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> BuK zu: Umfang der medizinischen Untersuchung, Leberwerte bei Drogen-MPU?
Hornblower
Beitrag 17.09.2021, 10:55
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Die BuK lassen sich recht differenziert zur Vorgehensweise auch bei der medizinischen Untersuchung aus. So findet sich in den einleitenden Überlegungen zu diesem Thema im Kap. 8.3.1.2 "Die medizinische Untersuchung in der MPU" folgende Passage:

Zitat
Die ärztlichen Untersuchungsbefunde tragen im interdisziplinären Prozess zur Hypothesengewinnung und Hypothesenprüfung bei. Der Umfang der medizinischen Untersuchung im Rahmen eines solchen interdisziplinären Vorgehens hat sich jedoch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientieren. Der Umfang der medizinischen Untersuchung muss sich aus dem Anlass für die Begutachtung ableiten und begründen lassen. So stellte etwa eine routinemäßige Überprüfung von Leberwerten zum Ausschluss eines Alkoholabusus bei Verkehrsteilnehmern, die mit Cannabis aufgefallen sind, ein Übermaß dar.

Aus diesem Grund sind im Kriterium MFU 1 Übersichten aufgenommen worden, die den anlassbezogenen Mindestumfang der medizinischen Untersuchung darstellen. Eine Erweiterung im Einzelfall kann durchaus sinnvoll und angezeigt sein, bedarf jedoch einer individuellen Begründung.


Wie schon oft dargestellt, geben die BuK Mindeststandards und generelle Vorgehensweisen vor, lassen aber immer Bewegungsspielraum, um auf individuelle Faktoren des Probanden einzugehen. Leitprinzip der BuK ist stets ein verhältnismäßiges Vorgehen bei der Auswahl der Untersuchungsmethoden; bemerkenswert in diesem Fall ist insbesondere die explizite Erwähnung und Bewertung des Beispiels der Leberwert-Befundung bei der weichen Droge Cannabis als unverhältnismäßig.

Genau dieses Leitprinzip findet sich dann auch wieder in der Formulierung des Kriteriums MFU 1 zur Hypothese „Medizinische Fahreignungsuntersuchung“ (MFU):
Zitat
Die Untersuchung erfolgt anlassbezogen gemäß der Fragestellung und lege artis. Sie orientiert sich in ihrem Umfang an definierten Mindeststandards, die abhängig von der individuellen Vorgeschichte erweitert werden können.

Die Indikatoren 1 bis 3 zu diesem Kriterium beschreiben, welche Vorgeschichtsdaten für das Gutachten herangezogen werden dürfen, und wie mit ihnen umzugehen ist. Indikator 4 unterstreicht noch einmal die grundsätzliche Denkweise:

Zitat
Umfang und Inhalt der Untersuchung sind der Fragestellung und dem Untersuchungsanlass angemessen. Weitergehende nicht anlassbezogene Befunde werden nicht gezielt erhoben. Werden andere fahreignungsrelevante Erkrankungen vom Klienten berichtet, wird dies im Gutachten aufgeführt, ohne das eine Bewertung der Symptomatik oder der Relevanz für die Fahreignung vorgenommen wird.

Schlagend ist hierbei explizit der Kontraindikator (1) (und auch die folgenden drei, hier nicht zitierten Kontraindikatoren zielen in entsprechende Richtung):

Zitat
Es werden bei Drogenauffälligkeiten in der Vorgeschichte routinemäßig auch alkoholsensible Laborparameter erhoben.


Aber: Mit entsprechender Begründung ist es dem Gutachter durchaus erlaubt, in Einzelfällen genauer hinzusehen! So geben die Indikatoren 7 und 8 ggf. nötige Handlungsmöglichkeiten:
Zitat
7. Der Umfang der Untersuchung […] richtet sich darüber hinaus nach dem individuellen Ausprägungsgrad […] der vorliegenden Problematik.
8. Einzelfallbezogen erfolgt ggf. eine ergänzende, dem individuellen Status angepasste Erweiterung des Untersuchungsumfangs, so kann z.B. bei Hinweisen auf […] eine gravierende Alkoholvorgeschichte eine Erweiterung des Untersuchungsumfangs ggf. auf den Reflexstatus und die Prüfung der Sensibilität [sic!] erfolgen.


Selbst im Beispiel einer "gravierenden Alkoholvorgeschichte", sofern nicht Fragestellungs-relevant, ist nicht von Leberwerten die Rede, sondern von Reflexstatus und Sensibilität!

Tabelle 7 definiert den Mindestuntersuchungsumfang bei Fragestellungen im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit, Tabelle 9 den Mindestuntersuchungsumfang Drogenfragestellungen.
Während in Tabelle 7 die Leberwerte GOT, GPT und GGT explizit gefordert werden, ist in Tabelle 9 von Leberwerten nicht die Rede.
Selbst der Indikator 11, der sich mit Leberschädigungen im Zusammenhang mit Drogenkonsum befasst, zielt in eine andere Richtung als „Alkohol-Beifang durch Leberwerte“:
Zitat
Ergeben sich bei Klienten mit Drogenfragestellung Hinweise auf intravenösen Drogenkonsum, erfolgt zusätzlich eine orientierende Untersuchung der Leber zum Ausschluss drogeninduzierter Schäden (Vergrößerung, fibrotische Knoten bei Hepatitis, Zirrhose, Fibrose).



Hervorhebungen und Unterstreichungen in den BuK-Zitaten sind von mir. Mein Dank gilt Lotte 2, die mich auf entsprechende Auszüge aus den BuK hingewiesen hat.


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Interessante Links: Alkohol-Abstinenznachweise Cut-Offs Haar-Analyse Cannabis VP-Abbau-Statistik Maastricht-Diagramme Amphetamine Kokain MPU-Beratung
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"Gendern" - dat is, wenn dem Sachsen sein Boot umkippt.
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