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> BuK, 4. Auflage: M-Hypothesen, Dauermedikation und Medikamentenmissbrauch
MsTaxi
Beitrag 17.02.2024, 21:23
Beitrag #1


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Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Aspekte, wie die Fahreignung durch Medikamenteneinnahme gefährdet sein kann. Im Zweifel kann auch hier eine MPU angeordnet werden.

1. Hypothese: M1 Dauermedikation

Der Klient, der dauerhaft ein fahrsicherheitsrelevantes Arzneimittel einnimmt, ist nicht verkehrsrelevant beeinträchtigt. Er ist aufgeklärt und nimmt die Arzneimittel entsprechend der ärztlichen Verordnung ein (Compliance). Risikofaktoren, welche zu einer relevanten Verschlechterung der Leistungsfähigkeit führen können, werden angemessen vermieden (Adhärenz). Der Klient ist zudem in der Lage, eventuell auftretende Leistungsdefizite zu erkennen, und ist bereit, adäquat darauf zu reagieren.


Hierunter fallen alle Medikamente, die die Leistungsfähigkeit und damit die Fahreignung beeinträchtigen können oder aber Missbrauchs- und Suchtpotential haben, also auch ADHS-Medikamente oder THC-Medikamente.

Aufmerksam gelesen wird schnell klar, dass der in dieser Hypothese beschriebene Klient der ist, den man sich generell wünschen würde. Er kennt sich, seine Grunderkrankung und deren Auswirkungen auf seine Fahreignung genau so gut wie die Medikamente, die man ihm verordnet, deren Wirkungen und Nebenwirkungen. Alles die Fahreignung Gefährdende wird vermieden oder zumindest in den Entscheidungsprozess “Fahren ja - nein?” mit einbezogen. Auf dieses Ideal gilt bei den M-Kandidaten hinzuarbeiten.

Oben wurden THC-Medikamenten angesprochen. Auch Personen, die sich zunächst in Selbstmedikation versucht haben, dabei ins Visier als D-Fälle gerieten und jetzt eine THC-Medikation erhalten, können die Fahreignung wieder erlangen. Allerdings muss dabei zuvor sicher gestellt sein, dass die D-Hypothesen der BuK nicht greifen.

Im Zusammenhang mit der Hypothese M1 steht auch der Aspekt “Substitution und Fahreignung”. Diese würde ich nur auf besonderen Wunsch genauer darstellen, obwohl die gerade zur Zeit durch die Medien gehende Berichterstattung über Fentanyl und Drogenproduktion durch Kartelle befürchten lassen, dass hier eine Zeitbombe tickt, die uns irgendwann aus den Socken haut.



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MsTaxi
Beitrag 23.02.2024, 16:12
Beitrag #2


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Hypothese M2: Fehlgebrauch

Es liegt kein Fehlgebrauch psychoaktiver, fahrsicherheitsrelevanter Arzneimittel (mehr) vor. Der Klient hat die Ursachen des Fehlgebrauchs erkannt und aufgearbeitet, ist aufgeklärt und nimmt die Arzneimittel entsprechend der ärztlichen Verordnung ein (Compliance). Er ist zudem in der Lage, eventuell auftretende Symptomverschlechterungen und/oder Leistungsdefizite zu erkennen, und es ist nicht zu erwarten, dass er psychoaktive Arzneimittel außerhalb der medizinisch indizierten Therapie einnimmt.


Fehlgebrauch ist vom Einnahmefehler dadurch unterscheidbar, dass letzterer in der Regel einmalig oder aufgrund einer externen Fehlerquelle nur kurzfristig stattfindet. Beim Fehlgebrauch zeigt sich ein erkennbares Muster, welches eine willentliche Entscheidung erkennen lässt.

Fehlgebrauch tritt im wesentlichen auf
- als Dosierung eines psychoaktiv wirkenden Arzneimittels über das vom Arzt verordnete Maß hinaus. Dies geschieht im wesentlichen, weil Nebenwirkungen des Mittels als so positiv erlebt werden, dass sie verlängert oder verstärkt werden sollen.
- als Verringerung der eingenommenen Dosis. Hier werden ebenfalls oft Nebenwirkungen als verantwortlich benannt, die allerdings negativ empfunden werden. Ziel der Fehleinnahme ist hier weniger einen Rausch zu erleben, sondern echten oder überbewerteten Leidensdruck zu lindern. Im Zusammenhang mit diesem Fehlgebrauchsmuster muss auch die Gefahr gesehen werden, dass die Fahreignung verloren geht. Diese Gefahr ist vor allem dann gegeben, wenn die zu behandelnde Grunderkrankung die Fahreignung in Frage stellen könnte und aufgrund der eigenmächtigen Reduzierung der verordneten Dosis die Überhand gewinnt.

Zudem existiert als Möglichkeit noch die eigenmächtige Behandlung mit einem nicht ärztlich verordneten psychoaktiven Medikament. In diesem Fall ist, bevor die M-Hypothesen überprüft werden können, der Bereich der D-Hypothesen zu überprüfen.

Verdeutlicht werden soll dies an einem Beispiel:

Einem Patienten mit einer juristischen Vorbelastung wegen Cannabis muss sich einer Spondylodese (= Versteifung von Rückenwirbeln) unterziehen. Es zeigt sich postoperativ, dass der Patient unter Nervenschmerzen leidet. Wird er mit Gabapentin behandelt, was in diesem Fall eine Standardverordnung wäre, und seine Grunderkrankung bessert sich, wäre er im Zweifel ein Kandidat für die Hypothese M1. Sollte der Patient versuchen, das Gabapentin herunter zu dosieren, um einer möglichen Gewichtszunahme (= mögliche Nebenwirkung) zu entgehen, wäre M2 zu überprüfen.

Falls bei einer Kontrolle des Blutbildes Beikonsum von THC evident wird, wären dann vor M2 D1 bis D3 zu prüfen.



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MsTaxi
Beitrag 24.02.2024, 15:33
Beitrag #3


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Hypothese M3: Medikamentenabhängigkeit

Es lag eine Abhängigkeit von psychoaktiven, fahrsicherheitsrelevanten Arzneimitteln vor. Der Klient ist angemessen suchttherapeutisch behandelt, nimmt die psychoaktiv wirksamen Medikamente nicht mehr oder, falls medizinisch dringend indiziert, zuverlässig nur in der verordneten Menge und Frequenz ein. Wurden auch nicht verordnete BtM oder NpS eingenommen, ist in der Regel Hypothese D1 anzuwenden.


Die Diagnose “Abhängigkeit” muss durch suchttherapeutisch ausgebildete Ärzte oder approbierte psychologische Psychotherapeuten gestellt worden sein, idealerweise als Eingangsdiagnose einer Entwöhnungsbehandlung. Eine unbestätigte Suchtbehandlung, das Eigenurteil des Patienten oder gar ein Gerichtsurteil bilden keine Grundlage für eine Diagnose.

Die Diagnose “Medikamentenabhängigkeit” bietet durchaus ihre Schwierigkeiten. Gängige Diagnosekriterien wie Dosissteigerung entfallen hier, sofern es sich um ärztlich verordnete Maßnahmen handelt.

Insbesondere soll in der Regel nach einer erfolgreichen Suchtbehandlung Abstinenz hinsichtlich des Suchtstoffes herrschen. Im Falle einer Medikamentenabhängigkeit kann es sich allerdings nach strenger Indikationsstellung als geboten erweisen, das Medikament weiter zu verordnen. Die weitere Einnahme darf dann nicht als Kriterium zur Abhängigkeitsdiagnose herangezogen werden.

Um die Fahreignung als wiederhergestellt ansehen zu können, müssen hohe formale Auflagen erfüllt sein, gerade bei geltend gemachter Abstinenz. Abstinenz gilt hier vor allem bezogen auf die entsprechende Substanzklasse, nicht auf die Handelsmarke. Hier gelten dann auch wieder Zeitauflagen.



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Beitrag 25.02.2024, 08:49
Beitrag #4


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Bei den Erkrankungen, die eine Dauermedikation mit psychoaktiv wirkenden Medikamenten erfordern, kann jederzeit ein äG vorgeschaltet werden, in dem einerseits die Auswirkungen der Grunderkrankung und andererseits die Compliance geprüft werden sollen. Für diese äG dann vierstellige Beträge aufzurufen, finde ich, verdient dann wirklich den Begriff der Abzocke. Sind wir mal ehrlich, da werden keine neuen Befunde erhoben o.ä., es handelt sich im Prinzip um nix anderes als um das Erstellen einer zweiten ärztlichen Meinung und um ein Gespräch. Dafür dann, wie hier von einem User in seinem Thread berichtet, 2.000 € aufzurufen... Da bleibt mir die Luft weg, weil mich der Zorn so packt. ranting.gif

Was ich richtig gut finde: auch Patienten mit einer juristischen THC-Vergangenheit haben die Chance, nicht nur THC verordnet zu bekommen, sondern auch ihre FE zu behalten bzw. ggfs. zurück zu bekommen.


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