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> BayVGH: Fahrradfahrverbot unzulässig, § 3 FeV nicht bestimmt genug und unverhältnismäßig
mir
Beitrag 19.06.2023, 22:26
Beitrag #1


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Zum Verbot der Nutzung von nicht fahrerlaubnisbedürftigen Fahrzeugen (z.B. Fahrrad, E-Scooter) gibt es interessante Neuigkeiten.

Der BayVGH ist der Meinung, dass ein solches Verbot widerrechtlich sei.

Pressemitteilung des BayVGH

Urteilsbegründung:

BayVGH, Urteil vom 17. April 2023, Az.11 BV 22.1234

Danach ist der Verbotsbescheid rechtswidrig, da

Zitat
die Rechtsgrundlage des § 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), auf die sich die Untersagung stützt, nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.


Das Berufungsurteil ist m.W. nicht rechtskräftig, und der Freistaat Bayern hat Revision zum BVerwG angekündigt.


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„Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen.“ -- J. Goebbels

Die demokratiefeindliche Rechte praktiziert das erfolgreich. Was machen wir dagegen?
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randy1
Beitrag 20.06.2023, 09:44
Beitrag #2


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Das Verbot des führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wurde von den Behörden auch auf Krankenfahrstühle für Schwerbehinderte ausgedehnt.
Das ist aus meiner Sicht reine Willkür. Da habe ich in der Vergangenheit viele Beiträge im Forum geschrieben.
Wenn ein Schwebehinderter nach einem Kneipenbesuch mit 0,5 Promille mit seinem Krankenfahrstuhl nach Hause fährt, dann kann die Behörde in letzter Konsequenz die komplette Nutzung von angetriebenen Krankenfahrstühlen verbieten.
In der Vergangenheit gab es Urteile, wo in solchen Fällen die Gerichte Schwerbehinderte auf normale Rollstühle verwiesen haben.

Ich persönlich bin auch Schwerbehindert mit Merkzeichen G. Ich nutze mein Fahrrad als Krankenfahrstuhl, da ich größere Strecken nicht mehr laufen kann. Mit Anhänger kann ich auch größere Einkäufe nach Hause transportieren.
Ein Fahrradverbot wäre für mich brutale Willkür. Dann wäre ich praktisch hilflos und könnte in ein Altenheim umziehen. ranting.gif ranting.gif
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Jens
Beitrag 20.06.2023, 14:17
Beitrag #3


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Zitat (randy1 @ 20.06.2023, 10:44) *
Ein Fahrradverbot wäre für mich brutale Willkür.
Solange du nicht besoffen / unter Drogeneifluß fährst, droht doch keine Gefahr. Wozu also deine Aufregung? think.gif


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MsTaxi
Beitrag 20.06.2023, 14:41
Beitrag #4


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Naja, ich kann Randy da schon verstehen. Sein Krankenfahrstuhl soll eine körperliche Funktionsstörung kompensieren. Wenn man ihm diesen untersagen würde, wäre das gewissermaßen einem Gehverbot bei einem besoffenen Fußgänger gleichzusetzen. (Und wer mir jetzt mit "Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich" kommt, dem wünsche ich meine aktuellen Gehprobleme an den Hals. dry.gif )


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"Das Problem beim Klartext reden in Sachen Alkohol und Drogen besteht darin, dass der, der zuhört, gern weghört, wenn er noch nicht bereit für den Klartext ist."
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gruenerTeich
Beitrag 18.07.2023, 09:52
Beitrag #5


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Mittlerweile bekommt man vom BayVGH auch erfolgreich Eilrechtsschutz, wenn man sich gegen Fahrradfahrverbote oder vergleichbare Verbote wehrt (Beschluss v. 12.07.2023 – 11 CS 23.551)
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rome2023
Beitrag 18.07.2023, 14:11
Beitrag #6


Neuling


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Hier der entsprechende Link
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Docum...N-17192?hl=true
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gruenerTeich
Beitrag 18.07.2023, 17:22
Beitrag #7


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Ich habe mir die ergangenen Hauptsacheentscheidungen mal in der Tiefe zu Gemüte geführt.
Der elfte Senat des BayVGH hält die verfassungsrechtlichen Zweifel an § 3 FeV für wirklich gravierend. Ich weiß zwar nicht, warum der elfte Senat jetzt auf einmal diese Rechtsmeinung hat. Der letzte Richterwechsel fand wohl 2020 statt und es war nicht der Vorsitzende. Naja, egal.

Praktisch bedeutet dies, dass nahezu alle Fahrrad-MPU Anordnungen in Bayern hinfällig werden. Dies gilt auch für die Täter, die eine Tf mit dem Fahrrad begehen und dann zur MPU mit zusätzlicher Fragestellung nach Kraftfahreignung eingeladen werden.
Die Leute mit einer Untersagung des Führens von Fahrrädern dürften auch erfolgreich eine einstweilige Anordnung gegen die Untersagung tenoriert bekommen. Natürlich gilt das nur solange bis das BVwerG entscheidet.

Das wird noch interessant. Hoffentlich kommt die Entscheidung bei den bayerischen FEB schnell an. rolleyes.gif
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mir
Beitrag 19.07.2023, 02:26
Beitrag #8


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Der Meinungswechsel beim BayVGH dürfte auf das Urteil des BVerwG vom 04.12.2020 - BVerwG 3 C 5.20 zurückzuführen sein, in dem es in erster Linie darum ging, welche Tilgungsfrist für das Verbot fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge entscheidend ist. Dort Rn. 38:

Zitat
Näherer Überprüfung bedürfte aus Sicht des erkennenden Senats zudem, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind


Das war bei der Sache, über die das BVerwG zu entscheidend hatte, nicht ausschlaggebend, aber das Gericht hat damit deutlich dazu eingeladen, gegen solche Verbote zu klagen. Das ist also kein bayerischer Sonderweg, sondern anderswo ähnlich zu erwarten.


Letztlich gibt das wieder, was zumindest mir im Bauch schon immer gegrummelt hat: Wie kann es sein, dass für ein Fahrradverbot dasselbe Verfahren und dieselben Kriterien wie beim Kfz angewandt werden, obwohl die Gefahrenlage deutlich anders ist?


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Uwe W
Beitrag 19.07.2023, 04:07
Beitrag #9


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Zitat (rome2023 @ 18.07.2023, 14:11) *

Die Entscheidung, die in 2. Instanz nur noch das Radfahrverbot betraf, hätte meiner Meinung nach auch so gefällt werden müssen, wenn der VGH von der Gültigkeit des § 3 FeV ausgegangen wäre:

Ausgangspunkt waren

* eine Trunkenheitsfahrt (BAK 0,69 ‰) mit einem Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis (THC 17,9 ng/ml) und Amphetamin (29,3 ng/ml) am 25. November 2018
* eine weiteren Trunkenheitsfahrt (AAK 0,25 mg/l) mit einem E-Scooter am 29. März 2022

Die zweite Fahrt wäre mit einem Fahrrad ja erlaubt gewesen, die erste Fahrt wäre bezüglich der Alkoholisierung (die Behörde hatte die MPU-Anordnung auf § 13, nicht auf § 14 FeV gestützt) mit einem Fahrrad möglicherweise auch nicht verboten gewesen (d.h. es bleibt unklar, ob es nur wegen des Alkohols zu Ausfallerscheinungen auf einem Fahrrad gekommen wäre).

Unter diesen Umständen erschließt sich mir nicht, warum Tatsachen die Annahme rechtfertigen sollen, dass der Betroffene zum Führen eines Fahrrads ungeeignet sein soll. Insofern war die MPU-Anordnung meiner Ansicht nach ohnehin rechtswidrig.

Ob nach Alkfahrten mit mindestens 1,6 Promille auf einem Fahrrad eine MPU unzulässig ist, wird wohl erst das BVerwG entscheiden. Insofern wird es in der Mehrzahl der Fälle eine offene Rechtsfrage bleiben und die Verwaltungsgerichte (jedenfalls außerhalb Bayerns) müssten dann eine Güterabwegung treffen, ob sie die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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