: Nachweis durch die Werte einer Blutprobe oder Haaranalyse

* VGH München 11 CS 03.2433 Beschluss vom 14.10.2003 (Blutalkohol 2004, S. 561)
Bei 3,6 ng/ml THC und 78 ng/ml THC-COOH ist nach Ansicht des VGH regelmäßiger Konsum noch nicht nachgewiesen, da bei einer zeitnah nach dem letzten Konsum entnommenen Blutprobe nicht der Grenzwert von 75 ng/ml THC-COOH, sondern der von 150 ng/ml THC-COOH heranzuziehen sei.
* VGH München 11 CS 05.2062 Beschluss vom 10.07.2006 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Bei 6,4 ng/ml THC; 3,3 ng/ml THC-OH und 168 ng/ml THC-COOH lässt der VGH offen, ob regelmäßiger Konsum vorliegt. Er sieht gelegentlichen Konsum (ohne Trennvermögen) aber als gegeben an.
* VGH München 11 CS 14.1687 Beschluss vom 02.10.2014
Vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen einen Fahrerlaubnisentzug bleibt auch in zweiter Instanz ohne Erfolg. Anlässlich eines Ermittlungsverfahrens wegen Handels mit Marihuana wurde eine 4 cm lange Haarprobe entnommen, die 5,3 pg/mg THC-COOH enthielt.
Daraus lässt sich nach Ansicht des Gerichts regelmäßiger Cannabiskonsum folgern.


* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 205.09 Beschluss vom 03.11.09
Die anlässlich einer KfZ-Fahrt festgestellten Werte: 63,1 ng/ml THC; 31,5 ng/ml THC-OH und 327 ng/ml THC-COOH sprechen bei massiver aktueller Beeinflussung für einen regelmäßigen Konsum von Cannabis (Grenzwert ≥ 150 ng/ml THC-COOH, vgl. Beschlüsse des Senats vom 8. August 2008 – OVG 1 S 148.08 – und vom 17. September 2008 – OVG 1 S 163.08 -, OVG Bbg., Beschluss vom 13. Dezember 2004 – 4 B 206/04 -).

* OVG Lüneburg Beschluss vom 30.03.2004, 12 ME 90/04
Der Betroffene hatte behauptet, nach dem am 18. Juni 2003 angeordneten Drogenscreening nicht mehr konsumiert zu haben. Es wurden aber in den Urinproben noch Konsumrückstände festgestellt: 24 ng/ml THC-COOH am 22. August 2003 und 12 ng/ml THC-COOH am 12. September 2003.
Das OVG schließt daraus, dass entweder bis zum 18.06. regelmäßiger Konsum vorgelegen haben muss oder aber, dass der Betroffene nach der Screeninganordnung noch weiter konsumiert haben muss (gelegentlicher Konsum mit Kontrollverlust).
Zitat
9 Cannabiskonsum kann im Urin nach drei Monaten nur dann nachgewiesen werde, wenn zuvor ein regelmäßiger Konsum stattgefunden hat.


* OVG Lüneburg Beschluss vom 11.07.2003, 12 ME 287/03
Bei einer Fahrt unter Einfluss von 3,8 ng/ml THC und 120 ng/ml THC-COOH sieht das OVG regelmäßigen Konsum noch nicht als erwiesen an. Der Grenzwert von 75 ng/ml THC-COOH komme nur zur Anwendung, wenn die Blutprobe bis zu 8 Tagen nach der Aufforderung durch die Fahrerlaubnisbehörde entnommen wird, dagegen wird der Wert von 150 ng/ml zu Grunde gelegt, wenn die Blutprobe nur wenige Stunden nach dem letzten Konsum abgenommen wird (vgl. dazu auch Gehrmann, NZV 2002, 201, 206).

* OVG Münster 16 E 1300/11 Beschluss vom 26.09.12(Quelle: verkehrslexikon.de)
Die verspätet eingelegte Klage sei nicht nur unzulässig, sondern darüber hinaus sei der Entzugsbescheid rechtmäßig, da zumindest gelegentlicher Konsum ohne Trennvermögen vorzuliegen scheint, wenn nicht sogar regelmäßiger Konsum angesichts eines THC-COOH-Wertes von mehr als 200 ng/ml.
* OVG Münster 16 E 410/10 Beschluss vom 14.10.10
Fahrt unter Einfluss von aktivem THC und 385 ng/ml THC-COOH: auch in diesem Fall begnügt sich das OVG mit der Feststellung, dass gelegentlicher Konsum mit Sicherheit feststeht.
* OVG Münster 19 B 148/04 Beschluss vom 01.03.2004 Beschluss auf verkehrslexikon.de
Bei 3 ng/ml THC und 88 ng/ml THC-COOH sei die Annahme regelmäßigen Konsum aber nicht gerechtfertigt:
Zitat
Ist aber davon auszugehen, dass die Blutprobe am 2. November 2003 in zeitlicher Nähe zu dem letzten Cannabiskonsum erfolgte, so folgt hieraus, dass die außerdem in der Blutprobe festgestellte Konzentration des THC-Abbauprodukts Tetrahydrocannabinolcarbonsäure (THC-COOH) von 88 ng/ml entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts und auch des Klinisch-Chemischen Zentrallaboratoriums für sich allein nicht die Annahme rechtfertigt, der Antragsteller konsumiere regelmäßig Cannabis. Es kann lediglich davon ausgegangen werden, dass er, wie er selbst für die Vergangenheit einräumt, gelegentlich Cannabis konsumiert. Denn bei Blutproben, die nur wenige Stunden nach dem letzten Konsum erfolgen, kann erst ab einer THC-COOH-Konzentration von 150 ng/ml ein regelmäßiger Konsum als abgesichert angesehen werden. Nur bei Blutproben, die auf Grund einer Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde entnommen wurden, kann davon ausgegangen werden, dass (schon) bei einer Konzentration von mindestens 75 ng/ml THC-COOH im Blut regelmäßiger Konsum vorliegt.

8 OVG NRW, Beschluss vom 7. Januar 2003 - 19 B 1249/02 -, DAR 2003, 96 (97); Daldrup/Käferstein/Köhler/Maier/Musshof, a. a. O., 44.


* OVG Münster 19 B 1249/02 Beschluss vom 07.01.2003 Beschluss auf verkehrslexikon.de
Vorläufiges Rechtsschutzbegehren in beiden Instanzen erfolglos: Aufgrund einer Polizeikontrolle am 11.01.02 wurde anscheinend eine ärztliche Untersuchung angeordnet, bei der die am 10.04.02 abgegebene Blutprobe 13,9 ng/ml THC und 114,4 ng/ml THC-COOH ergab. Das OVG bestätigt die Bewertung, dass regelmäßiger Konsum vorliegen müsse, da der Grenzwert von 75 ng/ml deutlich überschritten sei (Bemerkung: da der aktive Wert auf einen kurz vorher stattgefunden Konsum hindeutet, erscheint dieser Schluss nicht zwingend; richtig wäre wohl gelegentlicher Konsum mit Kontrollverlust)


* OVG Koblenz 10 B 10073/09 Beschluss vom 11.02.2009 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Das OVG sieht regelmäßigen Konsum ab 150 ng/ml THC-COOH als gegeben an, zweifelsfrei handele es sich aber bei 158 ng/ml THC-COOH um gelegentlichen Konsum.

* OVG Bautzen 3 B 157/08 Beschluss vom 29.09.09 Der Untersuchte hatte (jedenfalls hält das OVG das spätere Bestreiten für unsubstantiiert) vor den beiden Untersuchungsterminen einer ärztlichen Begutachtung im Abstand von weniger als 10 Tagen jeweils Cannabis konsumiert. Das VG hatte daraus gewohnheitsmäßigen Konsum gefolgert, auch wenn das Gutachten in anderer Hinsicht fehlerhaft war. Der Einwand des Antragstellers, ein regelmäßiger Konsum sei nicht erwiesen, wurde vom OVG zurückgewiesen. Bemerkung: Wesentlich überzeugender wäre es in meinen Augen gewesen, den Entzug der Fahrerlaubnis mit dem Tatbestand "gelegentlicher Konsum mit Kontrollverlust" zu begründen.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 31.12.2013, 01:01
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Regelmäßiger Konsum: Wann rechtfertigt der Besitz von Cannabisprodukten die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens?

* VGH Mannheim 10 S 319/10 Beschluss vom 20.4.10
Ärztliches Gutachten zur Klärung der Konsumform grundsätzlich rechtmäßig, wenn eine derart große Menge Cannabis bevorratet wurde (15,7 g Haschisch sowie 0,2 Gramm Marihuana), dass ein erheblicher Verdacht auf regelmäßigen Konsum besteht, weil die beim Antragsteller aufgefundenen Cannabismenge - je nach Wirkstoffgehalt - für einen täglichen oder nahezu täglichen Konsum über 2 - 3 Monate ausreicht und sich weder im Strafverfahren noch im vorliegenden Verfahren Anhaltspunkte für eine Weitergabe an Dritte gezeigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.12.1999 - 3 B 150/99 - juris, OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.11.2001 a.a.O.). Darüber hinaus hat der Antragsteller Cannabispflanzen illegal angebaut.

* VGH München Beschluss vom 22.09.2010, 11 ZB 10.184
Zitat
Mit Urteil des Amtsgerichts Weiden vom 27. Juni 2008 (Az. 1 Cs 23 Js 1579/08) wurden der Kläger und sein Bruder wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 7 Fällen jeweils zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Am 16. Oktober 2007 erwarben sie gemeinsam 11,94 g Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 0,54 g THC sowie 23,02 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 0,96 g THC. Bereits zuvor hatten sie gemeinsam seit Mai 2007 in 2 Fällen jeweils 12 – 30 g Marihuana sowie in weiteren 4 Fällen jeweils 20 g Marihuana und 10 g Haschisch, immer von demselben Verkäufer, erworben.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen eine klageabweisendes Urteil des VG wurde abgelehnt, nachdem die Behörde wegen Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen hatte. Der VGH sieht den Verdacht auf regelmäßigen Konsum als begründet und hält damit den Fahrerlaubnisentzug für rechtmäßig. Die Wirkstoffmenge von 1,5 g THC reiche für 100 Joints und decke damit den täglichen Konsumbedarf von 2 Personen für 1,5 Monate.

* OVG Hamburg 3 Bs 253/02 Beschluss vom 03.02.2002 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Der Fund von 4 g Haschisch im KfZ begründet noch nicht den Verdacht auf regelmäßigen Konsum. Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens allein auf dieser Basis rechtswidrig, so dass die Nichtbeibringung keinen Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigt. Wenn im Widerspruchsverfahren neue Verdachtsmomente hinzukommen, könnte aber eine neue Gutachtensaufforderung erfolgen, jedoch können die neuen Verdachtsmomente die alte Aufforderung nicht nachträglich rechtfertigen (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 5.7.2001, NJW 2002 S. 78, 80).

* OVG Hamburg 3 Bs 185/03 Beschluss vom 27.08.2003 (Quelle: verkehrslexikon.de, von wo auch die Leitsätze übernommen wurden:)
Der Besitz von 252,6 Gramm Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von 38,18 g (= rund 2545 Konsumeinheiten), das nach den Angaben des Antragstellers zum Eigenbedarf bestimmt gewesen sei, rechtfertigt, vom Verdacht des regelmäßigen Konsums auszugehen und eine Haaranalyse anzuordnen.
Der Weigerung im Sinne des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV, ein Gutachten beizubringen, steht es gleich, wenn die rechtmäßig angeordnete Überprüfung der Fahreignung im Rahmen einer rechtsmedizinisch-toxikologischen Untersuchung durch ein dem Betroffenen zurechenbares Kürzen des Haupthaares verhindert wird und es zur Klärung des Haschischkonsums notwendig und dem Betroffenen zumutbar war, die Haare nicht zu kürzen. Ist ein Betroffener gehalten, über einen Zeitraum von einigen Wochen die Haare nicht zu kürzen, damit die Fahreignung überprüft werden kann, stellt dies einen gerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar.

* VGH Kassel 2 B 2190/10 Beschluss vom 24.11.10: Ärztliches Gutachten wegen Zeitablaufs rechtswidrig, wenn es an den 2,5 Jahre zurückliegenden Besitz von 200 Gramm Haschisch und das Eingeständnis des Eigenverbrauchs anknüpfen soll.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 03.06.2010, 12 PA 41/10
Das OVG gewährt zweitinstanzlich Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen einen Fahrerlaubnisentzug, nachdem nach Einfuhr von 15,13 Gramm Marihuana aus den Niederlanden ein gefordertes ärztliches Gutachten nicht beigebracht wurde. Nach Ansicht des OVG biete die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg, da es entscheidend vom Wirkstoffgehalt des Marihuana abhänge, für wieviele Konsumeinheiten die eingeführten Menge reiche und da dieser Wirkstoffgehalt bisher nicht ermittelt wurde (ein Verdacht auf regelmäßigen Konsum bestehe nur, wenn der Vorrat reicht, um 2 Monate lang 5 mal pro Woche zu konsumieren; als Konsumeinheit werden 15 mg reines THC angenommen).

* OVG Lüneburg Beschluss vom 27.08.2003, 12 ME 322/03
Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung zweifelhaft wegen unzureichender Sachverhaltsaufklärung durch die Behörde: der Antragsteller hatte bestritten, von den in seinem KfZ gefundenen 41 g Cannabis gewusst zu haben, seine Mutter war wegen Besitzes dieser Menge verurteilt worden

* OVG Lüneburg Beschluss vom 24.03.2003, 12 LA 19/03
Der Fund von 22 Gramm Haschisch rechtfertigt die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wegen des Verdachts auf regelmäßigen Konsum

* OVG Münster 16 A 3899/05 Beschluss vom 15.03.07
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil wird mit ausführlicher Begründung zurückgewiesen. Der Entzug der Fahrerlaubnis stützte sich auf Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens, welches wegen des Besitzes von netto 9 Gramm Marihuana angeordnet worden war. Das OVG hält es nicht für notwendig, die Wirkstoffkonzentration im Marihuana vor Anordnung des Gutachtens zu bestimmen.

* OVG Münster 16 A 4487/04 Beschluss vom 15.03.2007
Parallelverfahren zu 16 A 3899/05: Es wurden beim Kläger 5,0 g Marihuana und 4,65 g Haschisch gefunden.

* OVG Münster 16 B 1923/04 Beschluss vom 27.04.2005
Vorläufiger Rechtsschutz gegen eine Entzugsverfügung, die sich auf Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens stützt, bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der Besitz von 20 Gramm Cannabis rechtfertige auch 15 Monate nach dem Fund noch den Verdacht auf regelmäßigen Konsum.
Zitat
Er rügt zwar, das Verwaltungsgericht habe den Wirkstoffgehalt des Cannabisfundes nicht ermittelt. Abgesehen davon, dass dies dem Verwaltungsgericht kaum noch möglich gewesen sein dürfte, fehlt es aber jedenfalls an Angaben des Antragstellers dazu, wie viele Konsumeinheiten sich denn nun tatsächlich aus der gefundenen Menge Cannabis haben gewinnen lassen


* OVG Koblenz 10 B 11149/08 Beschluss vom 21.11.2008 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Das OVG stellt zweitinstanzlich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Entziehungsbescheid wieder her, der sich auf die Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens wegen des Verdachts auf regelmäßigen Konsum stützt. Der Antragsteller hatte in seinem KfZ 9,67 g Marihuana transportiert. Da der Drugwipe-Test negativ verlief, wurde keine Blutprobe angeordnet.


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Beitrag 01.01.2014, 03:34
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Regelmäßiger Konsum: Wann rechtfertigt ein festgestellter Cannabiskonsum die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens?

* VGH Mannheim 10 S 2270/02 Beschluss vom 04.07.03
Zwei festgestellte Konsumakte im Abstand eines Jahres und das Eingeständnis "ab und an" Cannabis zu konsumieren, rechtfertigen nicht den Verdacht auf regelmäßigen Konsum. (Beschluss enthält grundsätzliche Überlegungen zu den Voraussetzungen einer Gutachtensanordnung)

* VGH Mannheim 10 S 430/03 Beschluss vom 16.06.03
Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wegen Verdacht auf regelmäßigen Konsums ist rechtmäßig, wenn Tagebuchaufzeichnungen der Schwester für mehrere Perioden einen intensiven Konsum berichten und wenn ein Bekannter bei einer Beschuldigtenvernehmung im Strafverfahren angibt, die Betroffene konsumiere des öfteren am Abend einen oder mehrere Joints.
Zitat
Wie sich auch aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ergibt ("wenn Tatsachen die Annahme begründen"), ist die Anforderung eines Gutachtens bereits bei Anhaltspunkten gerechtfertigt, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der Betreffende konsumiere täglich oder nahezu täglich Cannabis.


* VGH München Beschluss vom 08.11.2010, 11 C 10.2173

Es geht um Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Entzug der Fahrerlaubnis bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten. Dieser hatte bereits als Jugendlicher ein angefordertes ärztliches Gutachten nicht beigebracht (er hatte in der Schule eine Bong geraucht und angegeben, etwa 20 mal Haschisch oder Marihuana konsumiert zu haben) den Fahrerlaubnisantrag Klasse M dann zurückgezogen. Die Klasse B wurde ohne äG erteilt, obwohl die Behörde vorher noch ein äG gefordert hatte und dieses nicht beigebracht wurde. Nachdem der Kläger einen Monat später bei einem Reggae-Festival beim Konsumieren eines Joints erwischt wurde, wurde erneut ein äG angeordnet und nach dessen Nichtbeibringung die FE entzogen. Für das Klageverfahren bewilligt der VGH jedoch Prozesskostenhilfe.
Zitat
Soweit das Verwaltungsgericht allerdings festgestellt hat, dass sich aus den Gesamtumständen hinreichend konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht auf einen nicht nur gelegentlichen, sondern darüber hinausgehenden regelmäßigen Cannabiskonsum des Klägers ergeben, teilt der Senat diese Rechtsauffassung nicht. Dies ergibt sich aus Folgendem:

19 Die Gutachtensaufforderung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein, und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es sachgerecht, bei einer unberechtigten Weigerung ohne weitere vertiefte Ermittlungen zu schlussfolgern, der Betroffene habe "gute Gründe" für seine Weigerung, weil eine Begutachtung seine bislang nur vermutete Ungeeignetheit aufdecken und belegen würde. Es kommt hinzu, dass einem Betroffenen kein rechtliches Mittel zur Verfügung steht, die Frage der Berechtigung der Zweifel und damit der Aufforderung vor dem Erlass einer Entziehungsverfügung verbindlich klären zu lassen. Ein Auswechseln oder Ergänzen der Begründung der Gutachtensanforderung im Verwaltungsverfahren ist daher nicht möglich (BVerwG vom 5.7.2001 NJW 2002, 78; vgl. auch VGH Baden-Württemberg vom 23.2.2010 ZfS 2010, 356 und vom 20.4.2010 ZfS 2010, 417; BayVGH vom 24.8.2010 Az. 11 CS 10.1139). Für die Frage, ob hinreichend konkrete Anhaltspunkte für einen Verdacht auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum vorliegen, kann in diesem Verfahren daher nur auf den der Gutachtensaufforderung zugrunde gelegten Sachverhalt abgestellt werden.

20 In dem Aufforderungsschreiben vom 4. Dezember 2009 werden die Angaben des Klägers bei der polizeilichen Vernehmung im Jahre 2006 genannt, die Einstellung des Cannabiskonsums nach seiner eigenen Einlassung zum 30. März 2006 und der Cannabiskonsum am 17. Juli 2009. Dieser Sachverhalt kann ungeachtet der Tatsache berücksichtigt werden, dass dem Kläger im April 2009 eine Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden ist. Die Erteilung der Fahrerlaubnis hat kein Verbot des Rückgriffs auf vor diesem Zeitpunkt liegende Ereignisse, die für die Fahreignung des Betroffenen ggf. von Bedeutung sind, zur Folge (vgl. eingehend BayVGH vom 6.5.2008 Az. 11 CS 08.551) Aus diesem Sachverhalt können jedoch hinreichend konkrete Verdachtsmomente auf einen nahezu täglichen Cannabiskonsum nicht hergeleitet werden. Soweit die Fahrerlaubnisbehörde bereits 2006 vom Kläger die Vorlage eines ärztlichen Facharztgutachtens gefordert hat, ergibt sich aus einem Aktenvermerk, dass sie von einer unrichtigen Auslegung des Begriffs "regelmäßig" ausgegangen ist (zweimaliger Konsum innerhalb einer Woche als "regelmäßig"). Auch aus der Tatsache, dass der Kläger 2006 für den Konsum von Cannabis eine Wasserpfeife (Bong) gebraucht hat, kann kein wesentlicher Anhaltspunkt für den entscheidenden Gesichtspunkt der Konsumfrequenz hergeleitet werden.

21 Zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits weist der Senat darauf hin, dass auch die von der Behörde in dem Bescheid vom 16. Juni 2010 berücksichtigten "Gesamttatsachen" die Anforderung eines ärztlichen Facharztgutachtens nicht rechtfertigen dürften. Dass der Kläger das 2008 angeforderte ärztliche Gutachten nicht vorgelegt hat, kann nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden, da der der Gutachtensaufforderung zugrundegelegte Sachverhalt, der bis auf den Konsum am 17. Juli 2009 mit der hier zu beurteilenden Gutachtensaufforderung identisch war, für die Forderung nach einem ärztlichen Facharztgutachten nicht ausreichend war (vgl. oben). Der mit einem Aktenvermerk dokumentierte Anruf des Klägers am 15. September 2008 erscheint dem Senat zu unbestimmt, um hieraus konkrete Eignungsbedenken abzuleiten. Bei der polizeilichen Kontrolle am 17. Januar 2009 anlässlich eines stattfindenden Reggae-Festivals war der Kläger nur im Besitz einer kleiner Menge Marihuana (0,7 g).


* OVG Berlin (Beschluss vom 15.01.2004 - 1 S 16/03 und 1 Ss 119/03) (Quelle: verkehrslexikon.de)
Weder der Besitz kleinerer Mengen Haschisch (einige Gramm in der Hosentasche) - im Gegensatz zu einigen "griff- und rauchbereiten Joints" im Handschuhfach - noch die Angabe des Betroffenen, "häufiger" Cannabis zu konsumieren, lassen beim Fehlen einer Verbindung des Konsums mit dem Straßenverkehr auf regelmäßigen Konsum schließen und berechtigen daher nicht zu fahrerlaubnisrechtlichen Überprüfungsmaßnahmen in Form eines ärztlichen Gutachtens oder gar einer MPU.

* OVG Berlin (Beschluss vom 11.11.2004 - 1 S 5/03) (Quelle: verkehrslexikon.de)
Gibt ein Betroffener, nachdem bei ihm Marihuana und Amphetamine in geringen Mengen - ohne Verkehrsteilnahme und ohne Konsumhinweis - gefunden wurden, an, dass er seit „ungefähr einem Jahr Cannabisprodukte konsumiere, auch nicht oft, sondern nur am Wochenende, also einmal in der Woche“, so begründet dies den Verdacht auf regelmäßigen Konsum und rechtfertigt daher die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens in Form eines Drogenscreenings und im Weigerungsfall den Entzug der Fahrerlaubnis.

* OVG Greifswald 1 M 148/06 Beschluss vom 14.12.2006 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Das vorläufige Rechtsschutzbegehren gegen einen Fahrerlaubnisentzug, der sich auf Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens stützt, hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Die Gutachtensanordnung war nach Ansicht des OVG rechtmäßig, weil der Verdacht auf regelmäßigen Konsum im Sinne der FeV einerseits durch Konsumangaben begründet war ("regelmäßig", was aber laut Vortrag nur "regelmäßig am Wochenende" bedeuten sollte), andererseits auch auf den Besitz von 1 Marihuana-Pflanze sowie von brutto 20,66 Gramm zugekauftes Marihuana.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 11.04.2005, 12 ME 540/04
Anordnung eines ärztlichen Gutachtens wegen Verdachts auf regelmäßigem Konsum vor dem Hintergrund rechtmäßig, dass am ... 2003 beim Antragsteller Cannabis gefunden worden war, der Antragsteller laut einem Protokoll der C. über seine Vernehmung am 18. März 2003 gelegentlichen Cannabiskonsum seit dem 18. Lebensjahr eingeräumt hatte und ein Beschuldigter gemäß Vernehmungsprotokollen vom 24. März und 24. April 2003 ausgesagt hatte, der Antragsteller habe bei ihm zwischen November 2002 und Mitte Februar 2003 etwa 5 - 10-mal jeweils 16 - 23 mg Cannabis gekauft.

* OVG Münster 16 B 839/13 Beschluss vom 22.10.13:
Kein Fahrerlaubnisentzug nach Verweigerung eines äG, wenn bei einer Blutprobe 3,9 ng/ml THC-COOH, aber kein aktives THC gefunden wurde.

* OVG Münster 16 B 114/09 Beschluss vom 15.05.2009 Beschluss auf verkehrslexikon.de
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wird zweitistanzlich wiederhergestellt und Prozesskostenhilfe gewährt.
Die Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung der Konsumform lasse nicht den Schluss auf fehlende Kraftfahreignung zu, weil die Gutachtensanordnung rechtswidrig sei.
Zitat
Angesichts des zuvor von der Antragstellerin eingeräumten Konsums und Besitzes von Cannabis richtete sich die Zulässigkeit einer Untersuchungsanordnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV bzw. nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen über die Anordnung von Gefahrerforschungseingriffen lagen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor.

6 Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass dem Wortlaut nach beide Bestimmungen eingreifen, denn die Antragstellerin hat nach ihrem eigenem Bekunden sowohl Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes eingenommen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV) als auch widerrechtlich besessen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 FeV). Anders als vom Antragsgegner und dem Verwaltungsgericht angenommen begründet aber weder ein einmaliger oder sporadischer Cannabiskonsum noch der Besitz einer nur geringen Menge eines Cannabisprodukts einen hinreichenden, weitere Aufklärungsmaßnahmen rechtfertigenden Verdacht auf einen die Fahreignung in Frage stellenden Cannabiskonsum. Vielmehr ist im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

7 vgl. eingehend BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, NJW 2002, 2378 = DAR 2002, 405 = NZV 2002, 422 (einmaliger Besitz von 5 Gramm Haschisch; noch zu § 15b Abs. 2 StVZO); im Ergebnis ähnlich auch schon BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 - 3 C 13.01 -, NJW 2002, 78 = DAR 2001, 522 = VRS 101 (2001), 229 (einmaliger Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr; gleichfalls noch zu § 15b Abs. 2 StVZO)

8 darauf Bedacht zu nehmen, dass eine Untersuchungsanordnung unter finanziellem und zeitlichem Aspekt und insbesondere im Hinblick auf die Einschränkung der Persönlichkeitsrechte einen erheblichen Eingriff bedeutet und daher eine solche Inpflichtnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Intensität der Gefährdung von Rechtsgütern der Allgemeinheit bzw. Dritter stehen muss. Vor dem Hintergrund der differenzierenden Bewertung der Gefahren des Cannabiskonsums in der Anlage 4 zur FeV kann mithin nicht jeglicher Konsum bzw. im Vorfeld des Konsums jeglicher Erwerb bzw. Besitz von Cannabis als hinreichender Grund für den Verdacht gewertet werden, dass die Fahreignung entfallen sei.

9 Im Ergebnis weitergehend noch die vom Antragsgegner angeführte ältere Rechtsprechung, etwa VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. November 2001 - 10 S 1337/01 -, DAR 2002, 183 = NZV 2002, 294 = VRS 102 (2002), 146, und OVG NRW, Beschlüsse vom 22. November 2001 - 19 B 814/01 -, DAR 2002, 185 = NZV 2002, 427 = VRS 102 (2002), 136 (Besitz von 1 g Haschisch), sowie 19 B 927/01, n.v. (Besitz von 6,7 g Marihuana zu dritt).

10 Vielmehr setzt die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung tatsächliche Anhaltspunkte für ein Konsum- oder Bevorratungsverhalten voraus, das - anders als ein bloß gelegentlicher Cannabiskonsum oder nur auf gelegentlichen Cannabiskonsum hindeutende Besitz- oder Beschaffungsmengen - Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges rechtfertigt. Die dem Wortlaut nach weitergehenden Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV bzw. des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV müssen insoweit verfassungskonform ausgelegt werden.

11 Vgl. - im Einzelfall die Zulässigkeit von Untersuchungsanordnungen bejahend - OVG NRW, Beschlüsse vom 15. März 2007 - 16 A 3899/05 - (Einfuhr von 9 g Marihuana aus den Niederlanden) und 16 A 4487/04 (Einfuhr von 4,65 g Haschisch und 5,0 g Marihuana aus den Niederlanden), beide veröffentlicht in www.nrwe.de; im Einzelfall die Zulässigkeit von Untersuchungsanordnungen verneinend OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 3 Bs 253/02 -, VRS 105 (2003), 470 (Besitz von 4 g "Cannabis" bei einer Autofahrt); VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Juli 2003 - 10 S 2270/02 -, DAR 2004, 113 = VRS 106 (2004), 134 (zweimaliger Cannabisbesitz); Thür. OVG, Beschluss vom 3. März 2004 - 2 EO 419/03 -, DAR 2004, 547 = VRS 107 (2004), 77 (einmaliger Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr); OVG Rheinl.-Pfalz, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 10 B 11149/08 -, Blutalkohol 46 (2009), 57 (einmaliger Besitz von 9,67 g Marihuana im Kfz).

12 Anders als für die sog. harten Drogen ist für Cannabis nach der Fahrerlaubnis- Verordnung eine differenzierende Betrachtungsweise vorgegeben. Der einmalige Cannabiskonsum ist fahrerlaubnisrechtlich ohne Relevanz. Bei gelegentlichem Cannabiskonsum ist die Fahreignung nur dann zu bejahen, wenn die unter Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV genannten - negativ formulierten - zusätzlichen Erfordernisse (u.a. Trennung von Konsum und Fahren; kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen) erfüllt sind. Bei regelmäßiger Einnahme von Cannabis entfällt die Fahreignung; von regelmäßiger Einnahme ist auszugehen, wenn täglich oder nahezu täglich Cannabis konsumiert wird.

13 Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 - 3 C 1.08 -, Juris.

14 Nach diesen jedenfalls für den Regelfall (vgl. Ziff. 3 der Vorbemerkungen vor Anlage 4 zur FeV) geltenden Kriterien bestehen auch dann keine genügenden Verdachtsgründe für einen Fahreignungsmangel der Antragstellerin, wenn von deren Angaben gegenüber der Polizei anlässlich der Wohnungsdurchsuchung bei Herrn F. N., dem Freund der Antragstellerin, ausgegangen wird. Bei diesem Anlass hatte die Antragstellerin am 14. Februar 2008 eingeräumt - und die Reinschrift des Vernehmungsprotokolls anschließend unterschrieben -, dass sie "ganz selten", "vielleicht zwei, drei Mal im Jahr" Marihuana konsumiere. Es sei auch wahr, dass sie im vergangenen Jahr, also 2007, in zwei Fällen Marihuana für den Eigenbedarf von einem Herrn T. W. gekauft habe, einmal für 10 Euro und einmal für 15 Euro. Selbst wenn - bei aller Ungewissheit über den Marktpreis, die Qualität und die pro Einzelkonsum verwendete Menge - davon auszugehen sein dürfte, dass die Gesamtaufwendungen von 25 Euro für Marihuana einen häufigeren Konsum als "vielleicht zwei, drei Mal im Jahr" ermöglicht haben, bietet sich gleichwohl das Bild eines bloßen Gelegenheitskonsums. Würde die Antragstellerin täglich oder nahezu täglich Cannabis einnehmen, wäre von erheblich höheren jährlichen Ausgaben für den Drogenerwerb auszugehen bzw. müssten deutliche Hinweise auf weitere Bezugsquellen bestehen, was indessen nicht der Fall ist. Es fehlt auch an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass die Antragstellerin eines der in Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV genannten zusätzlichen Erfordernisse nicht erfüllt, es also etwa an der Bereitschaft oder am Vermögen fehlt, den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen zu trennen.



* OVG Münster 16 B 749/07 Beschluss vom 03.12.2007
Das OVG begründet, warum bei summarischer Prüfung die Konsumangaben des Antragstellers anlässlich einer Verkehrskontrolle Anlass zur Anordnung einer ärztlichen Begutachtung wegen des Verdachts auf regelmäßigem Konsum boten.

* OVG Schleswig 4 LB 10/04 Beschluss vom 06.06.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de): Die bei dem Kläger anlässlich der Wohnungsdurchsuchung aufgefundenen Cannabissamen, die relativ große Menge aufgefundenen Marihuanas ( 294 g), die nach eigenen Angaben des Klägers aus zwei selbst angebauten Pflanzen stammt, sowie die aufgefundene Haschischmenge (14,4 g) und die selbst angebauten beiden Cannabispflanzen lassen den Verdacht als nahe liegend erscheinen, dass bei dem Kläger ein höherer als der selbst eingeräumte gelegentliche Konsum vorliegt.

* OVG Weimar 2 EO 421/02 Beschluss vom 28.08.02
Antragsteller wurde von der Polizei auf einem Musikfest beim Rauchen einer Marihuana-Zigarette erwischt (ohne Bezug zu einer Verkehrsteilnahme). Das behördlich angeordnete Drogenscreening verlief beim Urin ohne Befund, die angeordnete Haaranalyse scheiterte aber an zu kurzen Haaren. Der Antragsteller weigerte sich danach, der behördlichen Aufforderung Folge zu leisten, sich die Haare 4 bis 6 cm lang wachsen zu lassen, um eine Haaranalyse durchführen zu lassen.
Das OVG ändert den abweisenden Beschluss des VG und stellt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her unter Berufung auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -. Ob § 14 (2) Satz 2 Nr. 2 FeV teilweise verfassungswidrig ist, oder ob diese Vorschrift nur einschränkend ausgelegt werden muss, klärt das OVG nicht abschließend. Beschluss auf verkehrslexikon.de

* OVG Weimar 2 EO 419/03 Beschluss vom 03.03.04
Bei einem positiven Urintest auf Cannabis anlässlich einer Verkehrskontrolle ist die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens rechtswidrig, wenn die Blutuntersuchung ohne Cannabisbefund bleibt.
Ein positiver Hauttest auf harte Drogen ist ebenfalls kein Grund für die Anordnung eines Drogenscreenings, wenn im Blut keine Betäubungsmittelrückstände gefunden werden: der Hauttest beweist nur den Kontakt, aber nicht den Konsum. Beschluss auf verkehrslexikon.de


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Beitrag 01.01.2014, 13:42
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Einmalkonsum und Suchtverlagerung

Während einmaliger Probierkonsum von Cannabis auch dann nicht zum Entzug der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde führt, wenn man anschließend beim Fahren unter THC-Einfluss erwischt wird (Achtung: ein strafgerichtlicher Entzug der Fahrerlaubnis erfolgt in so einem Fall, wenn die KfZ-Fahrt als Straftat nach §§ 315c, 316, 323a StGB gewertet wird; und in Hamburg wird gelegentlicher Konsum anders definiert), sieht die Sache anders aus, wenn sich die Frage von Suchtverlagerung stellt:

Eine weitere Verkehrsauffälligkeit unter Alkoholeinfluss
Zitat (§ 14 FeV)
(2) Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist für die Zwecke nach Absatz 1 anzuordnen, wenn
...
3. wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes begangen wurden.

ist z.B. auch anwendbar, wenn auf eine Alkoholfahrt mit mindestens 0,5 Promille eine Fahrt unter Cannabiseinfluss (mindestens 1,0 ng/ml THC reichen dafür in der Regel aus) folgt, selbst wenn die Fahrt unter THC-Einfluss eine einmalige Sache wäre.

* OVG Münster 16 B 895/09 Beschluss vom 29.07.2009
Verweigerung vorläufigen Rechtsschutz in 2. Instanz, nachdem wegen Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen wurde.
MPU-Anordnung wegen zweier § 24a Delikte, davon einmal Alkohol, einmal Cannabis.


Konsum harter Drogen in der Vergangenheit
Weiterhin wird es als sachgerecht angesehen, einen Drogenkonsumenten, der einmal Cannabis und in den Jahren davor eine andere Droge konsumiert hat, in den Rechtsfolgen zumindest einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten gleichzustellen (zu prüfen ist natürlich, ob nicht bereits der Konsum der anderen Droge immer noch zur Verneinung der Kraftfahreignung führt). Die Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung gilt ja nur für den Regelfall (Vorbemerkung 3 Satz 1).

* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 102.09 Beschluss vom 13.11.09
Der Antragsteller war als Führer eines Kfz einmal am 13. März 2005 unter Einfluss von Kokain und ein weiteres Mal im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall am 19. August 2008 unter Einfluss von Cannabis aufgefallen (Blutserumwerte 4,2 ng/ml THC, 47,1 ng/ml THC-COOH und 1,3 ng/ml THC-OH). Dem Einwand des Nachkonsums nach dem Unfall setzt das OVG die Rechtskraft des Bußgeldbescheides entgegen. Das OVG sieht einen mindestens zweimaligen Cannabiskonsum zwar nicht als belegt, sieht in dem vorherigen Kokainkonsum (es wurde 2005 nur 2 bis 3 Monate Drogenfreiheit mittels Haaranalyse nachgewiesen) aber einen außerhalb des Systematik der Anlage 4 zur FeV liegenden Sachverhalt, der - wenn nicht sogar die fehlende Eignung - jedenfalls starke Eignungszweifel aufkommen lässt, denen durch eine MPU im Widerspruchsverfahren nachzugehen sei und die eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Rahmen einer Interessenabwägung nicht rechtfertigen.
Zitat
Der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht könne den „gelegentlichen“, in Wahrheit aber nur einmaligen Konsum von Cannabis am 19. August 2008 bereits aus zeitlichen Gründen nicht mit Rückgriff auf den einmaligen Kokainkonsum am 13. März 2005 begründen, greift nicht durch, weil bei summarischer Prüfung einiges für die Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht. Grundsätzlich trifft es zwar zu, dass gelegentliche Einnahme von Cannabis im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV dann vorliegt, wenn mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten eingenommen wurde (vgl. Beschluss des Senats vom 16. Juni 2009 - OVG 1 S 17.09 – juris Rn. 5; VGH München, Beschluss vom 25. November 2008 - 11 CS 08.2238 -, juris Rn. 13; VGH Mannheim, Beschluss vom 29. September 2003 - 10 S 1294/03 - juris Rn. 3 ff.). Diese Bewertung gilt allerdings gemäß Ziffer 3 der Vorbemerkung zur Anlage 4 nur für den Regelfall, so dass davon abweichende Konstellationen in Anlehnung an die Tabelle in Anlage 4 ebenfalls berücksichtigt werden können. Es ist nicht Aufgabe der Tabelle, eine abschließende Regelung zu treffen, weder hinsichtlich der Aufzählung der Krankheiten und Mängel, noch inhaltlich in Bezug auf die Bewertung der Eignung bzw. Nichteignung (vgl. Kirchner, Die neue Fahrerlaubnisverordnung, 2002, S. 86). Zu berücksichtigen ist danach, dass bereits der Vorfall am 13. März 2005 für sich genommen Anlass geboten hätte, die Fahrerlaubnis gemäß Anlage 4 Ziffer 9.1 zu entziehen. Die erneute Einnahme berauschender Mittel durch den Antragsteller, der zudem in der Vergangenheit schon durch alkoholische Beeinflussung im Straßenverkehr aufgefallen ist, führt dazu, dass das für den Antragsteller positive Ergebnis des durch die Fahrerlaubnisbehörde im Anschluss an den Vorfall vom 13. März 2005 veranlassten Haarscreenings in einem anderen und neuen Licht zu sehen ist. Denn ungeachtet dessen, dass der Antragsteller jetzt „nur“ durch die Einnahme von Cannabis aufgefallen ist, lässt sein Verhalten eine Anfälligkeit für die Einnahme von Drogen erkennen, so dass ein ohne den Nachweis von Kokain verlaufenes Haarscreening, das im Falle des Antragstellers lediglich ein drogenfreies Intervall von zwei bis drei Monaten nachweisen konnte, letztlich keine verlässliche Prognose dahin ermöglicht, der Antragsteller werde künftig keine harten Drogen mehr nehmen und auch keine Fahrzeuge mehr unter dem Einfluss von Cannabis im Straßenverkehr führen. Jeder weitere Vorfall in dieser Richtung würde nämlich bereits einen Regelfall der Nichteignung nach Nr. 9.1 oder 9.2.2 der Anlage 4 begründen, in dem die Fahrerlaubnis ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts zu entziehen wäre. Danach erscheint es, zwar nicht ganz zweifelfrei, ob die ohne vorherige medizinisch-psychologische Begutachtung erfolgte Fahrerlaubnisentziehung bereits als rechtmäßig beurteilt werden kann. Es bestehen aber ganz erhebliche Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers, denen durch Aufklärung seines Drogenkonsums und seiner Einstellung zum Konsum harter und weicher Drogen unbedingt nachzugehen ist.


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Beitrag 01.01.2014, 14:42
Beitrag #17


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Der Wiedergewinn der Kraftfahreignung

* VGH Mannheim 10 S 2796/03 Urteil vom 18.05.04
Nach einem Entzug wegen einer Fahrt unter Drogeneinfluss ist für die Neuerteilung eine MPU auch dann zu fordern, wenn die Tat längere Zeit zurückliegt.

* VGH München 11 CS 04.157 Beschluss vom 03.02.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Fahrt am 11.05.03 unter Einfluss von 6,4 ng/ml THC; 4,1 ng/ml THC-OH und 77 ng/ml THC-COOH beweise den Wegfall der Kraftfahreignung. Weder sei die Kraftfahreignung zwischenzeitlich wieder hergestellt (der zu einem vorhersehbaren Zeitpunkt durchgeführte Urintest beweise nur 3 Tage Drogenfreiheit), noch sei ein Ausnahmefall im Sinne von Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 der FeV vorhanden. Wiederherstellung der Kraftfahreignung sei aber auch durch Übergang zu einer Konsumform mit Trennvermögen möglich. Ein geändertes Konsumverhalten (Abstinenz oder kontrolliertes Kiffen) sei hinreichend lange zu praktizieren (der VGH tendiert zu einer Jahresfrist) und seine Stabilität durch eine MPU nachzuweisen.

* VGH München 11 CS 04.2526 Beschluss vom 09.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt am 24.01.2004 unter Einfluss von 3,8 ng/ml THC und 64,9 ng/ml THC-COOH. Am 05.04.2004 wurde in einer Urinprobe ein Cannaboidgehalt von 45 ng/ml gemessen, im Blut aber keine Spuren von Betäubungsmitteln mehr.
Der VGH erörtert äußerst ausführlich die Möglichkeit der Wiederherstellung der Kraftfahreignung (materiell- und verfahrensrechtliche Einjahresfrist, Bedingungen für Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen bei offenen Erfolgssaussichten für das Hauptsacheverfahren).

* VGH München 11 CS 04.1767 Beschluss vom 30.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Kraftfahreignung nach 3 Monaten behaupteter und nachgewiesener Abstinenz noch nicht wiederhergestellt. Der Beschluss erörtert noch einmal ausführlich die Ansichten des VGH zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung einschließlich der Bedeutung der verfahrensrechtlichen und der materiellrechtlichen Einjahresfrist.

* VGH München 11 CS 06.2913 Beschluss vom 29.03.2007
Der VGH stellt zweitinstanzlich gegen Screening- und MPU-Auflage die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Fahrerlaubnisentzug wieder her, der sich auf eine frühere Cannabisabhängigkeit (vermischt mit dem Konsum harter Drogen) stützt. Bereits das VG hatte bemängelt, dass der Entzugsbescheid ohne Sachverhaltsaufklärung bezüglich des Wiedergewinns der Kraftfahreignung erlassen worden sei (die verfahrensrechtliche Einjahresfrist war bereits abgelaufen, zwei Jahre Drogenfreiheit wurden behauptet und während des teilweise offenen Maßregelvollzugs waren 36 negative Drogenscreenings während eines Jahres erbracht worden).

* VGH München 11 CS 08.339 Beschluss vom 30.06.2008
Bei zwei Verkehrskontrollen des Antragstellers im Januar 2005 und im Juni 2006 reagierte ein Drogenschnelltests jeweils positiv. Bei der ersten Fahrt wurden 2,8 ng/ml THC-COOH, aber kein aktives THC gemessen, bei der zweiten gab es keinen sicheren Hinweis auf eine Drogenaufnahme. Da er laut Polizeiprotokoll aber seit dem 23. Lebensjahr zeitweise täglich konsumiere, unterzog er sich freiwillig einer ärztlichen Begutachtung, nach der er 2000/2001 täglich konsumiert habe, danach aber nur noch gelegentlich. Nachdem er eine medizinisch-psychologische Begutachtung ablehnte, wurde die Fahrerlaubnis entzogen. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen verlief in beiden Instanzen ohne Erfolg, da der Wiedergewinn der 2000/2001 verloren gegangenen Kraftfahreignung nicht nachgewiesen sei.
Der VGH hält die MPU-Aufforderung für zwingend vorgeschrieben nach § 14 (2) Nr. 2 FeV. Der Konsum der Jahre 2000/2001 sei auch weiterhin als Tatsache verwertbar.

* VGH München 11 CS 08.2591 Beschluss vom 04.02.2009 (3. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Der VGH hält einen Entzug für rechtswidrig, der sich auf Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens stützt, weil die gesetzte Frist zu kurz bemessen wurde, um die nötigen Abstinenznachweise zu erbringen. Zum Zeitpunkt der Gutachtensaufforderung war die verfahrensrechtliche Jahresfrist abgelaufen und der Antragsteller hatte 1 Jahr Abstinenz vorgetragen.

* VGH München 11 CS 08.3150 Beschluss vom 02.03.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Nach einer Fahrt mit 1,9 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH ordnet die Behörde eine MPU an. Gegenüber dem Gutachter gibt der Antragsteller Beikonsum von Alkohol an, woraus der VGH den Verlust der Kraftfahreignung für die Vergangenheit folgert. Der VGH hält die Kraftfahreignung aber schon mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für wieder hergestellt, da der Antragsteller für die Zeit ab März 2008 Abstinenz behauptet. Bezüglich der nachzuweisenen Abstinenz hält der VGH in Anlehnung an das Gutachten (welches bezüglich der Bewertung des Trennvermögens als fehlerhaft eingestuft wird) 4 Urinscreenings innerhalb von 6 Monaten für nötig, aber auch ausreichend.


* VGH München 11 CS 09.608 Beschluss vom 10.06.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Nachdem die Kraftfahreignung durch die Fahrt am 30. 07. 2008 mit 4,0 ng/ml THC und 31 ng/ml THC-COOH verloren gegangen sei, könne sie frühestens am 31.07.2009 zurückgewonnen werden.

* VGH München 11 ZB 09.1022 Beschluss vom 11.08.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Wird gegen den Entziehungsbescheid direkt Klage erhoben, dann ist eine Wiederherstellung der Kraftfahreignung ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses maximal 5 Monate seit dem letzten Konsum vergangen sind.

* VGH München Beschluss vom 17.05.2010, 11 CS 10.317
Der Widerspruch gegen die Fahrerlaubnisentziehung wurde 11 Monate nach der Fahrt unter Einfluss von 4,5 ng/ml THC zurückgewiesen. Die vorgelegten Ergebnisse eines negativen Drogenscreenings können die fehlende Kraftfahreignung zum Zeitpunkt der Fahrt nicht widerlegen; ein Wiedergewinn der Kraftfahreignung sei frühestens 1 Jahr nach Beginn der Abstinenz möglich und somit zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides noch nicht möglich.

* VGH München Beschluss vom 24.08.2010, 11 CS 10.1658
Fahrt unter Einfluss von 15 ng/ml THC und von 410 ng/ml THC-COOH am 24./25.02.2010. Die erforderliche Abstinenzzeit von einem Jahr sei erst maximal zur Hälfte zurückgelegt, die Abstinenzbehauptung somit unbeachtlich.

* VGH München Beschluss vom 22.03.2011, 11 CS 10.3142
Fahrt am 13.08.2009 unter Einfluss von 13 ng/ml THC, 4,4 ng/ml Hydroxy-THC und 190 ng/ml THC-COOH. Gegenüber den ihn befragenden Polizeibeamten hatte der Antragsteller angegeben, ab und zu am Wochenende mit Freunden einen Joint zu rauchen. Der Widerspruch gegen den Fahrerlaubnisentzug wurde am 14.07.10 zurückgewiesen (Zustelldatum). Der nach Erhebung der Klage am 12.10.10 gestellte vorläufige Rechtsschutzantrag war in beiden Instanzen erfolglos, auch wenn der Kläger zwischenzeitlich Abstinenznachweise für ein Jahr mittels Haarprobe erbracht hatte und am 25.11.10 sogar ein positives medizinisch-psychologisches Gutachten vorlegen konnte.
Zitat
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2010, bestehende Sach- und Rechtslage. Danach liegende Umstände - etwa die nachträgliche Vorlage eines für den Betroffenen günstigen Sachverständigengutachtens - sind daher nicht für die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung maßgebend, sondern können sich gegebenenfalls erst in einem Verfahren auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auswirken (vgl. BVerwG vom 27.9.1995 BVerwGE 99, 249/ 250; vom 11.12.2008 BVerwGE 132, 315; vom 25.2.2010 BVerwGE 136, 149). Der erkennende Senat folgt dieser Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung (z.B. Beschluss vom 19.10.2010 Az. 11 CS 10.2330).

27 Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 14. Juli 2010 hatte der Antragsteller aufgrund der gelegentlichen Einnahme von Cannabis und der durch seine Drogenfahrt am 13. August 2009 bewiesenen fehlenden Trennung von Konsum und Fahren seine Fahreignung gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung verloren. Insoweit wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
...
29 Das Landratsamt und die Regierung mussten vor ihrer Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. über den Widerspruch des Antragstellers nicht das Ergebnis der von ihm angekündigten Haaranalyse abwarten, weil der Antragsteller seine Fahreignung erst nach nachgewiesenem Übergang zu einem straßenverkehrsrechtlich zulässigen Gebrauch von Cannabis im Regelfall für die Dauer von mindestens einem Jahr wiedererlangt haben konnte (vgl. Nr. 9.5 i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung). Bis zum Ablauf dieser Einjahresfrist darf auch bei behaupteter Verhaltensänderung des Betroffenen die Fahrerlaubnis gemäß § 11 Abs. 7 FeV wegen eines früheren, straßenverkehrsrechtlich unzulässigen Betäubungsmittelkonsums entzogen und ein hiergegen gerichteter Widerspruch zurückgewiesen werden, wenn die mangelnde Fahreignung des Betroffenen feststeht (BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18). Die sogenannte verfahrensrechtliche Jahresfrist für eine Entscheidung nach § 11 Abs. 7 FeV endete hier ein Jahr nach dem Tag, den der Antragsteller als Beginn seiner Betäubungsmittelabstinenz angegeben hatte, d.h. am 14. August 2010. Aus diesem Grund ist die nach § 11 Abs. 7 FeV verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis ohne vorherige Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht zu beanstanden.


* VGH München Beschluss vom 20.03.2012, 11 CS 12.262
Fahrt unter Einfluss von THC 2,1 ng/ml und THC-COOH 83,6 ng/ml am 12.08.2009. Laut äG vom Dezember 2009 sei der beim Antragsteller festgestellte Konsum von Cannabis zumindest phasenweise als regel- bzw. gewohnheitsmäßige Einnahme zu bezeichnen. Aufgrund der Befunde sei kein aktueller oder fortgesetzter Konsum feststellbar. Der folgende Entzugsbescheid vom 18.01.2010 wurde von der Behörde am 09.11.10 wieder aufgehoben, nachdem das VG zwischenzeitlich die aufschiebende Wirkung der Klage wieder hergestellt hatte mit der Begründung, dass ein Wiedergewinn der Kraftfahreignung nicht geprüft worden sei. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 forderte die Behörde den Antragsteller auf, bis Ende April 2011 vier Drogenscreenings durchführen zu lassen und ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung vorzulegen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller eine erhöhte Rückfall- bzw. Wiederauffallenswahrscheinlichkeit bestehe. Mit Schreiben vom 6. September 2011 teilte die Begutachtungsstelle gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde weiter mit, dass der Antragsteller eine lückenlose einjährige Drogenabstinenz nicht habe belegen können.
Das vorläufige Rechtsschutzverfahren gegen den im Oktober 2011 erneut erfolgten Entzug der Fahrerlaubnis verlief in beiden Instanzen erfolglos.
Zitat
Die vom Antragsteller vorgelegte psychologische Bewertung geht jedoch nachvollziehbar gerade davon aus, dass ein solcher tiefgreifender Einstellungswandel beim Antragsteller nicht Platz gegriffen hat. Demgegenüber kann eine stabile Verhaltensänderung nicht dadurch belegt werden, dass trotz einer vorhandenen angespannten wirtschaftlichen Situation erhebliche Kosten für den Nachweis von Drogenabstinenz und Therapie aufgewendet werden und das Vorhaben, künftig auf Drogen zu verzichten, gemeinsam mit einer nahestehenden Person diskutiert und geplant wird.


* VGH München Beschluss vom 03.04.2012, 11 CS 12.480
Fahrt unter Einfluss von 4,0 ng/ml THC am 25.10.11. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren gegen den folgenden Entzug der Fahrerlaubnis war vor dem VG erfolglos, wobei das Konsummuster als gelegentlich eingestuft wurde. Die Beschwerdeschrift ist dieser Einstufung nicht entgegengetreten, hält aber eine Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers für geboten, weil er sich einem engmaschigem Drogenkontrollprogramm für ein Jahr unterzieht. Der VGH weist die Beschwerde zurück, weil ein Wiedergewinn der Kraftfahreignung entweder eine mindestens einjährige Abstinenz oder einen Übergang zu einer kontrollierten Konsumform von der Dauer ebenfalls eines Jahres voraussetze.

* VGH München Beschluss vom 04.12.2012, 11 ZB 12.2267
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Ablehnung der Klage gegen einen Entziehungsbescheid wird ablehnt: maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Kraftfahreignung ist nicht die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, sondern die letzte Behördenentscheidung. Weiterhin bescheinige das vorgelegte Fahreignungsgutachten einen stabiler, motivational gefestigter Einstellungswandel gerade nicht, der es plausibel macht, dass der Betroffene an seinem Konsumverzicht auch zukünftig festhalten wird.

* VGH München Beschluss vom 06.05.2013, 11 CS 13.425
Da eine einjährige Abstinenz nach der Fahrt noch nicht vorliegen könne, könne die Kraftfahreignung auch nicht wiedergewonnen sein.

* VGH München 11 ZB 14.808 Beschluss vom 14.07.2014
Der Antrag gegen Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisenden Urteil nach Entzug der Fahrerlaubnis wird abgelehnt. Nach Abhängigkeit von Betäubungsmitteln beginnt die einjährige Abstinenz (die hier ohnehin nicht nachgewiesen wurde) erst nach Abschluss der Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung, so dass die Kraftfahreignung zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides hier nicht wiedergewonnen war.
Zitat
2. Die Entwöhnungsbehandlung ist dabei nicht zu verwechseln mit der Entzugsbehandlung, mit der die akute Entgiftung des Körpers vom Suchtstoff bewirkt wird. Eine Entgiftungsbehandlung kann auch innerhalb relativ kurzer Zeit (Tage/Wochen) erfolgen, wohingegen eine therapeutische Entwöhnungsbehandlung in aller Regel einen längeren Zeitraum von mindestens mehreren Monaten umfasst, während derer der Betroffene gezielt die Ursachen und Mechanismen seines Suchtverhaltens aufarbeitet und Strategien zur Bewältigung erlernt (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2013 – 11 C 13.1471 – juris Rn. 12). Nach Ziffer 3.12.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung ist bei Betäubungsmittelabhängigkeit in der Regel eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung zu fordern, die stationär oder im Rahmen anderer Einrichtungen für Suchtkranke erfolgen kann. Laut dem psychiatrischen Gutachten vom 22. November 2012 ist beim Kläger eine solche Entwöhnungsbehandlung unverzichtbar, weil es sich bei seinem Konsumverhalten im weiteren Sinn um einen Selbstheilungsversuch für seine dauerhaften Schmerzzustände handelt. Dem dabei vom Cannabiskonsum ausgehenden Antriebsverlust hat der Kläger durch die Einnahme von Amphetaminen gegengesteuert, um wieder aktiv am Leben teilnehmen zu können (vgl. psychiatrisches Gutachten vom 22.11.2012, Beiakte I, Bl. 58). Nach der verständlichen und nachvollziehbaren Einschätzung der Gutachterin kann bei diesem Verlauf der Abhängigkeit eine dauerhafte Abstinenzkompetenz nur durch eine langzeittherapeutische Maßnahme in Kombination mit einer schmerztherapeutischen Behandlung erreicht werden. Ohne die erforderliche Entwöhnungsbehandlung konnte folglich die erforderliche Abstinenz im Sinn der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV nicht beginnen.


* OVG Münster 16 B 192/09 Beschluss vom 17.06.2009
Verweigerung vorläufigen Rechtsschutzes auch in zweiter Instanz, nachdem wegen gelegentlichem Konsum (eingeräumt) ohne Trennvermögen (3,8 ng/ml THC) die Fahrerlaubnis entzogen worden war. Die Kraftfahreignung war auch noch nicht wieder hergestellt:
Zitat
Die Wiedererlangung der Kraftfahreignung setzt den Nachweis voraus, dass der Antragsteller in der Lage ist, auf den Konsum von Betäubungsmitteln dauerhaft ganz zu verzichten (vgl. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV) oder jedenfalls bei fortgesetzter gelegentlicher Einnahme von Cannabis ein nach den Wertungen der Fahrerlaubnis-Verordnung hinnehmbares Konsummuster – Verzicht auf den zusätzlichen Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktivwirkenden Stoffen, Trennung zwischen dem gelegentlichen Konsum und dem Fahren, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust – einzuhalten (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Ob der Antragsteller diese Voraussetzungen erfüllt, ist mit einem Drogenverzicht von wenigen Monaten allein noch nicht hinreichend nachgewiesen. Vielmehr ist zum Nachweis der wieder hergestellten Kraftfahreignung grundsätzlich ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 16 B 907/08 –.

Anhaltspunkte, aufgrund derer dies vorliegend ausnahmsweise anders zu bewerten sein könnte, legt die Beschwerde nicht dar.


* OVG Münster 16 B 1538/06 Beschluss vom 06.10.2006
Wiedergewinn der Kraftfahreignung ergibt sich keineswegs aus 2 bis 3 Monaten Drogenfreiheit.


* OVG Magdeburg 3 M 68/13 Beschluss vom 14.06.2013 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Vorläufiges Rechtsschutzbegehren in zweiter Instanz erfolgreich, nachdem die Behörde unter Bezugnahme auf eine dreieinhalb Jahre vorher stattgefundene KfZ-Fahrt unter Einfluss von harten Drogen und Cannaboiden den Entzug der Fahrerlaubnis ausgesprochen hatte, obwohl der Antragsteller in der Anhörung vor dem Entzug behauptet hatte, der Vorfall sei eine einmalige Sache gewesen und er sei bereit, sich einem Drogenscreening zu unterziehen. (Verfahrensrechtliche Einjahresfrist)

* OVG Koblenz 10 B 10716/09 Beschluss vom 02.09.2009 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Wer nach gelegentlichem Konsum ohne Trennvermögen ungeeignet geworden ist, muss für den Nachweis der zurückgewonnenen Kraftfahreignung sich einer MPU unterziehen. Ein ärztliches Gutachten reicht nicht aus.

* OVG Koblenz 10 B 10356/08 Beschluss vom 03.06.2008(Quelle: verkehrslexikon.de)
Auch knapp 3 Jahre nach einer Fahrt unter Einfluss von Amphetamin, Cannabis und Alkohol (Mischkonsum) ist die Frage der (wiedergewonnenen) Kraftfahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären, so dass bei Nichtvorlage des Gutachtens die Fahrerlaubnis entzogen werden kann (diese hätte innerhalb eines Jahres nach der Fahrt ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen entzogen werden können)

* OVG Koblenz 10 E 10099/06 Beschluss vom 09.03.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Nach Fahrt unter Einfluss von 8,4 ng/ml THC und 133 ng/ml THC-COOH war die vor dem Entzug angeordnete MPU nach Ansicht des OVG überflüssig. Grundsätzlich ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Anordnung aber der Zeitpunkt der Anordnung maßgebend (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005, DAR 2005, 581).



Im Saarland hält man den Wiedergewinn der Kraftfahreignung auch in einer kürzeren als der Jahresfrist für möglich, was nicht nur durch Abstinenz, sondern auch durch Übergang zu gelegentlichem Konsum mit Trennvermögen geschehen kann:
* OVG Saarlouis 1 B 269/09 Beschluss vom 14.04.09
Wiedergewinnung der Kraftfahreignung auch durch Übergang auf eine eingeschränkte Konsumform möglich; 3 Monate Abstinenz für die Wiedergewinnung jedoch nicht ausreichend

* OVG Saarlouis 9 W 25/02 Beschluss vom 30.09.2002 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Fahrt unter Einfluss von 14 ng/ml THC; 5 ng/ml THC-OH und 290 ng/ml THC-COOH führt zunächst zur Anordung eines ärztlichen Gutachtens und anschließend zum Entzug der Fahrerlaubnis, nachdem das Gutachten zwar regelmäßigen Konsum bis Oktober 2001 bescheinigt, danach aber 2 bis 3 Monate Drogenfreiheit. Das vorläufige Rechtschutzersuchen hat beim OVG Erfolg, weil ein Wiedergewinn der Kraftfahreignung nicht ausgeschlossen werden kann. Diesbezüglich müsse die Widerspruchsbehörde die Sache weiter aufklären. Es käme übrigens auch gelegentlicher Konsum mit Trennvermögen in Frage (kontrolliertes Kiffen).

* OVG Saarlouis 9 W 31/02 Beschluss vom 01.10.2002(Quelle: verkehrslexikon.de)
Der Antragsteller war im Juni 2000 mit 7,0 ng/ml THC und 170 ng/ml THC-COOH beim Führen eines LkW erwischt worden, hatte gegenüber der Polizei gelegentlichen Konsum eingestanden und war am 12.11.2001 erneut beim LkW-Fahren, dieses mal mit 2 ng/ml THC und 40 ng/ml THC-COOH erwischt worden. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren gegen den folgenden Fahrerlaubnisentzug der Klasse 2 hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Das OVG entscheidet allerdings auf Grund einer Interessenabwägung. Zum einen sei die Zulässigkeit des verspätet eingelegten Widerspruchs noch zu prüfen. Materiell-rechtlich sei noch zu prüfen, ob gelegentlicher Konsum mit (gegenwärtig?) Trennvermögen besteht.

* OVG Schleswig 4 MB 35/08 Beschluss vom 08.04.2008 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de) Der Antragsteller hatte als gelegentlicher Konsument seine Kraftfahreigung durch eine Fahrt mit 4,5 ng/ml THC verloren. Er hat bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides (ca. 2 Jahre nach der Fahrt) den Wiedergewinn der Kraftfahreignung auch noch nicht nachgewiesen.

* OVG Weimar 2 EO 487/11 Beschluss vom 19.09.11
Liegt die Anlasstat, die zum Wegfall der Kraftfahreignung geführt hatte, mehr als ein Jahr zurück und wird deshalb im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren eine MPU angeordnet, so braucht die gesetzte Frist nicht berücksichtigen, dass der Betroffene Abstinenznachweise zu erbringen hat.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Uwe W
Beitrag 01.01.2014, 16:03
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Entscheidungsmaßstäbe in vorläufigen Rechtsschutzsachen; die Interessenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten für das Hauptsacheverfahren

* VGH München 11 CS 04.2526 Beschluss vom 09.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt am 24.01.2004 unter Einfluss von 3,8 ng/ml THC und 64,9 ng/ml THC-COOH führt zum Wegfall der Kraftfahreignung. Am 05.04.2004 wurde in einer Urinprobe ein Cannaboidgehalt von 45 ng/ml gemessen, im Blut aber keine Spuren von Betäubungsmitteln mehr. Während des Entzugsverfahrens behauptet der Antragsteller Abstinenz und kann diese für Der VGH erörtert Bedingungen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen bei offenen Erfolgssaussichten für das Hauptsacheverfahren, nachdem zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die verfahrensrechtliche Einjahresfrist abgelaufen ist: die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wird im vorliegenden Fall für die Zeit von der Bekanntgabe des Beschlusses bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides wieder hergestellt.

* VGH München 11 CS 05.77 Beschluss vom 13.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Zweitinstanzliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Fahrerlaubnisentziehung, die mit der Nichtbeibringung eines MPU-Gutachtens begründet wurde. Der VGH sieht bei einem gelegentlichen Konsumenten, der im Alter von 16 Jahren mit dem Konsum begonnen hat, dessen Jugendlichkeit alleine nicht als Tatsache an, die bei gelegentlichem Konsum Zweifel an der Kraftfahreignung auslöst und eine MPU-Aufforderung rechtfertigt.
Zitat
Die Interessenabwägung erfordert es nicht, trotz der wahrscheinlichen Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids an dessen sofortiger Vollziehbarkeit festzuhalten. Sollte nämlich der Antragsteller auch nur einmal unter Verstoß gegen die Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung einen gelegentlichen Cannabiskonsum nicht von der motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr trennen, wäre der Antragsgegner berechtigt, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, ohne dass es gemäß § 11 Abs. 7 FeV im Regelfall noch der Einholung eines Gutachtens bedürfte. Da der Antragsteller im örtlichen Bereich polizeibekannt ist und sein Verhalten von dort aus - zu Recht - intensiv beobachtet wird, spricht eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass einschlägige Zuwiderhandlungen alsbald aufgedeckt würden. Zudem schließen es die vom Verwaltungsgerichtshof angesprochenen Bedenken nicht aus, dass der Antragsgegner - z.B. als Ergebnis ergänzender Ermittlungen oder durch Rückgriff auf neuere, dem Gericht noch nicht bekannte wissenschaftliche Erkenntnisse - künftig noch Umstände geltend machen kann, die ggf. geeignet sind, "Zusatztatsachen" im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV darzustellen.

* VGH München 11 CS 05.43 Beschluss vom 20.06.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt unter Einfluss 5,4 ng/ml THC und 44,3 ng/ml THC-COOH führt zum Wegfall der Kraftfahreignung. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wird trotz zwischenzeitlich abgelaufener verfahrensrechtlicher Einjahresfrist im Rahmen einer Interessenabwägung abgelehnt, da bisher keine Abstinenznachweise vorliegen und es sich um einen langjährigen Konsumenten handele, der bereits seit dem 16. Lebensjahr konsumiere.

* VGH München 11 CS 06.1350 Beschluss vom 07.12.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)Beschluss auf der Homepage der Landesanwaltschaft
Der Antragsteller hatte seine wegen eines alkoholbedingten Unfall (Oktober 2001) entzogene erste Fahrerlaubnis erst nach einer MPU wiedererteilt bekommen, in der er zwar einen regelmäßigen Canabiskonsum in seiner Jugend und den Gebrauch von Speed einräumte, aber mit Hilfe von Abstinenznachweisen für Drogen und der Geltendmachung von Alkoholabstinenz (bis auf zwei Gläser Glühwein zu Weihnachten) sowie einer entsprechenden Aufarbeitung eine positive Begutachtung erhielt. Nach Verurteilung wegen des Besitzes von mindestens 27 g Haschisch forderte die Fahrerlaubnisbehörde ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation über seine Kraftfahreignung. Das Gutachten wertet sein Eingeständnis
Zitat
Ab Oktober 2004 habe er anfangs einmal pro Woche, später drei- bis viermal wöchentlich "etwas geraucht". Die Dosis habe bei etwa 0,25 g Haschisch gelegen.
als regelmäßigen Konsum, geht aber davon aus, dass er gegenwärtig nicht konsumiere. Ein tief greifender Wandel seiner Einstellung zu Drogen sei jedoch nicht erkennbar. Nach dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" sei er deshalb nicht in der Lage, Kraftfahrzeuge zu führen.
Das vorläufige Rechtsschutzersuchen gegen den folgenden erneuten Entzug der Fahrerlaubnis durch die Behörde hat in zweiter Instanz Erfolg. Der VGH wertet den eingestandenen Konsum nicht als regelmäßig und sieht keine der Zusatztatsachen, die bei gelegentlichem Konsum die Eignung ausschließen, als nachweislich erfüllt. Der VGH hätlt allerdings eine erneute MPU im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens für nötig, in der sämtliche Zusatztatsachen (Trennvermögen, kein Mischkonsum, kein Kontrollverlust, keine Persönlichkeitsstörung) zu prüfen wären und die durch Drogenscreenings über 1 Jahr vorzubereiten wären.
Der VGH sieht bei der Interessenabwägung davon ab, Screening-Auflagen für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu fordern, da bereits das durchzuführende MPU-Verfahren entsprechende Auflagen mit sich bringt.

Fortsetzung des Falles: Nach 5 negativen Drogenscreenings unterzog sich der Betroffene einer MPU. Das Gutachten vom 06.02.2008 äußerte aber Zweifel an der Bewältigung der Alkoholproblematik. Auf Antrag der Behörde änderte das VG den Eilentscheid des VGH daraufhin ab und ordnete den Sofortvollzug wieder an. Die Beschwerde des Antragstellers hatte aber Erfolg:
VGH München 11 CS 08.1103 Beschluss vom 31.07.2008 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Der VGH hält es im Rahmen einer Interessenabwägung für sachgerecht, die aufschiebende Wirkung weiterhin bestehen zu lassen, und die Alkoholabstinenz mittels EtG Screenings zu überwachen.

* VGH München 11 CS 06.2913 Beschluss vom 29.03.2007
Der VGH stellt zweitinstanzlich gegen Screening- und MPU-Auflage die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Fahrerlaubnisentzug wieder her, der sich auf eine frühere Cannabisabhängigkeit (vermischt mit dem Konsum harter Drogen) stützt. Die verfahrensrechtliche Einjahresfrist war bereits abgelaufen, zwei Jahre Drogenfreiheit wurden behauptet und während des teilweise offenen Maßregelvollzugs waren 36 negative Drogenscreenings während eines Jahres erbracht worden.

* VGH München 11 CS 06.2806 Beschluss vom 04.06.2007
Fahrt unter Einfluss von 1,6 ng/ml THC und 31 ng/ml THC-COOH (Blutentnahme 98 Minuten nach Polizeikontrolle) am 07.02.2006 unter Eingeständnis gelegentlichen Konsums, 3 Stunden vor der Fahrt sei ein Joint geraucht worden. Das VG geht geht in seiner Ablehnung des Eilantrags davon aus, dass zum Zeitpunkt der Fahrt der aktive Wert über 2,0 ng/ml THC gelegen haben muss und dass deshalb gelegentlicher Konsum ohne Trennvermögen vorliegt. Diese Argumentation wird von der Beschwerdeschrift nicht angegriffen (vom VGH allerdings für nicht richtig gehalten), jedoch der Wiedergewinn der Kraftfahreignung behauptet. Der VGH weist die Beschwerde aufgrund einer Interessenabwägung zurück, da der Antragsteller über ein einziges negatives Urinscreening (anlässlich eines angeordneten ärztlichen Gutachtens) hinaus keine Nachweise für die behauptete Abstinenz gebracht hat.

* VGH München 11 CS 07.3017 Beschluss vom 08.02.2008
Vorläufiges Rechtsschutzersuchen gegen einen Entzugsbescheid, der sich auf regelmäßigen Konsum stützt, bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der Wiedergewinn der Kraftfahreignung sei zwar zwischenzeitlich möglich, aber nicht nachgewiesen. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch unter Screeningauflage wird vom VGH abgelehnt, weil die bisherigen drogenfreien Screenings nicht zu für den Antragsteller unvorhersehbaren Zeitpunkten gewonnen wurden. Auch scheint der VGH den Antragsteller, der zeitweise bis zu 6 Joints täglich konsumiert haben soll, nicht für besonders glaubwürdig zu halten.

* VGH München 11 CS 08.633 Beschluss vom 13.06.2008
Fahrt am 18.02.2007 unter Einfluss von 2,9 ng/ml THC und 18,9 ng/ml THC-COOH wird von VG und VGH als gelegentlicher Konsum (das wurde in einem äG vom Antragsteller eingeräumt) ohne Trennvermögen gewertet. Nach Nichtvorlage eines im Herbst 2007 angeforderten MPU-Gutachtens war am 15.01.2008 die Fahrerlaubnis entzogen worden. Das vorläufige Rechtsschutzersuchen blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg, wobei über den eingelegten Widerspruch noch nicht entschieden worden sei. Die zum Zeitpunkt der Fahrt nicht vorhandene Fahreignung sei bis zum Erlass des Ausgangsbescheides nicht wiederhergestellt worden. Da in der Beschwerdeschrift keine Einwände gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts vorgebracht wurden, das statthafte Rechtsbehelf sei ausschließlich die Klage und der maßgebliche Zeitpunkt für die gerichtliche Kontrolle damit der Erlass des Ausgangsbescheides, müsse der VGH auch diesen Zeitpunkt seiner Beurteilung zu Grunde legen.

* VGH München 11 CS 08.3150 Beschluss vom 02.03.2009 (1. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Nach einer Fahrt mit 1,9 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH ordnet die Behörde eine MPU an. Die durch den gegenüber dem Gutachter zugegebenen Beikonsum von Alkohol verloren gegangene Kraftfahreignung ist nach Meinung des VGH mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit wiederhergestellt. Der VGH stellt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her, da bereits ein Abstinenzbeleg mittels Haaranalyse vorliege und der Antragsteller bisher nicht mit mehr als 2,0 ng/ml THC auffällig geworden sei.


* VGH München Beschluss vom 15.09.2009, 11 CS 09.1166
Fahrt unter Einfluss von 0,18 ‰ Alkohol sowie THC in einer Konzentration zwischen 0,5 und 0,99 ng/ml und THC-COOH in einer Konzentration von 20 ng/ml. Ob eine kombinierte Rauschwirkung vorgelegen hat, ist nach Ansicht des VGH offen und muss im Widerspruchsverfahren weiter aufgeklärt werden. Der VGH stellt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nur unter sehr strengen Screening-Auflagen wieder her, zumal der Antragsteller in der Vergangenheit auch schon mal Amfetamine konsumiert hatte.

* VGH München Beschluss vom 25.03.2010, 11 CS 09.2580
Hier war die verfahrensrechtliche Jahresfrist zwar schon abgelaufen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wurde aber nicht angeordnet, weil die Behauptung, seit der Fahrt abstinent zu leben, erst nach Ergehen des Entzugsbescheides erhoben wurde, obwohl der Antragsteller bereits viereinhalb Monate vorher in der Anhörung zum Entzug ausführlich über Möglichkeiten des Wiedergewinns der Kraftfahreignung informiert worden war.

* VGH München Beschluss vom 18.05.2010, 11 CS 09.2849
Antragsteller hatte Cannabis in erheblicher Menge zum Eigenkonsum angebaut (es wurden über 700 g Marihuana, 38 in Blüte stehende Pflanzen und 64 Stecklinge bei einer Hausdurchsuchung gefunden) und angegeben, pro Tag 1 - 2 Joints zu konsumieren. Weiterhin hatte er eine Tablettenkapsel BZP (1-Benzylpiperazine) konsumiert.
Der VGH sieht regelmäßigen Konsum als erwiesen an, weiterhin sieht er in dem Konsum von BZP ebenfalls einen Grund für fehlende Eignung. Er hält die Behauptung, seit der Hausdurchsuchung nicht mehr konsumiert zu haben, aber angesichts des zwischen Hausdurchsuchung und dem mehr als 1 Jahr später erfolgten Entzug der FE verstrichenen Zeit von mehr als einem Jahr für beachtlich und stellt wegen offener Erfolgssauschichten die aufschiebende Wirkung unter strengen Abstinenzauflagen wieder her.
Fortgang des Verfahrens: Nachdem in einer am 16. Juni 2011 entnommenen Urinprobe sich ausweislich des Befundberichts vom 24. Juni 2011 Amphetamin in einer Konzentration von 94,9 ng/ml befunden hat, änderte das VG den Beschluss des VGH dahin ab, dass die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides wieder angeordnet wurde. Die Beschwerde gegen diesen Änderungsbeschluss wurde zurückgewiesen: VGH München Beschluss vom 28.10.2011, 11 CS 11.1996.

* VGH München Beschluss vom 19.07.2010, 11 CS 10.540
Die am 11.07.2009 um 23:55 Uhr anlässlich einer Fahrt entnommene Blutprobe enthielt 4,4 ng/ml THC und 41,4 ng/ml THC-COOH. Ein ärztliches Gutachten ergab aktuell keinen Konsum. Der Antragsteller ist vom VGH aufgrund seiner Angaben zu Konsumzeitpunkt und Konsummenge als gelegentlicher Konsument eingestuft worden. Der VGH hält seine Abstinenzbehauptung für beachtlich, stellt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs aber nicht wieder her, da er anscheinend weiter davon ausgeht, die vom Antragsteller ausgehenden Gefahren bestünden fort.

* VGH München Beschluss vom 27.09.2010, 11 CS 10.1104
Wegen des nachgewiesenen Konsums von Cannabis und des Verdachts des Konsums von Amphetaminen und Kokain wurde eine MPU angeordnet. Das der Behörde vorgelegte Gutachten belegt gelegentlichen Cannabiskonsum und behauptet, es seinen Fahrten unter Einfluss von Betäubungsmitteln zu erwarten. Nach Ansicht des VGH ist beim Verdacht des Konsums harter Drogen bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten keine MPU, sondern nur ein ärztliches Gutachten anzuordnen. Die Feststellungen des MPU-Gutachtens samt verschiedener Ergänzungen seien nicht tragfähig, um einen Fahrerlaubnisentzug zu rechtfertigen. Vielmehr müsse mittels Haaranalyse geklärt werden, ob harte Drogen konsumiert wurden.
Der VGH stellt im Rahmen einer Güterabwägung die Fahrberechtigung der Klasse B wieder her, aber nicht für die Klassen A und C.

* VGH München Beschluss vom 27.09.2010, 11 CS 10.2007
Nach einer Fahrt unter Einfluss von 2,0 ng/ml THC sowie 21 ng/ml THC-COOH wird in einem ärztlichen Gutachten gelegentlicher Konsum bescheinigt, worauf die Behörde die Fahrerlaubnis ohne weitere MPU-Anordnung entzieht. Da nach
Ansicht des VGH eine Rückrechnung auf einen höheren aktiven Wert nicht zulässig sei, sei eine MPU anzuordnen, die im Widerspruchsverfahren nachzuholen sei. Da die Antragstellerin bisher nicht negativ in Erscheinung getreten ist und laut ärztlichem Gutachten gegenwärtig nicht konsumiert, ergäbe eine Güterabwägung, dass sie wieder fahren darf.

* VGH München Beschluss vom 18.10.2010, 11 CS 10.1810
Gelegentlicher Cannabiskonsument muss zur MPU, weil er vor mehr als einem Jahr Spice geraucht hat. Weiterhin wurde ihm von der Behörde auferlegt, sich über ein Jahr lang am 8. eines Monats einem Drogenscreening zu unterziehen.
18 Tage nach der Gutachtenanordnung stellt die Untersuchungsstelle im Urin Cannaboide in der Konzentration von 17 ng/ml fest, weitere 20 Tage später in einer Konzentration von über 100 ng/ml. Ob darin ein Kontrollverlust zu sehen ist, muss nach Ansicht des VGH im Widerspruchsverfahren geklärt werden. Ob die Einnahme von Spice zum Wegfall der Kraftfahreignung geführt hat, hält der VGH für zweifelhaft, weil Spice zum Einnahmezeitpunkt noch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz gefallen sei. Der VGH bestätigt bei offenen Aussichten für das Hauptsacheverfahren die Entscheidung des VG, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herzustellen, weil der Antragssteller bisher im Straßenverkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten sei und außerdem während des Widerspruchsverfahrens weiterhin einem engmaschigen Drogenkontrollprogramm unterzogen werde.

* VGH München Beschluss vom 31.03.2011, 11 CS 11.256
Fahrt am 19.06.2009 unter Einfluss von 7,5 ng/ml THC. Statt des von der Behörde angeordneten ärztlichen Gutachtens zur Klärung der Konsumform wurde nur die Kopie eines Gutachten eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie vorgelegt, nach dem der Antragsteller in zurückliegenden Jahren gelegentlich auf Partys Cannabis in geringen Mengen konsumiert habe, aber seit der Überprüfung völlig drogenfrei sei. Es wurden aber einige Passagen vom Antragsteller aus dem Gutachten gestrichen. Nach Entzug der Fahrerlaubnis wurde das Originalgutachten vorgelegt, wonach der Antragsteller 3 Tage vor der "Untersuchung" Haschisch konsumiert habe. Das VG lehnt den Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz ab, weil es diese Aussage so interpretiert, dass 3 Tage vor der ärztlichen Untersuchung Haschisch konsumiert wurde und damit die Kraftfahreignung nicht wiedergewonnen wurde. Erst im Beschwerdeverfahren wird klargestellt, dass sich die Ausage auf das Konsumverhalten vor der Polizeikontrolle bezieht. Der VGH sieht darin einen weiteren Beleg für die Gelegenlichkeit des Konsums und hält das Widerspruchsverfahren für offen, weil er eine mindestens 1 jährige Abstinenz seit der Fahrt für möglich hält. Vorläufiger Rechtsschutz wird aber im Rahmen einer Interessenabwägung verweigert, weil der Antragsteller eine rechtsfeindliche Gesinnung gezeigt und sich im Hinblick auf eine gebotene MPU nicht kooperativ verhalten habe.

* VGH München Beschluss vom 25.08.2011, 11 CS 11.1279

Wegen Besitz von Cannabis (270 Gramm Haschisch bei Hausdurchsuchung) wurde ein ärztliches Gutachten angeordnet. Der Antragsteller gab an, "bis zu täglich" konsumiert zu haben, den Konsum aber nach der Hausdurchsuchung eingestellt zu haben.
Zitat
Die Fragestellungen des Landratsamts wurden in dem Gutachten dahingehend beantwortet, dass ein die Kraftfahreignung ausschließender, regelmäßiger Cannabiskonsum vorliege, jedoch keine Abhängigkeit bestanden habe. Ergänzend führte der begutachtende Arzt u. a. aus, da die Abbauprodukte von Cannabinoiden - je nach Konsumintensität - noch eine bis mehrere Wochen nach der letzten Aufnahme im Urin ausgeschieden werden könnten, schließe ein negativer Urinbefund auch einen regelmäßigen Cannabiskonsum in den letzten Wochen vor der Gewinnung der Probe aus.

Nach Entzug der Fahrerlaubnis und erstinstanzlicher Versagung vorläufigen Rechtsschutzes stellte der VGH die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs im Rahmen einer Interessenabwägung hinsichtlich der Klassen B,BE wieder her, verweigerte sie aber hinsichtlicher der Klassen A und C,CE. Zum Zeitpunkt der VGH-Entscheidung war die verfahrensrechtiche Einjahresfrist abgelaufen.
Zitat
Über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in solchen Fällen auf der Grundlage einer von den Erfolgsaussichten des anhängigen Anfechtungsrechtsbehelfs unabhängigen Interessenabwägung zu befinden (BayVGH vom 9.5.2005, a.a.O., S. 22). Maßgebliche Richtschnur hat hierbei zu sein, mit welchen Gefahren eine einstweilige Wiederzulassung des Betroffenen zur motorisierten Verkehrsteilnahme einhergeht. Eine ihm günstige Entscheidung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann u. U. dann verantwortet werden, wenn er von sich aus Nachweise beigebracht hat, die seine Behauptung stützen, er habe die Fahreignung wiedererlangt bzw. werde sie demnächst wiedergewinnen (BayVGH vom 9.5.2005, ebenda).
Zu Gunsten des Antragsteller sprach neben dem unauffälligen Urinscreening im Rahmen des ärztlichen Gutachtens, dass er bereits an einem Drogenkontrollprogramm teilnimmt (bereits 2 negative Screenings).
Zitat
Um seine Arbeitsstelle zu erreichen und um die im Alltag ansonsten anfallenden Transportbedürfnisse erledigen zu können, genügt in aller Regel eine Fahrerlaubnis der Klasse BE. Gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A, C1(E) und C(E) spricht auch, dass das Führen hiervon erfasster Kraftfahrzeuge mit einem gesteigerten Gefahrenpotenzial einhergeht.


* VGH München Beschluss vom 26.09.2011, 11 CS 11.1427
Fahrt unter Alkoholeinfluss (0,92 Promille). Weiterhin soll eine Blutprobe für THC einen Wert von 8,1 ng/ml und für THC-COOH einen Wert von 57,3 ng/ml ergeben haben. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 6. Dezember 2010 wurde gegen den Antragsteller wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln eine Geldstrafe verhängt, weil er am Tag der Kontrolle in seinem Pkw 2 g Marihuana und in seiner Wohnung weitere 75 g Marihuana wissentlich und willentlich aufbewahrt habe. Ein Bußgeldbescheid wegen der Fahrt wurde ebenfalls rechtskräftig. Der Antragsteller bestreitet in der Anhörung jedoch, dass eine Blutprobe entnommen wurde (nur Atemalkoholmessung auf der Wache).Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen den Entzug der Fahrerlaubnis teilt der VGH die Zweifel, ob die untersuchte Blutprobe vom Antragsteller stammt.
Sollte sie aber von ihm stammen, so ergebe sich die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums jedoch daraus, dass der Antragsteller sich nicht auf einmaligen Probierkonsum berufen habe, woraus dann seine Ungeeignetheit folge.

Da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wegen der Zweifel an der Blutprobe als offen anzusehen sind, musste über den vorläufigen Rechtsschutzantrag im Rahmen einer Interessenabwägung entschieden werden. Hier sprachen sowohl die Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss wie der Fund erheblicher Mengen an Cannabisprodukten gegen den Antragsteller, so dass der Eilantrag auch in zweiter Instanz abgelehnt wurde.



* VGH München Beschluss vom 26.04.2012, 11 CS 12.650
Fahrt unter Einfluss von 5,5 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH am 30.09.11
Zitat
Polizeilicher Darstellung zufolge gab er nach erfolgter Belehrung an, zuletzt vor etwa drei Wochen Cannabis konsumiert zu haben. Später habe er diese Angabe dahingehend korrigiert, dass dieser Cannabisgebrauch ca. sechs Tage vor der Kontrolle stattgefunden habe.
In der Anhörung zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung machten die Bevollmächtigten u. a. geltend, ein mindestens zweimaliger - und somit gelegentlicher - Konsum von Cannabis sei nicht nachweisbar und werde bestritten.Das vorläufige Rechtsschutzverfahren gegen den Fahrerlaubnisentzug war in beiden Instanzen erfolglos. Soweit die Bevollmächtigten den Vorschlag unterbreiteten, der Antragsteller solle die Fahrberechtigung vorläufig gewährt werden unter der Auflage, sich dreimal wöchentlich einem Drogenscreening unterziehen, wurde dieses Ansinnen vom VGH zurückgewiesen, weil der Antragsteller nicht in der Lage wäre, die damit verbundenen Kosten zu tragen. "Zudem wäre die dem Wohnort des Antragstellers nächstgelegene Begutachtungsstelle für Fahreignung angesichts ihrer personellen Ausstattung nicht in der Lage gewesen, an einer dreimal wöchentlich unter ärztlicher Sichtkontrolle stattfindende Urinabgabe in der erforderlichen Weise mitzuwirken."

* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 82.09 Beschluss vom 12.11.09
Antragsteller hatte die nach Ansicht des OVG rechtmäßig angeordnete MPU bis zum Entzug nicht beigebracht. Bei offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens gegen die Entzugsverfügung wird im Rahmen einer Interessenabwägung die Wiederherstellung der aufschiebende Wirkung abgelehnt.

* OVG Münster 16 B 1443/13 Beschluss vom 17.12.2013
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung komme bei voraussichtlich rechtmäßigen Entziehungsbescheiden nur in Betracht, wenn die Kraftfahreignung zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederhergestellt ist.

* OVG Greifswald 1 M 142/06 Beschluss vom 19.12.2006(Quelle: verkehrslexikon.de)
Fahrt unter Einfluss von 6,7 ng/ml THC; 2,3 ng/ml THC-OH und 91,5 ng/ml THC-COOH (Blutprobe um 7:45 Uhr) führt zum Entzug der Fahrerlaubnis, obwohl der Antragsteller sich auf die Einmaligkeit des Konsums berufen hatte (allerdings 2 bis 3 Tage vor der Fahrt). Das vorläufige Rechtsschutzersuchen hat beim OVG erstmalig Erfolg. Das OVG sieht fehlendes Trennvermögen jedenfalls ab 2,0 ng/ml THC gegeben, hält einen gelegentlichen Konsum (der auch nach seiner Meinung die zweimalige Einnahme von Cannabis voraussetzt) aber nicht für erwiesen, da der THC-COOH-Wert unter 100 ng/ml geblieben ist. Zwar sei auch die korrigierte Einlassung, dass der Konsum am Vorabend vor 24:00 Uhr stattgefunden habe, angesichts der beiden hohen Werte unglaubwürdig, aber ein Konsum wenige Stunden vor der Fahrt lasse sich nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen widerlegen. Bei offenen Erfolgsaussichten des Widerspruchs ergebe eine Interessenabwägung, dass der Antragsteller weiter fahren dürfe, zumal ein Drogenscreening auf ihn zukomme und die Behörde ggf. einen Abänderungsantrag nach § 80 (7) VwGO stellen könne.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 02.01.2014, 03:06
Beitrag #19


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Rechtsprechung zu Verfahrensfragen: Allgemeines

Zur Bindungswirkung von strafgerichtlichen Entscheidungen nach § 3 StVG; Berücksichtigungsverbot bei laufendem Strafverfahren

* VGH Mannheim 10 S 306/07 Beschluss vom 24.07.07
Ein Ordnungswidrigkeiten-Verfahren nach § 24a StVG entfaltet gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde keine Sperrwirkung nach § 3 Abs.3 StVG.

* VGH München 11 CS 03.2433 Beschluss vom 14.10.2003 (Blutalkohol 2004, S. 561)
Fahrt unter Einfluss von 3,6 ng/ml THC und 78 ng/ml THC-COOH führt zu einem Strafbefehl, in dem neben einer Geldstrafe auch eine Geldbuße und 1 Monat Fahrverbot verhängt wurde. Der VGH sieht darin kein Hindernis, auf verwaltungsbehördlichem Weg die Fahrerlaubnis zu entziehen, da das Strafgericht die Eignung nicht positiv festgestellt habe. (Möglicherweise erfolgte hier die strafrechtliche Verurteilung nur wegen Drogenbesitzes neben einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG)

* VGH München 11 CS 06.118 Beschluss vom 20.11.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt im Februar 2005 unter Einfluss von 11 ng/ml THC und 64 ng/ml THC-COOH führte zunächst zu einem vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter, dann erfolgte aber nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit. Der VGH sieht darin kein Hindernis für die Fahrerlaubnisbehörde, die Kraftfahreignung zu überprüfen.

* VGH München 11 CS 09.1492 Beschluss vom 25.09.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Ein Entzug der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde ist auch dann möglich, wenn das Bußgeldverfahren nach § 24a StVG noch nicht abgeschlossen ist. Die Nichtgewährung von Akteneinsicht im Bußgeldverfahren stellt keinen Mangel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar.

* VGH München 11 ZB 09.591 Beschluss vom 21.07.2010
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisenden Urteil in einem verwaltungsbehördlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren wurde abgelehnt, nachdem in der Zwischenzeit ein strafgerichtlicher Entzug wegen der Anlassfahrt unter Cannabiseinfluss erfolgte und rechtskräftig wurde.

* OVG Münster 16 B 711/12 Beschluss vom 25.06.12:
kein verwaltungsbehördlicher FE-Entzug mehr, wenn Strafgericht die Wiedererlangung der Kraftfahreignung nach einer § 316 StGB-Fahrt festgestellt hat

* OVG Münster 19 B 862/04 Beschluss vom 21.07.2004 (Quelle: verkehrslexikon.de) auch: Blutalkohol 2006, S. 253.
Keine Bindung an das Strafurteil, wenn lediglich ein Fahrverbot verhängt wurde, aber Feststellungen zur Kraftfahreignung nicht ausdrücklich getroffen wurden, auch wenn das nach der StPO hätte erfolgen müssen.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 11.12.2007, 12 ME 360/07
Kein Berücksichtigungsverbot wegen eines Verfahrens nach § 29 Betäubungsmittelgesetz. Während eines laufenden Strafverfahrens nach § 316 StGB kein Entzug der Fahrerlaubnis. Ein gleichwohl ausgesprochener Entzug darf aber nach Ansicht des OVG nicht aufgehoben werden.
Zitat
10 Gleichwohl kann der Antragsteller mit seinem Begehren nach Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht durchdringen. Die Feststellung, dass ein Verwaltungsakt im Beurteilungszeitpunkt rechtswidrig ist, besagt noch nichts darüber, ob der sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Hauptsacheverfahren ergebende Aufhebungsanspruch unter besonderen Umständen ausgeschlossen ist. Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung handelt es sich bei § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG um eine der Durchsetzung des materiellen Rechts dienende Verfahrensvorschrift. Verstöße gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen sind aber gemäß § 46 VwVfG (i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) unbeachtlich, wenn sie ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache gewesen sind (Bay.VGH, Beschluss vom 14.2.2006 - 11 CS 05.1210 -, juris). Das ist hier der Fall, denn der Antragsgegner ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, nach Einstellung des Strafverfahrens die Fahrerlaubnis des Antragstellers aus den vom Verwaltungsgericht genannten zutreffenden Gründen, die auch der Antragsteller nicht in Zweifel zieht, (erneut) auszusprechen. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs in dem Rechtsgrundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ oder unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhangs begründet sieht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 58). Unter diesen Umständen besteht auch kein Anlass, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.


* OVG Koblenz 10 B 10371/06.OVG Beschluss vom 10.05.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Ein Entzug der Fahrerlaubnis kann nicht alleine mit gelegentlichem Konsum begründet werden, solange wegen der Frage des Trennvermögens ein Strafverfahren anhängig ist, welches zum Entzug der Fahrerlaubnis führen kann.

* OVG Magdeburg 3 M 575/08 Beschluss vom 16.10.2009(Quelle: verkehrslexikon.de)
Beschlüsse in einstweiligen Rechtsschutzsachen müssen keinen Tatbestand enthalten, solange die wesentlichen Umstände in den Entscheidungsgründen mitgeteilt werden. Verurteilt der Strafrichter nur wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG, nicht aber nach den angeklagten Tatbeständen der §§ 315c,316 StGB, so hat das keine Bindung der Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 StVG zur Folge.

Vorrang eines Entzugsverfahrens vor der Anordnung eines Aufbauseminars:
* OVG Bremen 1 B 23/10 Beschluss vom 20.04.2010
Fahrt unter Einfluss von 9 ng/ml THC und 90 ng/ml THC-COOH am 27.03.2009 führt einerseits zu einem Bußgeldbescheid, der die Anordnung eines besonderen Aufbauseminars seitens der Fahrerlaubnisbehörde zur Folge hat, andererseits 2 Monate danach noch zur Anordnung eines ärztlichen Gutachtens zur Klärung der Konsumform. Im abgegebenen Gutachten wird einerseits von einem am 25.08.09 festgestellten THC-Wert von 1,2 ng/ml berichtet, andererseits von einem 10 bis 20 maligen Konsum im Jahr 2009. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der nach erfolglosem Widerspruch gegen die Fahrerlaubnisentziehung am 05.01.2010 erhobenen Klage wiederherzustellen, hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Das OVG sieht gelegentlichen Konsum ohne Trennvermögen als gegeben. Daran könne auch der Besuch des besonderen Aufbauseminars nicht ändern. Die Behörde hätte allerdings vor der Anordnung des Seminars das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren durchziehen müssen und das Seminar nur im Falle der Nichtentziehung anordnen dürfen (bzw. als Voraussetzung für eine Neuerteilung nach Entzug).

Zweite Probezeitmaßnahme ist keine Zusicherung, auf einen Entzug der Fahrerlaubnis zu verzichten:

* VGH München 11 CS 08.2319 Beschluss vom 02.02.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Zitat
Der Verwarnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2007 enthält wörtlich folgenden Hinweis: "Bei weiteren Verstößen nach Ablauf der Frist von zwei Monaten, für die Teilnahme an einer verkehrspsychologischen Beratung innerhalb der Probezeit, ist die Fahrerlaubnis zu entziehen (§ 2 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG)."
Dieser Hinweis wird vom VGH als Hinweis auf die Rechtslage bei Probezeitverstößen, aber nicht als behördliche Zusicherung gewertet, auf eine Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 StVG zu verzichten.

Verwertbarkeit von Polizeiprotokollen bei fehlender Belehrung nach § 136 StPO bzw. Beweisverwertungsverbot nach § 136 a StPO

* VGH München 11 CS 08.3046 Beschluss vom 05.03.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Fahrt um 17:10 unter Einfluss von 2,4 ng/ml THC und 51 ng/ml THC-COOH. Antragsteller hatte nach positivem Urintest gegenüber den kontrollierenden Polizeibeamten angegeben, zwei Tage vorher gegen 20:00 Uhr einen Joint geraucht zu haben. Im gerichtlichen Verfahren bestreitet er nicht, diese Aussage gemacht zu haben, aber ihre inhaltliche Richtigkeit. Dass er erst um 18:00 Uhr von den Polizeibeamten über seine Rechte als Betroffener belehrt wurde, führt nach Ansicht des VGH nicht dazu, dass diese Aussage nicht verwertet werden darf.

* OVG Lüneburg Beschluss vom 27.10.2000, 12 M 3738/00
Vorläufiger Rechtsschutz gegen den Fahrerlaubnisentzug, der sich auf regelmäßigen Konsum in der Vergangenheit und die laut MPU-Gutachten nicht wiedergewonnene Kraftfahreigung stützt, wurde auch zweitinstanzlich verweigert. Das MPU-Gutachten sei auch insoweit verwertbar, als es sich auf Polizeiprotokolle stützt, bei denen ggf. ein Beweisverwertungsverbot nach § 136 a StPO besteht.

Zur Wohnsitzfrage bei Zustellungen

* OVG Münster 16 E 1300/11 Beschluss vom 26.09.12(Quelle: verkehrslexikon.de)
Prozesskostenhilfe für die verspätet erhobene Klage wird auch zweitinstanzlich verweigert. Eine Zustellung an die bisherige Wohnanschrift ist rechtswirksam, auch wenn ein längerer Klinikaufenthalt angetreten wird. Eine Wohnungsaufgabe muss nicht nur der Absicht des Umziehenden entsprechen, sondern auch für jeden mit den Verhältnissen vertrauten erkennbar sein.

fehlende Anhörung vor dem Entzugsbescheid

* OVG Münster 16 B 1333/13 Beschluss vom 16.12.2013
Dass der Antragsteller vor dem Entziehungsbescheid nicht angehört wurde, spielt keine Rolle, wenn keine andere Entscheidung getroffen werden konnte.

Verfahrensfehler beim VG, Begründungspflicht für die Beschwerde

VGH München 11 ZB 09.1022 Beschluss vom 11.08.2009 (2. Entscheidung im verlinkten Verkehrsportal-Beitrag)
Eine Nichtvernehmung des Polizeibeamten oder des Klägers als Partei über eine Aussage des Klägers, 3 Tage vor der Kontrolle Cannabis konsumiert zu haben, ist nur dann ein Verfahrensmangel, wenn vor dem Verwaltungsgericht entsprechende Beweisanträge gestellt wurden.

* VGH München Beschluss vom 17.05.2010, 11 CS 10.317
Das VG hatte gelegentlichen Konsum damit begründet, dass zwischen dem eingestandenen Konsum und der Fahrt noch ein weiterer Konsumakt stattgefunden haben muss, um den THC-Wert erklären zu können. Die im Beschwerdeschriftsatz enthaltene Behauptung "Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war der Antragsteller als gelegentlicher Konsument von Cannabis einzustufen" ist bereits in sich widersprüchlich. Wenn man davon ausgeht, dass in dieser Behauptung ein "nicht" fehlt, so fehle in dem Schriftsatz eine Begründung für diese These und eine Auseinandersetzung mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts.

* VGH München Beschluss vom 20.09.2010, 11 CS 10.1964
Die Beschwerde wurde vom VGH als unzulässig verworfen, weil nur Vortrag aus der ersten Instanz wiederholt wurde und sie somit den gesetzlichen Anforderungen an eine Beschwerdebegründung nicht entsprach.

* VGH München Beschluss vom 21.11.2011, 11 CS 11.2247
Fahrt gegen 13:00 Uhr unter Einfluss von 3,7 ng/ml THC und 28 ng/ml THC-COOH. Gegenüber der Polizei wurde angegeben, am Vorabend einen Joint geraucht zu haben. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren blieb in beiden Instanzen erfolglos: die Behauptung in der Beschwerdeschrift, es liege nur einmaliger Probierkonsum vor und der Antragsteller sei nicht über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt worden, lasse die Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beschluss vermissen.

* VGH München Beschluss vom 20.03.2012, 11 CS 12.89
Fahrt mit Atemalkoholtestergebnis 0,05 mg/l, THC-Wert 13 ng/ml und THC-Carbonsäurewert 47 ng/ml. Das eingeholte äG bescheinigte dem Antragsteller, dass er derzeit keine Betäubungsmittel oder andere psychoaktiv wirkende Substanzen einnehme. Der Antragsteller habe jedoch einen drei mal wöchentlichen Cannabiskonsum im Zeitraum der Fahrt eingeräumt. Einen Tag nachdem das VG einen vorläufigen Rechtsantrag gegen den erfolgten Fahrerlaubnisentzug abgelehnt hatte, reichte der Bevollmächtigte einen neuen Schriftsatz ein mit der abschließenden Bemerkung
Zitat
"Da das Gericht zwischenzeitlich durch Beschluss den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen hat, mögen vorstehende Ausführungen als Anhörungsrüge bzw. als sonstiger statthafter Rechtsbehelf behandelt werden."

Das VG wies die Anhörungsrüge als unstatthaft zurück, der VGH verwarf die Beschwerde als unzulässig, weil sie innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nicht in einer den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise begründet wurde.

* VGH München Beschluss vom 30.03.2012, 11 CS 12.361
Fahrt unter Einfluss von 2,5 ng/ml THC um 14:00 Uhr. Angabe, am Vorabend (nur) einen Joint geraucht zu haben. Die Beschwerde gegen die ablehnende Eilentscheidung des VG wurde vom VGH als unzulässig verworfen, da sie nicht entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO begründet wurde, sich insbesondere nicht ausreichend mit der Schlussfolgerung des VG auseinandergesetzt hat, dass der Konsum am Vorabend den THC-Wert nicht erklären kann. Die Behauptung, die Schlussfolgerung sei wissenschaftlich unhaltbar, genüge nicht.


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(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 02.01.2014, 03:52
Beitrag #20


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Rechtsprechung zu Verfahrensfragen bei ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Untersuchungen

Tilgung der berauschten Fahrt im VZR während einer laufenden MPU-Frist:
* OVG Berlin-Brandenburg OVG 1 S 18.12 Beschluss vom 21.03.12(auch zu finden auf verkehrslexikon.de)
Zur Frage, ob ein Schluss auf die Nichteignung bei Nichtvorlage eines MPU-Gutachtens zulässig ist, wenn zwischen Anordnung und Fristende der MPU die Tilgung der Anlasstat im Verkehrszentralregister erfolgt:
Zitat
Dass die sich aus § 29 StVG ergebende Tilgungsfrist vor dem Ende der Beibringungsfrist am 1. November 2011 abgelaufen war, ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - unschädlich, da nach Maßgabe des materiellen Rechts auf den Zeitpunkt der Gutachtenanordnung abzustellen ist.


Frist zur Erklärung des Einverständnisses mit einer MPU/einem ärztlichen Gutachten bzw. für die erste Untersuchung

* OVG Lüneburg Beschluss vom 11.07.2003, 12 ME 250/03
Das OVG geht anscheinend davon aus, dass es einer Verweigerung der Begutachtung gleichkommt, wenn man innerhalb der gesetzten Frist sein Einverständnis mit einer MPU/einem äG nicht erklärt. Diese Frist kann aber verlängert werden. Im entschiedenen Fall wurde das Einverständnis allerdings ausdrücklich innerhalb der Frist verweigert.
Die Fristsetzungen sind keine Verwaltungsakte.


* OVG Münster 16 B 114/09 Beschluss vom 15.05.2009
Zitat
15 Unabhängig vom Vorstehenden ist die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 27. Oktober 2008 auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragstellerin die Nichtvorlage eines ärztlichen Gutachtens über eine Blutuntersuchung nicht angelastet werden kann und mithin nicht den Schluss auf das Fehlen der Fahreignung ermöglicht. In der Begutachtungsaufforderung des Antragsgegners vom 15. September 2008, die der Antragstellerin am 18. September 2008 zugestellt worden ist, ist ihr für die Vorlage des Begutachtungsergebnisses eine Frist von 20 Tagen ab Zustellung eingeräumt worden. Der mehrfach wiederholte und optisch hervorgehobene Hinweis auf die Notwendigkeit einer Blutentnahme innerhalb von acht Tagen ist demgegenüber nicht als eine eigenständige Fristsetzung zu verstehen, sondern wird - gleichfalls mehrfach - lediglich als Voraussetzung für die Einhaltung der 20-Tage-Frist für die Vorlage des Gutachtens benannt. Angesichts dieser Information musste die Antragstellerin, nachdem sich ihre Mutter erst am 29. September 2008 wegen einer Terminsabsprache beim Antragsgegner gemeldet hatte, zwar damit rechnen, dass sie selbst im Falle einer unverzüglichen Blutentnahme die Frist für die Vorlage des Gutachtens möglicherweise nicht mehr würde einhalten können. Ihr musste aber aufgrund der ihr vom Antragsgegner gegebenen Informationen nicht vor Augen stehen, dass nur eine Blutentnahme binnen acht Tagen ein aussagefähiges Bild über ihren Drogenkonsum vermitteln konnte und es sich daher - nach der Vorstellung des Antragsgegners - um eine selbstständige zwingende Frist gehandelt hat. Der Antragstellerin kann gleichfalls nicht angelastet werden, dass sie nach der telefonischen Unterrichtung durch den Antragsgegner am 29. September 2008 keine weiteren Bemühungen unternommen hat, möglichst schnell eine Begutachtung in die Wege zu leiten. Denn der Antragsgegner hatte ihr deutlich zu erkennen gegeben, dass nach dem Ablauf der 8-Tage-Frist für die Blutabnahme eine Begutachtung nicht mehr anerkannt werden würde.
Beschluss auf verkehrslexikon.de


* OVG Münster 16 B 749/07 Beschluss vom 03.12.2007
Zitat
Auch ist die dem Antragsteller gesetzte Frist eindeutig bestimmt und angemessen. Sowohl der Fristbeginn (Tag der Zustellung) als auch die innerhalb der Frist vorzunehmende Handlung (Nachweis "durch Abgabe einer Blut und Urinprobe") sind unzweideutig umschrieben. Angesichts der relativen Kurzlebigkeit des für die Häufigkeit des Cannabiskonsums aussagekräftigen THC-COOH-Wertes und des relativ geringen Untersuchungsaufwandes für den Antragsteller war auch keine großzügiger bemessene Frist zu setzen, wenn die Untersuchung ihrem Zweck genügen sollte.



Die Fragestellung, die in einer Begutachtung zu klären ist
* VGH Mannheim 10 S 319/10 Beschluss vom 20.4.10
Auch wenn der VGH ein ärztliches Gutachten zur Klärung der Konsumform (Verdacht auf regelmäßigen Konsum) im vorliegenden Fall für grundsätzlich rechtmäßig hält, wurde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, denn
Zitat
Die Anordnung der genannten Gutachten kann in der Fassung, wie sie bei Erlass des Widerspruchsbescheids zugrunde zu legen war, nicht als rechtmäßig angesehen werden kann. Denn die Schreiben des Regierungspräsidiums enthalten keine konkrete Fragestellung; die ursprüngliche Fragestellung in der Gutachtensanordnung des Landratsamts steht hingegen nicht mehr im Einklang mit dem dem Antragsteller mitgeteilten Begutachtungsanlass und mit der Art der geforderten Gutachten


* VGH München 11 CS 05.801 Beschluss vom 27.07.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Fahrt am 25.05.2002 unter Einfluss von 51,1 ng/ml THC; 33,5 ng/ml THC-OH und 143,8 ng/ml THC-COOH, nach der der Antragsteller apathisch am Steuer seines Wagens sitzend angetroffen wird, führt zur Anordnung einer MPU. Wegen eines USA-Aufenthalts wird das Verfahren eingestellt, aber nach zeitweiser Rückkehr nach Deutschland und Beantragung eines neuen Führerscheins wird am 11.10.04 eine neue MPU nur mit Drogenfragestellung angeordnet, obwohl anlässlich des Auffindens nach der Fahrt der Verdacht auf ein Anfallsleiden bestand. Das vorläufige Rechtschutzersuchen gegen den wegen Nichtbeibringung erfolgten Entzug bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der VGH entscheidet allerdings auf Grundlage einer Interessenabwägung, da er der Meinung ist, vor einer MPU müsse mittels ärztlichem Gutachten geklärt werden, ob der Antragsteller wegen eines Epilepsieleidens nicht ungeeignet sei, und er deshalb die Anordnung einer Drogen-MPU für verfrüht und damit fehlerhaft hält. Im Rahmen von ärztlichen Gutachten könne auch die Frage geklärt werden, ob der Antragsteller die nötige Cannabis-Abstinenz einhalte.

* VGH München Urteil vom 12.03.2012, 11 B 10.955
Hier hatte der VGH nicht nur eine neue Rechtsprechung zum Mischkonsum von Cannabis und Alkohol zu begründen versucht (die in einem späteren Fall nicht vom BVerwG gebilligt wurde), sondern sich intensiv mit verfahrensrechtlichen Fragen auseinandergesetzt.
Auch wenn das ganze Urteil lesenswert ist, sind die folgenden Ausführungen von allgemeinem Interesse:
Zitat
Sofern dies nach Lage des konkreten Falles nicht auf der Hand liegt, muss die Behörde gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV insbesondere bestimmen, ob sich die Begutachtung nur auf die Frage eines Verlusts der Fahreignung durch den Betroffenen oder ausschließlich auf die etwaige Wiedererlangung dieser Eigenschaft oder aber auf beide Gesichtspunkte erstrecken soll. Das gilt namentlich dann, wenn die Bejahung bzw. Verneinung dieser beiden Gegebenheiten von der Erfüllung unterschiedlicher Voraussetzungen abhängt. Ebenfalls der Fahrerlaubnisbehörde obliegt es nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV, zu bestimmen, ob der Betroffene einen Abstinenznachweis erbringen muss, auf welche Art und Weise (z.B. durch die Untersuchung von Körperflüssigkeiten oder durch Haaranalysen) und in welchem Umfang das zu geschehen hat, und welche Anforderungen (z.B. Vorkehrungen gegen Manipulationsversuche) beachtet worden sein müssen, damit die Behörde derartige Nachweise als aussagekräftig anerkennt. Dass all diese Entscheidungen nicht dem vom Betroffenen zu beauftragenden Arzt oder der von ihm einzuschaltenden Begutachtungsstelle für Fahreignung überlassen werden dürfen, folgt bereits daraus, dass sie nur auf der Grundlage einer zutreffenden Erfassung der Rechtslage sachrichtig getroffen werden können. Rechtsfragen zu beantworten aber ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen, sondern der hierzu berufenen Entscheidungsträger. Die Einschätzung der Fahrerlaubnisbehörde, nicht aber diejenige der die Begutachtung durchführenden Personen ist (vorbehaltlich einer abweichenden Auffassung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit) z.B. dafür ausschlaggebend, ob und welcher der in der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführten Tatbestände verwirklicht ist, und ob aufgrund der Erfüllung dieses Tatbestands von einem feststehenden Verlust der Fahreignung ausgegangen werden darf oder hieraus nur Eignungszweifel resultieren. Vorbehaltlich der Letztentscheidungskompetenz der Gerichte obliegt es ferner der Fahrerlaubnisbehörde, darüber zu befinden, ob eine Person in rechtlicher beachtlicher Weise geltend gemacht hat, es sei bei ihr zu einem Verhaltenswandel gekommen, der - falls er tatsächlich stattgefunden hat - ggf. nach dem Ablauf einer bestimmten Zeit zur Wiedererlangung der Fahreignung führt, oder ob unabhängig hiervon hinreichende Anhaltspunkte für eine solche Entwicklung vorliegen. Ebenfalls allein die Fahrerlaubnisbehörde kann die Ermessensentscheidung treffen, ob der Frage einer etwaigen Wiedererlangung der Fahreignung, sofern zur Aufklärung dieses Gesichtspunkts Veranlassung besteht, bereits in dem Verwaltungsverfahren nachgegangen wird, in dem über eine Entziehung der Fahrerlaubnis des Betroffenen zu befinden ist, oder ob die Überprüfung dieses Aspekts einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorbehalten bleibt (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Handhabung dann, wenn seit dem Zeitpunkt, ab dem der Betroffene ein Verhalten praktiziert, das ggf. zur Wiedererlangung der Fahreignung führt, noch kein Jahr verstrichen ist, BayVGH vom 9.5.2005 BayVBl 2006, 18/21). Da Fahreignungsbegutachtungen dazu dienen, der Behörde tragfähige Grundlagen für die von ihr zu treffende Entscheidung zur Verfügung zu stellen, ob einer Person die Fahrerlaubnis zu erteilen oder zu entziehen ist, kann - vorbehaltlich der sich aus der Rechtsordnung, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergebenden Einschränkungen - nur sie bestimmen, welche Nachweise in welcher Zahl erforderlich sind, um den zuständigen Amtsträgern den erforderlichen Grad an Gewissheit zu verschaffen. Gleiches gilt für die näheren Modalitäten einer solchen Nachweisführung, sofern sie nicht zum selbstverständlichen Standard fahrerlaubnisrechtlicher Begutachtungen gehören.


* VGH München Beschluss vom 04.02.2013, 11 CS 13.22
Der VGH ordnet die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs an wegen rechtlich nicht haltbarer Fragestellungen bei einer komplexen Drogen-, Alkohol- und psychotischer Problematik. Dass einzelne Fragestellungen rechtmäßig sein könnten, sei unbeachtlich, da dem Antragsteller eine solche Aufteilung nicht zugemutet werden könne und er damit rechnen müsse, dass das Institut auch die nicht zulässigen Fragestellungen beantwortet.


Zur Frage der Begutachtung bei (vorübergehendem) Wohnsitz im Ausland
* VGH München 11 CS 05.801 Beschluss vom 27.07.2005 (Quelle: verkehrslexikon.de)
Fahrt am 25.05.2002 unter Einfluss von 51,1 ng/ml THC; 33,5 ng/ml THC-OH und 143,8 ng/ml THC-COOH führt zur Anordnung einer MPU. Wegen eines USA-Aufenthalts wird das Verfahren eingestellt, aber nach zeitweiser Rückkehr nach Deutschland und Beantragung eines neuen Führerscheins wird am 11.10.04 eine neue MPU angeordnet. Als diese nicht beigebracht wird, entzieht die Behörde die Fahrerlaubnis. Das vorläufige Rechtschutzersuchen bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der VGH entscheidet allerdings auf Grundlage einer Interessenabwägung, da er die Fragestellung der Begutachtung für fehlerhaft hält. Dass der Antagsteller eine Wohnsitzverlagerung nach Asien plane, könne dabei nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, da sein vorläufiger Rechtsschutzantrag dafür spreche, dass er auch weiterhin in Deutschland am Straßenverkehr teilnehme wolle.

* VGH München 11 CS 05.1579 Beschluss vom 04.09.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
Fahrt unter Einfluss von 2,2 ng/ml THC und 17 ng/ml THC-COOH. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren gegen den wegen Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens erfolgten Fahrerlaubnisentzug bleibt in beiden Instanzen ohne Erfolg. Der Antragsteller trägt vor, er sei wegen mehrere USA-Aufenthalte bei seinem schwer erkrankten und später verstorbenen Vater verhindert gewesen, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Der VGH folgt dieser Argumentation aber nicht, da der Antragsteller im vorliegenden Fall sich während seiner Aufenthalte in Deutschland nicht genügend um die Fertigstellung des ärztlichen Gutachtens (es ist nur zu einem einzigen Urinscreening gekommen) gekümmert hat.

* OVG Münster 16 B 1106/12 Beschluss vom 29.10.12:
kein Cannabisfall, aber der folgende Satz ist bemerkenswert:
Zitat
Obgleich diese Voraussetzungen vorlagen, weil der Antragsteller am 28. März 2011 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Amphetaminen (in einer Konzentration von 128 ng/ml) geführt hatte, kann der Antragsteller möglicherweise einwenden, dass er der Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens deshalb nicht habe nachkommen können, weil er sich aus beruflichen Gründen in der Schweiz aufgehalten habe.


Wiederholung einer Begutachtung bei Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei den Abstinenznachweisen

* OVG Münster 16 B 820/13 Beschluss vom 02.12.2013:
Das OVG verpflichtet die Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zur vorläufigen Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, nachdem der Antragsteller, der schon vor einem Jahr ein positives Eignungsgutachten vorgelegt hatte, neue Abstinenznachweise beigebracht hatte. Gegenüber der die alten Abstinenznachweise ausstellenden Ärzte waren Manipulationsvorwürfe in anderen Fällen erhoben worden. Eine erneute vollständige Begutachtung wäre nach Ansicht des OVG unverhältnismäßig gewesen, die entsprechende Aufforderung war wegen fehlender neuer Fristsetzung fehlerhaft und ihr Zugang war auch streitig.

Fehlende Mitwirkung bei mehrfach verdünnten Urinproben anzunehmen

* VGH München 11 ZB 06.178 Beschluss vom 02.07.2007
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil wird abgelehnt, nachdem zweimal zu niedrige Kreatin-Werte im Rahmen eines wegen Drogenbesitzes (im vorliegenden Fall harte Drogen) angeordneten Urinscreenings festgestellt wurden und die Behörde daraufhin die Fahrerlaubnis entzogen hatte.

Zum Kreis der Ärzte, die ein ärztliches Gutachten erstellen dürfen:

* VGH München 11 CS 06.1350 Beschluss vom 07.12.2006 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)Beschluss auf der Homepage der Landesanwaltschaft
Der Beschluss enthält einige Bemerkungen zum Kreis der Ärzte, den die Behörde für eine Begutachtung zulassen darf, die die Landesanwaltschaft in dem folgenden Leitsatz zusammengefasst hat:
Zitat
Verstöße gegen die Anforderungen, die bei der Erstellung verkehrsmedizinischer Gutachten beachtet werden müssen (wird ausgeführt), sind dann besonders häufig zu beobachten, wenn derartige Ausarbeitungen von Ärzten im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV (Facharzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation) stammen. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV eröffnet aber der Verwaltung die Möglichkeit, den Kreis der Ärzte, die ein Betroffener mit der verkehrsmedizinischen Begutachtung betrauen darf, auf Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 FeV), auf Ärzte mit der Gebietsbezeichnung „Facharzt für Rechtsmedizin“ (§11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 FeV) und/oder auf Ärzte in Begutachtungsstellen für Fahreignung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV zu beschränken (wird ausgeführt).


* VGH München 11 CS 08.346 Beschluss vom 07.03.2008
Entscheidung zum Kreis der Ärzte, die von der Fahrerlaubnisbehörde für ein Gutachten zugelassen werden können (allerdings bei einem Konsum von Psilocybin-Pilzen).

Verschiedene Fehler in der Gutachtensanordnung, Widersprüchlichkeit bezüglich Urinscreenings:
* OVG Lüneburg 12 LB 64/13 Urteil vom 15.04.2014
Fahrt unter Einfluss von 5,8 ng/ml THC und 69 ng/ml THC-COOH führt zur Anordung eines ärztlichen Gutachtens. Der nach Vorlage eines Gutachtens angeordnete Fahrerlaubnisentzug wird wegen Fehler bei der Gutachtensanordnung sowohl vom VG als auch vom OVG als rechtswidrig eingestuft:
Die Behörde hatte in der Gutachtensanordnung sich widersprüchlich zu der Frage verhalten, ob neben der angeordneten Blutanalyse noch eine Urinabgabe erforderlich war. Letztere wurde vom Kläger verweigert, ebenso Angaben zu seinem Konsumverhalten in einem Explorationsgespräch. Inwieweit die formalen Mängel bei der Gutachtensanordnung zur Rechtswidrigkeit des Fahrerlaubnisentzuges führen, hat das OVG offen gelassen:
Zitat
50 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Untersuchungsanordnung vom 7. Juli 2011 bzw. das Verfahren insgesamt nicht den formellen Anforderungen genügte. Der Beklagte hat dem Kläger nicht nach § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV mitgeteilt, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Der Beklagte hat den Kläger nicht aufgefordert, ihn darüber zu unterrichten, welche Stelle er - der Kläger - mit der Untersuchung beauftragt hat (§ 11 Abs. 6 Satz 3 FeV). Der Beklagte hat auch nicht nach § 11 Abs. 6 Satz 4 FeV der untersuchenden Stelle mitgeteilt, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind, und ihr nicht die vollständigen Unterlagen, soweit sie unter Beachtung der gesetzlichen Verwertungsverbote verwendet werden dürfen, übersandt. Stattdessen hat der Beklagte dem Kläger aufgegeben, das Anordnungsschreiben vom 7. Juli 2011 mit dem Formular zum Begutachtungsauftrag (Bl. 71 VV) der Untersuchungsstelle vorzulegen. Der Beklagte ist damit nicht in der von § 11 Abs. 6 FeV und der Anlage 15 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorgesehenen Weise „Herr“ des Begutachtungsverfahrens geblieben und hat insofern auch seine Mitverantwortung für die rechtskonforme Ausgestaltung dieses Verfahrensabschnitts nicht getragen (vgl. dazu Bay. VGH, Beschl. v. 28.9.2006 - 11 CS 06.732 -, juris Rdn. 23). Die Annahme des Beklagten, allein der Betroffene sei dafür verantwortlich, ein Gutachten erstellen zu lassen, welches die geforderte Sachverhaltsaufklärung und die Beantwortung der behördlichen Fragestellung beinhalte, trifft so nicht zu.

51 Der Senat hat bislang offengelassen, ob die Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung auch davon abhängt, dass die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahrerlaubnisinhaber mitteilt, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (Beschl. d. Sen. v. 19.6.2013 - 12 ME 33/13 -, juris; vgl. auch Hess. VGH, Urt. v. 26.5.2011 - 2 B 550/11 -, VRS 121, Nr. 86; BayVGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 -, ZfSch 2013, 177). Nicht geklärt ist auch, ob die (weiteren) hier begangenen Verfahrensfehler etwa - wie der Beklagte meint - nach § 46 VwVfG unbeachtlich sein könnten. Diese Fragen bedürfen auch aus Anlass des vorliegenden Falls keiner abschließenden Entscheidung.


Der nötige Hinweis auf das Akteneinsichtsrecht vor Versendung an das Untersuchungsinstitut
* OVG Lüneburg Beschluss vom 19.06.2013, 12 ME 33/13
Das OVG hält die Erfolgsaussichten der Klage für offen, weil in der Gutachtensaufforderung der Hinweis fehlte, dass die an das Untersuchungsinstitut zu versendenden Akten eingesehen werden können.
Zitat
In der Rechtsprechung ist u.a. geklärt, dass es zu den an eine Aufforderung zur Gutachtenbeibringung zu stellenden Mindestanforderungen zählt, dass die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene ihr entnehmen können muss, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag (vgl. zu § 15b Abs. 2 StVZO a. F. BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 - 3 C 13.01 -, DAR 2001, 522, juris, Rdn. 25; ferner Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 11 FeV, insbes. Rdn. 9, 19). Ob die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung zur Gutachtenbeibringung auch davon abhängt, dass die Fahrerlaubnisbehörde - wie in § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV vorgesehen, was hier aber fehlt - dem Fahrerlaubnisinhaber mitteilt, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann, ist umstritten (bejahend VG Osnabrück, Beschl. v. 7.3.2011 - 6 B 19/11 -, juris, Rdn. 13; Bay. VGH, Beschl. v. 28.9.2006 - 11 CS 06.732 -, juris, Rdn. 22; verneinend Hess. VGH, Urt. v. 26.5.2011 - 2 B 550/11 -, ESVGH 61, 243, juris, Rdn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschl. v. 26.4.2012 - 6 L 488/12 -, juris, Rdn. 33 f. m.w.N.; offengelassen OVG NRW, Beschl. v. 3.12.2007 - 16 B 749/07 -, VD 2008, 44, juris, Rdn. 13 ff.; vgl. auch Bay. VGH, Beschl. v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 -, juris, Rdn. 10 ff., der unterscheidet, ob der Fahrerlaubnisinhaber durch eine Einsicht in die zu übersendenden Unterlagen einen anderen Kenntnisstand erlangen könne oder nicht) und bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren. Insoweit stellt sich die Frage, ob die - vom Hessischen VGH (Urt. v. 26.5.2011 - 2 B 550/11 -, ESVGH 61, 243, juris, Rdn. 5 ff.) und vom VG Düsseldorf (Beschl. v. 26.4.2012 - 6 L 488/12 -, juris, Rdn. 33 f. m.w.N.) vertretene - Auffassung, bei § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV handele es sich um eine reine Ordnungsvorschrift, mit dem Regelungs- und Schutzzweck der Vorschrift zu vereinbaren ist. Soweit die Antragsgegnerin einwendet, im vorliegenden Fall der Anordnung eines ärztlichen Gutachtens sei eine Übersendung von Unterlagen weder notwendig noch üblich, bleibt zu klären, ob dies in tatsächlicher Hinsicht zutrifft und - bejahendenfalls - ob dies mit § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV in Einklang zu bringen ist (dazu im Einzelnen OVG NRW, Beschl. v. 3.12.2007 - 16 B 749/07 -, VD 2008, 44, juris, Rdn. 13 ff.).


* OVG Münster 16 B 749/07 Beschluss vom 03.12.2007
Das OVG hält die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens wegen des fehlenden Hinweises auf das Einsichtsrecht in die zu übersendenden Unterlagen für offen.


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(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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Beitrag 15.01.2014, 01:19
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Rechtsprechung zu Grundsatzfragen

* Unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol

* BVerwG 3 C 3.13 Urteil vom 23.10.2014:
Zitat
3. Ohne Erfolg macht der Kläger eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Alkohol- und Drogenkonsum geltend.

50 In der Revisionsbegründung wird nicht näher ausgeführt, worin dieser Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegen soll. Der erstinstanzlichen Klagebegründung ist zu entnehmen, dass der Kläger den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und die daraus nach seiner Auffassung resultierende Verfassungswidrigkeit von § 24a Abs. 2 StVG - um die es hier freilich nicht geht - wohl darin sieht, dass der in § 24a Abs. 1 StVG bestimmte Grenzwert für Alkohol von 0,5 Promille einen Sicherheitszuschlag wegen möglicher Messwertungenauigkeiten enthalte, wogegen das bei Cannabis nicht der Fall sei. Dieser Einwand des Klägers geht indes schon deshalb fehl, weil der Grenzwert von 1 ng/ml THC, der bei der Verfolgung des Fahrens unter Cannabiseinfluss als Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG zugrunde gelegt wird, ebenfalls einen Sicherheitszuschlag enthält. Das ist dem bereits erwähnten Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007 zu entnehmen.

51 Den weiteren Einwand, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, dass der Gesetzgeber in § 24a Abs. 2 StVG das Verbot des Fahrens unter Einfluss bestimmter Drogen an eine Nullwertgrenze knüpfe, dagegen das Verbot des Fahrens unter Alkohol in § 24a Abs. 1 StVG vom Erreichen bestimmter Grenzwerte abhängig mache, hat das Bundesverfassungsgericht bereits zurückgewiesen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - NJW 2005, 349 <350>). Der Umstand, dass sich bei bestimmten Drogen - darunter Cannabis - anders als beim Alkohol die Dosis-Wirkung-Beziehung derzeit nicht quantifizieren lasse, sei so gewichtig, dass die unterschiedliche Regelung sachlich gerechtfertigt sei (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 a.a.O.). Diese Wertung ist aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht auf das Recht der Gefahrenabwehr übertragbar. Auch das abstrakte Gefährdungsdelikt des § 24a StVG soll - wie auch das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung betont - der Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr dienen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 a.a.O.). Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den vom Normgeber mit § 24a Abs. 2 StVG ursprünglich verfolgten „Null-Toleranz-Ansatz“ durch eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift dahin gehend modifiziert, dass eine THC-Konzentration vorhanden gewesen sein muss, die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Verkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war (BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 a.a.O. S. 349). Hiervon ist auch für die Anwendung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 auszugehen.

52 Schließlich steht dem behaupteten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG entgegen, dass die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung von Cannabis- und Alkoholkonsum auf der unterschiedlichen Bewertung des mit dem jeweiligen Konsum verbundenen Gefährdungspotenzials in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung beruht, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergeben. Dass der dort zugrunde gelegte medizinisch-toxikologische Kenntnisstand mittlerweile überholt ist, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen.


* VGH München 11 CS 04.1767 Beschluss vom 30.05.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
* VGH München 11 CS 05.43 Beschluss vom 20.06.2005 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)
* VGH München 11 CS 08.1545 Beschluss vom 07.01.09 (Entscheidungsauszug auf Verkehrsportal)
Der Beschluss erörtert auch einige andere verfassungsrechtliche bzw. Grundsatz-Fragen (Parallelität von Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot; Mangelndes Trennvermögen bereits bei einmaliger Missachtung; Gelegentlichkeit bereits beim zweiten Konsumakt)

* OVG Hamburg 3 So 147/06 Beschluss vom 20.11.2007 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de)

* Parallelität von Entzug der Fahrerlaubnis und Fahrverbot
* VGH Mannheim 10 S 1642/05 Beschluß vom 12.09.05
Parallelität des Entzugs der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG und des Fahrverbots nach § 24a, 25 StVG verfassungsgemäß. Beschluss auch zu finden in Blutalkohol 2006, S. 512 ff. und auf fahrerlaubnisrecht.de

* OVG Magdeburg 3 M 575/08 Beschluss vom 16.10.2009(Quelle: verkehrslexikon.de)
Beschlüsse in einstweiligen Rechtsschutzsachen müssen keinen Tatbestand enthalten, solange die wesentlichen Umstände in den Entscheidungsgründen mitgeteilt werden. Verurteilt der Strafrichter nur wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG, nicht aber nach den angeklagten Tatbeständen der §§ 315c,316 StGB, so hat das keine Bindung der Fahrerlaubnisbehörde nach § 3 StVG zur Folge. Entzug der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG und Fahrverbot nach § 24a StVG bilden zusammen keine verbotene Doppelbestrafung.


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Anwendung der Rechtsprechung auf fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (Mofas, Fahrräder)

* VGH München 11 CS 08.1188 Beschluss vom 01.09.2008
Der Antragsteller, der über keine Fahrerlaubnis verfügte, führte am 21.05.2007 ein Mofa unter Einfluss von 1,9 ng/ml THC und 5,7 ng/ml THC-COOH und wurde am 24.06.2007 als Beifahrer eines PkW mit einem THC-Wert im Nachweisbereich unter 1,0 ng/ml und einem THC-COOH-Wert von 5,1 ng/ml angetroffen. Nach Nichtvorlage des danach angeforderten MPU-Gutachtens untersagte die Fahrerlaubnisbehörde das Führen fahrerlaubnisfreier Mofas und verlangte die Ablieferung seiner Mofa-Prüfbescheinigung. Das vorläufige Rechtsschutzbegehren hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Da § 3 (2) FeV auf die §§ 11 bis 14 FeV verweise, seien hier dieselben Maßstäbe anzulegen wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge.


* OVG Hamburg 3 Bs 72/05 Beschluss vom 20.06.05 (Quelle: fahrerlaubnisrecht.de) Beschluss auf verkehrslexikon.de
Die Grundsätze für den Entzug der Fahrerlaubnis gelten auch für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge wie Mofas.



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RSS Vereinfachte Darstellung Aktuelles Datum: 23.11.2024 - 22:50