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> BUK 4. Auflage: V-Hypothesen, Strafrechtliche Auffälligkeit im und/oder außerhalb des StVs
Herbie56
Beitrag 26.03.2023, 11:04
Beitrag #1


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Die V-Hypothesen kommen zum Tragen bei
- einem erheblichen Verkehrsverstoß
- wiederholten Verstößen gegen Vorschriften
- einer erheblichen oder wiederholten Straftaten, die im § 11 Abs. 3 Nr. 4-7 ( „Aggressionspotential“ ) aufgeführt sind
- wiederholten Auffälligkeiten in der Probezeit
- ab 8 Punkten im FAER
- Abklärung bei Personenbeförderungsschein

Bei der fachlichen Ein- und Beurteilung des delinquenten Verhaltens spielt das „Dreieckskontinuum“ aus
- Impuls- und Selbstkontrolle
- sozialer Anpassung
- Affektregulation
eine entscheidende Rolle.

Die jeweiligen Symptomabgrenzungen lassen sich nach folgenden Unterscheidungsmerkmalen gegeneinander abgrenzen:
- Generalisierbarkeit ( Auswirkung auf unterschiedliche Lebensbereiche )
- Stabilität in zeitlicher Hinsicht resp. Änderungsresistenz
- Ausprägungsgrad und handlungsbezogene Funktionalität ( Auswirkung auf Art, Schwere, Anzahl des delinquenten Verhaltens )

Die „hierarchisch“ aufgebauten V-Hypothesen erinnern an die Darstellung der substanzgebundenen Hypothesen, wobei hier der Focus weniger auf der klinischen Diagnostik als auf forensisch bedeutsamen Beeinträchtigungen der Impulskontrolle und Anpassungsfähigkeit liegt.

Sämtliche V-Hypothesen sind mit „N“ gekennzeichnet, da kein Kurs zur (Wieder)Eignung führt.


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Herbie56
Beitrag 26.03.2023, 11:49
Beitrag #2


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V1: Ausgeprägte Störung der sozial-emotionalen Entwicklung

V1 liegt vor, wenn die Auffälligkeiten auf eine generalisierte Persönlichkeitsstörung der sozialen und emotionalen Entwicklung zurückzuführen ist.

Dieses kann als gesichert angesehen bei
- fremddiagnostizierter Anpassungs-, Kontrollstörung ( z.B. ICD 10 F 43.2, 63 )
- Vorliegen einer ausgeprägten und persistierenden Dissozialität ( ohne Hinweise auf eine dissoziale Persönlichkeitsstörung )
- Vorliegen einer ausgeprägten Impulskontrollstörung mit Aggressionsdurchbrüchen oder einer schwerwiegenden Aggressionsneigung als Ausdruck einer generalisierten Störung der Sellbstregulation

Voraussetzungen für eine positive Prognose:

In der Regel wird eine qualifizierte Therapie erwartet, die mehrheitlich keine verkehrspsychologische Ausrichtung haben sollte.
Diese soll das Ziel haben, einen Veränderungsprozess -trotz einer hohen Änderungsresistenz- anzustoßen, zu begleiten und abzuschließen.
Am Ende dieser Entwicklung muss folgendes gesichert sein:
- Keine antisoziale Einstellung mehr
- Einhaltung relevanter sozialer Normen und gesetzlicher Bestimmungen

Vor der MPU sollte die veränderte Einstellung und das adäquate Verhalten erfolgreich über einen längeren Zeitraum umgesetzt worden sein, idR 12 Monate.
In besonders günstig gelegenen Fällen können auch 6 Monate ausreichen.

Ohne Therapie kann frühestens nach 24 Monaten die MPU angetreten werden, in Ausnahmefällen bei geringer und (!) zeitlich begrenzter Problemausprägung können auch 15 Monate ausreichen.


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Herbie56
Beitrag 26.03.2023, 11:51
Beitrag #3


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V2: Verminderte Kontroll- und Anpassungsfähigkeit

V2 liegt vor, wenn aufgrund verminderter Kontroll- und Anpassungsfähigkeit vermehrt oder erheblich gegen verkehrs- und/oder strafrechtliche Bestimmungen verstoßen wurde.

Diese Einordnung ist vorzunehmen, wenn folgendes aus der Vorgeschichte abzuleiten ist:
1. Das Fehlverhalten konnte auch nach massiven negativen Konsequenzen nicht angepasst werden und/oder zeugt von ausgeprägter Rücksichtslosigkeit.

Einige Beispiele sind hier aufgeführt:
- Wiederholungstäter
- „illegales Autorennen“ ( §315d )
- „erhebliche Behinderung von Rettungskräften“ ( § 323c )
- „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen“ ( § 201a )

2. Impulsiv-aggressive Ausbrüche zur Durchsetzung eigener Ziele, ohne die Schutzbedürftigkeit und/oder Interessen anderer wahrzunehmen.
( Erhöhte Impulsivität ohne Diagnose „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“ F 60.3 )

Einige Beispiele sind hier angeführt:
- Nötigung
- rücksichtsloses Überholen
- Körperverletzungsdelikte
- eklatante Vorfahrtsverstöße

3. Auffälligkeiten sind nicht funktional motiviert, sondern handlungsbegleitend ( z.B. Fahrspaß ), instrumentell ( z.B. soziale Anerkennung ) oder bewältigungsbezogen ( z.B. Kompensation von Anspannung ).

Einige Beispiele sind hier aufgeführt:
- „Poser“
- vorsätzliche „Geisterfahrer“
- „S-Bahn-Surfer“

4. Begehen von Verkehrsauffälligkeiten (!), um Erwartungen anderer ( z.B. Peergroup, Arbeitgeber ) zu erfüllen.

Einige Beispiele sind hier aufgeführt:
- Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten, Höchstgewichtgrenzen
- Muprobe mit riskanten Fahrmanövern

5. Gesetzliche Regeln und gesellschaftliche Normen werden generell als persönliche Einschränkung erlebt.
Exekutive und Behörden werden grundsätzlich abgelehnt.

Voraussetzungen für eine positive Prognose:

Die Gründe für die Auffälligkeiten wurden idR mit therapeutischer Unterstützung als persönliche Anteile ( internale Verantwortungszuschreibung ) erkannt und ein angemessenes Problembewusstsein wurde entwickelt.
Vormals ungünstige Lebensumstände wurden verändert.

Diese verbesserte Anpassungsfähigkeit wurde über einen ausreichend langen Zeitraum erprobt und als zufriedenstellend erlebt.
Diese Zeit muss mit einer therapeutischen Maßnahme mindestens 3 Monate, ohne mindestens 6 Monate betragen.


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Herbie56
Beitrag 26.03.2023, 11:53
Beitrag #4


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V3: Punkteverstöße

V3 liegt vor, wenn aufgrund fehlerhafter Bewertungsdispositionen ( z.B. Fehleinstellungen ) gegenüber Regelbeachtung bei verminderter Anpassungsbereitschaft und/oder problematischer Fahrverhaltensgewohnheiten vermehrt oder erheblich gegen verkehrs- oder ggf. auch strafrechtliche Bestimmungen verstoßen wurde.

1. Verhaltensgewohnheiten, die für die Verkehrssicherheit problematisch sind, wurden entwickelt und durch Verstärkungsprozesse bei inadäquater kognitiver Bewertung ( z.B. Selbstüberschätzung, verminderte Risikowahrnehmung ) aufrechterhalten.

2. Bestehende gesellschaftliche Normen und gesetzliche Regelungen wurden grundsätzlich akzeptiert, im Straßenverkehr aber nur unzureichend umgesetzt.

Voraussetzungen für eine positive Prognose:

Bei der Begutachtung sind -in der Regel mit verkehrspsychologischer Unterstützung- weitreichende Einstellungs- und Verhaltensänderungen eingetreten, die zu einer internalen Regelakzeptanz geführt haben.
Ausreichende Selbstkontrolle bei der Einhaltung von Verkehrsregeln ist auf diese Weise vorhanden, so dass Verhaltensvorsätze, die auch an den Sicherheitsinteressen anderer orientiert sind, zuverlässig umgesetzt werden.


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Beitrag 26.03.2023, 11:56
Beitrag #5


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Die letzten 2 Hypothesen werden hier relativ kurz behandelt, da mit ihnen aktenkundige Auffälligkeiten unter medizinischen Gesichtspunkten abgeklärt und auf ihre Verkehrsrelevanz geprüft werden sollen.


V4: Psychiatrische, neurologische oder sonstige körperlichen Störungen

Hier geht es z.B. um Demenz, Schädel-Hirntrauma oder auch spezielle für die Fahreignung relevante Medikation.
Während der Untersuchung dürfen sich keine Hinweise ergeben auf ADHS, „dissoziale Persönlichkeitsstörung“ ( F 60.2 ), „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“ ( F 60.3 ) oder „asthenische Persönlichkeitsstörung“ ( F 60.7 ).

V5: Psychophysische Leistungsmöglichkeiten oder Intelligenzminderung

Hier sollen objektive Verfahren zur Überprüfung der Wahrnehmungsleistung ( z.B. Überblick ), Reaktionsvermögen, Konzentration und Aufmerksamkeit angewendet werden. Die Ergebnisse dürfen entweder keine Normabweichungen zeigen oder diese in einer nur so geringen Ausprägung, dass die Verkehrssicherheit gegeben ist.
Voraussetzung ist ein IQ von 70, in der Fahrerlaubnisklasse D und für den P-Schein ein IQ von 85.


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Beitrag 28.03.2023, 07:53
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Hypothese V2 ergänzt.


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Herbie56
Beitrag 28.03.2023, 16:49
Beitrag #7


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Hypothese V3 ergänzt.


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Beitrag 30.03.2023, 16:02
Beitrag #8


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Hypothesen V4 und V5 ergänzt.


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