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> "Andere Länder können das besser...", MPU gibt es angeblich nur in D, wie gehen andere Länder damit um?
MsTaxi
Beitrag 11.11.2020, 12:37
Beitrag #1


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Hallo,

so, jetzt muss ich ernst mal ein längeres Vorwort schrieben, bevor ich zum eigentlichen Threadthema komme...

Am Wochenende fuhr ich einen Kunden, der vor etwa sechs Wochen seine FE los wurde, weil er mit 1,9‰ rausgezogen worden war. Dass er alles andere als begeistert war, fand ich verständlich. Aber dann ging es los: "MPU gibt es doch nur in Deutschland. Typisch. Es geht nur ums Geld. In anderen Ländern ist das viiiieeeeel besser geregelt."

Als er dann bei sich zuhause vom Taxi wegwankte, fragte ich mich: "Kann an dieser Stammtischparole was dran sein? Cum grano salis sozusagen?" think.gif

Erste Recherchen lassen das Gegenteil dieser Parole vermuten. Aber man hört diesen Mist ja immer wieder... Tja, uns hier im VP sind die Fakten ja lieb und wert, also möchte ich folgendes vorschlagen: Wir erstellen einen Thread und tragen zusammen, was in anderen Ländern, europäisch und außereuropäisch. in Sachen Konsequenzen für Trunkenheitsfahrten mit Alkohol oder Drogen als Konsequenz üblich ist. Wer was weiß, trägt was bei, und am Ende der ganzen Sache haben wir dann idealer Weise eine Art virtuelles Flugblatt, das man im Board pinnen und ggfs. darauf verweisen kann.

Macht ihr mit? Erkenntnisse aus Leben in anderen Nationen, aus Kontakten beruflicher und privater Natur sind willkommen. Wer sich selbst die Arbeit nicht machen will, zu versuchen, eine Belegquelle zu finden, kann mir eine PN schicken, ich versuche dann mein Bestes. Wenn ich nix finde, geht es auch ohne (ausnahmsweise mal nur) hoffe ich.

Ach ja, falls das Thema im MPU-Unterforum dplatziert sein sollte, bitte ich einen unserer fähigen Mods, einen geeigneten Stellplatz zu finden und das Ganze zu verschieben.

LG MsTaxi wavey.gif


Ich fange mal an mit

Großbritannien

Definition Alkoholfahrt: BAK von 0,8 ‰, in Schottland BAK von 0,5 ‰

Möglichkeit haben, ein Auto zu fahren im betrunkenen Zustand, definiert als „im Auto sitzen oder in der Nähe des Autos sein und die Schlüssel dabei haben“
bis zu 3 Monate Freiheitsstrafe
bis zu 2.500 Pfund
Führerscheinentzug möglich

Trunkenheitsfahrt:
bis zu 6 Monate Freiheitsstrafe
Geldstrafe in Abhängigkeit vom Einkommen, aber max. unbegrenzt
mindestens 1 Jahr Führerscheinentzug (im Wiederholungsfall binnen 10 Jahre nach der ersten Tat) 3 Jahre

Fahrlässige Tötung während einer TF
bis zu 14 Jahre Gefängnis
Geldstrafe, maximal unbegrenzt
bis zu 2 Jahre Führerscheinentzug

Weitere Folgen für alle Arten von TF:
deutliche Erhöhung der Kfz-Versicherung
bei Berufskraftfahrern wird der Arbeitgeber verständigt
eventuelle Probleme in den USA einen Leihwagen zu bekommen, da eine Art Säuferbalken im Führerschein eingetragen wird.

Edit: Noch eins, eine Diskussion über eventuelle Zusammenhänge zwischen Trinkkultur in einem Land und etwaigen Effekten auf den Strafkatalog will hier ich nicht intendieren!


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"Das Problem beim Klartext reden in Sachen Alkohol und Drogen besteht darin, dass der, der zuhört, gern weghört, wenn er noch nicht bereit für den Klartext ist."
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GerhardNL
Beitrag 11.11.2020, 13:35
Beitrag #2


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Gut, dann mache ich mal weiter mit Schweden:

Definition Trunkenheitsfahrt ("rattfylleri"): BAK von 0,2 ‰, oder Atemalkohol 0,1 mg/l, oder höher.

Folgen:
Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder Geldstrafe (zw. 30 und 150 Tagessätze)
Fahrerlaubnisentzug mit mindestens einem Jahr Sperrfrist
bei einer BAK von max. 0,3 ‰ kann in Ausnahmefällen auf den Fahrerlaubnisentzug verzichtet werden (Ersttäter, der zugleich einsichtig ist und auf den FS angewiesen ist)

Schwere Trunkenheitsfahrt ("grovt rattfylleri"): BAK von 1,0 ‰ oder höher.
Mindestens 1 Jahr und bis zu 2 Jahren Freiheitsstrafe (wird aber in der Regel als Art Hausarrest mit elektronischer Fußfessel abgedient)
Fahrerlaubnisentzug mit mindestens 2 Jahren Sperrfrist
Vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis muss eine erfolgreich abgeschlossene Alkoholtherapie nachgewiesen werden.

Fahrlässige Tötung während einer TF, unabhängig von der BAK
bis zu 8 Jahre Gefängnis
Fahrerlaubnisentzug mit mindestens 2 Jahren Sperrfrist

Weitere Folgen für alle Arten von TF:
deutliche Erhöhung der Kfz-Versicherung (man wird wie ein Fahranfänger eingestuft)
bei Sperrfrist von mehr als einem Jahr sind vor einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis neue Fahrprüfungen abzulegen.

Sonderregelung Alkoholschloss:
Die Sperrfrist kann um bis zu zwei Jahre verkürzt werden durch Einbau eines sog. Alkoholschlosses ins Fahrzeug. Damit kann der Motor nur gestartet werden, wenn unmittelbar vorher "geblasen" wurde und die gemessene AAK nicht über 0,1 mg/l liegt.

Voraussetzungen für die Teilnahme am Alkoholschloss-Programm:
Die Teilnahme muss bei der Fahrerlaubnisbehörde beantragt werden
Es liegt keine Alkoholabhängigkeit vor
Im Führerschein wird eine entsprechende Einschränkung vermerkt, während der Teilnahme darf nur das eigene Fahrzeug mit Alkoholschloss gefahren werden
Sämtliche Messwerte werden im Schloss gespeichert und alle paar Monate ausgelesen. Ist da ein einziger "Treffer" dabei, wird das Programm beendet
Einbau, Ausbau und Auswertung des Alkoholschlosses gehen auf Kosten des Betroffenen.

MfG
Gerhard


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GerhardNL
Beitrag 11.11.2020, 15:18
Beitrag #3


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Niederlande:

In den Niederlanden gelten unterschiedliche Regeln für Fahranfänger und erfahrene Fahrer. Als Fahranfänger zählt jeder, der noch nicht mindestens 5 Jahre lang im Besitz einer Fahrerlaubnis ist.

Definition Trunkenheitsfahrt: BAK von 0,5 ‰ (bei Fahranfängern 0,2 ‰) oder höher.

Folgen:
Bußgeld ab € 300 bis € 1100 gestaffelt
Bei mehr als 1,3 ‰ (Fahranfänger 0,8 ‰) Fahrverbot 2-24 Monate oder Entzug der Fahrerlaubnis gemäß richterlicher Entscheidung
Bei mehr als 2,3 Strafverfahren, Tagessätze, Haftstrafe oder unbezahlte Zwangsarbeit ("taakstraf"), Entzug der Fahrerlaubnis

Bei mehr als 0,8 ‰ (Fahranfänger 0,5 ‰) zusätzlich:
LEMA ("Lichte Educatieve Maatregel alcohol en verkeer") wird angeordnet:
Kurs zum Thema Alkohol und Straßenverkehr.
Zwei Kurstermine von je 3,5 Stunden im Abstand von einer Woche.
Kosten ca: € 650
Nicht-Teilnahme führt zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Bei mehr als 1,0 ‰ (Fahranfänger 0,8 ‰) oder bei erster Wiederholungstat innerhalb von 5 Jahren zusätzlich:
EMA ("Educatieve Maatregel alcohol en verkeer") wird angeordnet:
Intensivkurs zum Thema Alkohol und Straßenverkehr.
Ein ganztägiger und zwei halbtägige Kurstermine, gefolgt von einem persönlichen Auswertungsgespräch.
Kosten ca: € 1050
Nicht-Teilnahme führt zum Entzug der Fahrerlaubnis.

Bei mehr als 1,8 ‰ (Fahranfänger 1,3 ‰), oder bei zweiter Wiederholungstat innerhalb von 5 Jahren zusätzlich:
Entzug der Fahrerlaubnis, falls nicht ohnehin schon entzogen
"Onderzoek naar uw alcoholgebruik" wird angeordnet:
Medizinisch-psychiatrische Untersuchung ähnlich der deutschen MPU
Kosten ca: € 1250
Die Fahrerlaubnisbehörde entscheidet anhand des Untersuchungsergebnisses, ob die Fahrerlaubnis wieder erteilt werden kann.

MfG
Gerhard


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Gast_Panzerkroete_*
Beitrag 15.11.2020, 15:16
Beitrag #4





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Dann mache ich mal mit Spanien weiter, das steht auf Wikipedia nämlich falsch. Außerdem liebe ich Spanien cool.gif

Alkohol:
Definition TF ( tasa de alcoholemia ):
0.5 Promille BAK oder 0.25 mg/l AAK für normale Kraftfahrer
0.3 Promille BAK oder 0.15 mg/l AAK für Fahranfänger (weniger als zwei Jahre Fahrpraxis) oder Berufskraftfahrer

Geldstrafe bei erstem Verstoß: 500 Euro und vier Punkte (ab 12 gesammelten Punkten ist der Lappen weg)
Die vier Punkte werden nach zwei Jahren wieder gelöscht

Geldstrafe bei jedem weiteren Verstoß: 1000 Euro und sechs Punkte
Die sechs Punkte werden nach drei Jahren wieder gelöscht.

Eine Straftat ist das ganze ab 1.2 Promille BAK oder 0.6 mg/l AAK.
Geahndet wird das mit drei bis sechs Monaten Freiheitsstrafe (in Wiederholungsfällen bis zu zwölf) oder alternativ 30 bis 90 Tage gemeinnütziger Arbeit.
Dazu kommt der Entzug der Fahrerlaubnis und eine Sperrfrist von einem bis zu vier Jahren.

In Spanien ist es verpflichtend, einen von der Polizei geforderten AAK-Test zu machen. Weigert man sich, so drohen sechs bis zwölf Monate Gefängnis, sowie ein Entzug der Fahrerlaubnis und eine Sperrfrist von ein bis vier Jahren.

Drogen:

Bei nachgewiesener Einnahme 1000 Euro und sechs Punkte
Falls dazu noch eine aktive Rauschwirkung hinzukommt, ist das auch eine Straftat. Hier ist das Strafmaß identisch mit einer TF ab 1.2 Promille. Ebenso muss man einen Drogentest zustimmen. Verweigert man einen solchen, so hat das die gleichen Folgen wie die Verweigerung eines AAK-Tests.

Eine MPU gibt es in Spanien nicht. Generell gibt es aber auch keine unbegrenzt gültige Fahrerlaubnis, sondern nach einer gewissen Zeit (zehn Jahren) muss diese neu erworben werden. Hierzu muss eine kleine Prüfung erneut abgelegt werden, diese ist allerdings viel leichter als die beim Ersterwerb.

Noch zu den Punkten. Man kann (wie in Deutschland auch) Punkte durch Teilnahme an bestimmten Seminaren abbauen. Man kann einmal in zwei Jahren so einen Kurs besuchen und der Kurs löscht dann sechs Punkte. So ein Kurs kostet knapp 200 Euro. Eine Prüfung gibt es nicht. Ich weiß gerade nicht, ob ein Entzug der Fahrerlaubnis das Punktekonto löscht.

Wenn man wegen zwölf Punkten seinen Lappen abgeben musste, dann muss ein spezieller Kurs zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis belegt werden. Dieser kann frühestens sechs Monate nach Erreichen der zwölf Punkte-Marke belegt werden. Erreicht man zum wiederholten Mal zwölf Punkte, so muss zwölf Monate gewartet werden.

Dieser Kurs kostet knapp 300 Euro. Hier muss auch eine Abschlussprüfung bestanden werden. Wenn man die Prüfung beim ersten Mal nicht besteht, muss man ein zusätzliches vierstündiges Seminar besuchen und kann dann den zweiten und dritten Versuch starten. Besteht man zum dritten Mal nicht, so gilt der Kurs als nicht bestanden und man muss ihn komplett neu machen.

Quellen: Direccíon General de Tráfico und Ministerio del Interior
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