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> 2 x mind. 26 km/h innerhalb eines Jahres, Alle Varianten | Gründe Beharrlichkeit
Rolf Tjardes
Beitrag 17.12.2003, 19:31
Beitrag #1


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QUELLTEXT
[URL=http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?showtopic=2334]FAQ: 2 x mind. 26 km/h innerhalb eines Jahres[/URL]


P.S. "FAQ-Verlinkung": V.g. Code einfach markieren, kopieren und in jeweiliges Posting einfügen - fertig ist der Link :-)

Der Beitrag wurde von Rolf Tjardes bearbeitet: 24.03.2007, 19:02
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Rolf Tjardes
Beitrag 17.12.2003, 21:34
Beitrag #2


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§ 4 Abs. 2 BKat ...

Zitat
(2) Wird ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers zum ersten Mal angeordnet, so ist seine Dauer in der Regel auf einen Monat festzusetzen. Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht.


Link: § 4 Abs. 2 BKat; (BKat = Bußgeldkatalog, BKatV = Bußgeldkatalog-Verordnung)

Die Konstellation "2 x 26" wurde zur Vereinfachung als "Regelfall" in den Bußgeldkatalog übernommen (§ 4 II BKatV 2002). In der Regel wird also unter den genannten Umständen ein 1-monatiges Fahrverbot verhängt, auch wenn dies der Einzeltatbestand des 2. bzw. letzten Verstoßes noch nicht vorsieht.

Mit dieser Regel wird bei den Verfolgungsbehörden der Begründungsaufwand für die Verhängung eines Fahrverbots vereinfacht, da nunmehr nur noch auf den "Regelfall" des § 4 Abs. 2 BKatV verwiesen werden muss.

Grundsätzlich...

Richtig ist, dass bei 2 x 26+ km/h innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der ersten Entscheidung in der Regel ein Fahrverbot verhängt wird.

Falsch ist, dass bei Nichterreichen von "2 x 26" grundsätzlich kein Fahrverbot verhängt werden darf. Dieser Umkehrschluß ist unzulässig.

Für ein Fahrverbot können zwei Gründe herhalten, dies ist die Verhängung wegen grober Pflichtverletzung und/oder Beharrlichkeit.

Grobe Pflichtverletzung kann auch bereits durch einen Einzeltatbestand erfüllt werden, vgl. Regel-Fahrverbote gem. Bußgeldkatalog z.B. bei hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Beharrlichkeit (oder mangelnde Rechtstreue) liegt hingegen vor, wenn zwischen mehreren Tatbeständen ein "innerer Zusammenhang" und "zeitliche Nähe" existiert. Neben den klassischen Regelfällen ("2 x 26")wäre auch im Einzelfall ein Fahrverbot z.B. bei 25 / 21 / 23 km/h begründbar...

Ein Fahrverbot wegen beharrlicher Geschwindigkeitsüberschreitung kann auch gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 BKat 2002 (also "2 x 26") nicht vorliegen, OLG Düsseldorf NZV 94 239, vorausgesetzt, der beharrliche Pflichtverstoß ist von ähnlich starkem Gewicht, Oberstes Bayerisches Landesgericht DAR 95 410, 98 448, OLG Düsseldorf DAR 99 324. Dies gilt z.B. auch im Falle des Rechtskräftigwerdens der die voraufgegangene Ordnungswidrigkeit ahndenden Entscheidung erst nach Begehung der weiteren OW, OLG Düsseldorf NZV 94 41 [...], sofern der Betroffene bei Begehung der Wiederholungstat von der Entscheidung Kenntnis hatte, OLG Hamm NZV 98 292, 00 53.

*** Achtung: Die 1-Jahres-Frist muss also nicht zwingend vom Zeitpunkt der Rechtskraft des vorherigen Verstoßes an gerechnet werden, es kann reichen, wenn der Betroffene bei Begehung der Wiederholungstat von der Entscheidung (=Bußgeldbescheid) Kenntnis hatte...!!

-----------------------

Fallbetrachtung:
1. Verstoß = Fahrverbot wurde verhängt
2. Verstoß = Einzeltatbestand sieht Fahrverbot vor
Frage: Erhöhung Fahrverbotsfrist wegen Beharrlichkeit?


Im Bußgeldkatalog sind Regelsätze für
"Ersttäter" fixiert.

Etwaige Voreintragungen im Verkehrszentralregister werden (von Ausnahmen abgesehen; vgl. lfd. Nrn.: 241.1-241.3) nicht berücksichtigt. Vgl. § 3 Abs. 1 BKatV.

Wegen "grober Pflichtverletzung" und/oder "Beharrlichkeit" kann das Bußgeld angemessen erhöht oder grundsätzlich auch ein Fahrverbot / eine Erhöhung von Fahrverbotsfristen in Betracht kommen, auch wenn dies der Einzeltatbestand nicht vorsieht.

Der aufgezeigte § 4 Abs. 2 BKatV ("2 x 26 km/h innerhalb eines Jahres") hat einen bislang im BKat nicht berücksichtigten Ausnahmefall zum Regelfall gemacht. Hier muß man aber genau hinschauen: Der § 4 Abs. 2 BKatV sieht für Mehrfachtäter ein 1-monatiges Regelfahrverbot vor, für den Fall, dass der jeweilige letzte Einzeltatbestand dies nicht vorsieht.

Was ist wenn der vorliegende Fall aber anders aussieht?

Der erste Verstoß wurde ja bereits mit einem 1-monatigen Fahrverbot sanktioniert, auch beim zweiten (letzten) Verstoß ist gem. BKat-Einzeltatbestand bereits ein 1-monatiges Fahrverbot vorgesehen.

Um nun die wiederholte Pflichtverletzung ("Beharrlichkeit") abgestuft sanktionieren zu können (also "härter" als bei Ersttätern) bietet sich grundsätzlich an, 1.) den Bußgeld-Regelsatz zu erhöhen oder 2.) die Fahrverbotsfrist zu erhöhen.

§ 4 Abs. 2 BKatV regelt einen "Regelfall". Nur wenn die in Absatz 2 bezeichneten Rahmenbedingungen vorhanden sind kann der § 4 Abs.2 BKatV in der Regel zur Anwendung gelangen.

Im vorliegenden Fall liegt aber nach meinem Dafürhalten KEIN Regelfall vor.

Zitat
Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV).


Für den ersten Verstoß wurde ja nicht nur "bereits eine Geldbuße" sondern darüber hinaus sogar ein Fahrverbot verhängt.

Auch sieht der Einzeltatbestand des zweiten Verstoßes schon für sich allein ein Fahrverbot vor.

Diese beiden Einschränkungen weichen "vom Regelfall" ab. Der § 4 Abs. 2 BKatV soll ja gerade gegen diejenigen Fahrzeugführer Anwendung finden, bei denen die jeweiligen Einzeltatbestände jeweils KEIN Fahrverbot als Sanktionsmaßnahme vorsehen. Es geht darum, Mehrfachtätern mit "kleinen" Bußgeldverstößen ein Regel-Fahrverbot zuzuweisen. Damit soll der inividuelle Begründungsaufwand bei den Bußgeldstellen minimiert werden.

Durch das Abweichen vom Regelfall des § 4 Abs. 2 BKatV kann die Verfolgungsbehörde nun die Sanktion nach eigenem Ermessen festlegen. Sie begründet dies mit "Beharrlichkeit" und verlängert die vorgesehene Fahrverbotsfrist des Einzeltatbestandes (der ja nur in Regelfällen angezogen wird) um einen Monat.

Dieses Verfahren wäre grundsätzlich nicht zu beanstanden.
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Rolf Tjardes
Beitrag 17.01.2004, 15:12
Beitrag #3


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Stichwort "Beharrlichkeit":

Beitrag von Uwe Brandt vom 14.01.2004 ...

Ausgangslage:
  • + 41 km/h, bereits rechtskräftig sanktioniert, Fahrverbot verhängt
  • + 26 km/h ... Fahrverbot wegen Beharrlichkeit?
Zitat
Beharrlichkeit liegt nur dann vor, wenn Verkehrsvorschriften aus mangelnder Rechtstreue (wiederholt) verletzt werden.

Hierbei ist u.a. auch der zeitliche Abstand zwischen den Zuwiderhandlungen bedeutsam. Dieser zeitliche Abstand wird allerdings in der Rechtsprechung eingegrenzt, so sieht z.B. das Bayerische Oberste Landesgericht keine Beharrlichkeit, wenn die Ahndung der letzten Tat gegenüber dem neuen Verstoß 2-1/2 Jahre zurückliegt, Bay DAR 91 362, oder gar mehr als 3 Jahre, Bay DAR 92 468. Nach meiner (persönlichen) Einschätzung dürften Zeitabstände von 1 Jahr, und wohl auch noch von 2 Jahren, hinsichtlich des Vorliegens von Beharrlichkeit für eine Begründung grundsätzlich verwendbar sein.

Zum "inneren Zusammenhang" sei nur kurz angemerkt, dass dieses Merkmal bei früheren Owi'en Voraussetzung für eine Rechtfertigung des Vorwurfs beharrlicher Pflichtverletzung war. Nach meiner Recherche wird dies in der aktuellen Rechtsprechung allerdings nicht mehr vorausgesetzt. Genauer konnte ich dies so auf die schnelle nicht eruieren. Für eine schlüssige Begründung kann der "innere Zusammenhang" aber immer noch (zusätzlich) herhalten.

Bloße einmalige Wiederholung rechtfertigt nicht unbedingt den regelmäßigen Vorwurf einer beharrlichen Pflichtverletzung, wenn das Verschulden bei der früheren Begehung "gering" war, OLG Köln VRS 40 143, OLG Frankfurt/M VM 79 14, usw.

Hier in der Diskussion handelt es sich im ersten Fall um eine schwerwiegende Zuwiderhandlung (+41 km/h), die allein für sich schon eine "grobe Pflichtverletzung" darstellt und regelmäßig mit der Nebenfolge Fahrverbot sanktioniert wird. Genau dies kann sich in der Begründung nachteilig für (den Fragesteller) auswirken.


Weiter schreibt er ...

Zitat
Selbstverständlich sind die besonderen Tatumstände zu berücksichtigen, da Verkehrsverstöße in unterschiedlichen Verkehrslagen und bei unterschiedlicher Motivation begangen werden.


... Einzelfall mit besonderen Tatumständen siehe z.B. OLG Braunschweig, Beschluß vom 15. 3. 1999 - 2 Ss (B) 5/99 ("Augenblicksversagen")

Der Beitrag wurde von Rolf Tjardes bearbeitet: 17.01.2004, 15:30
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Rolf Tjardes
Beitrag 17.01.2004, 15:26
Beitrag #4


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Sichwort: Augenblicksversagen und beharrliche Pflichtwidrigkeit
(StVG § 25 Absatz 1 Satz 1; StVO § 41 Absatz 2 (Zeichen 274); BKatV § 2)

Zitat
Die vom BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, zum sogenannten "Augenblicksversagen" bei "groben" Pflichtverletzungen durch Verkehrsteilnehmer sind entsprechend auch im Falle "beharrlicher" Pflichtverletzungen anzuwenden. (Leitsatz Rechtsanwalt Goetz Grunert, strafzettel.de)


OLG Braunschweig, Beschluß vom 15. 3. 1999 - 2 Ss (B) 5/99

Zum Sachverhalt:
Der Betroffene befuhr am Steuer seines Pkw am Vormittag die BAB mit einer Geschwindigkeit von 136 km/h (netto), obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 100 km/h beschränkt war. Vor der Meßstelle hatte der Betroffene eine Baustelle durchfahren, in welcher die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt war. Diese Begrenzung war am Ende der Baustelle durch Verkehrszeichen 282 aufgehoben worden. 600 m nach dem Ende der Baustelle fand sich das eingangs genannte Zeichen 274, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h beschränkte; das Zeichen war nur einmal, jedoch auf beiden Seiten der Fahrbahn, aufgestellt. Der Betroffene hätte das Zeichen 274 sehen können.

Im Verkehrszentralregister sind für den Betroffene zwei Voreintragungen verzeichnet. Durch einen seit dem 11. 5. 1996 rechtskräftigen Bußgeldbescheid wurde gegen ihn eine Geldbuße von 100 DM wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 22 km/h verhängt; durch einen am 31. 12. 1996 rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheid wurde gegen ihn eine Geldbuße von 150 DM wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h festgesetzt. Der Betroffene hat geltend gemacht, er habe nach der Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h die die neue Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h anordnenden Zeichen schlicht übersehen. Das Amtsgericht hat diese Einlassung nicht zum Anlaß genommen, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen und dazu als Begründung angeführt: "Der Umstand, dass dem Betroffenen lediglich Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, steht der Anordnung des Fahrverbots nicht entgegen. Für ein ausnahmsweises Absehen vom Fahrverbot nach § 2 Absatz 4 BKatV sieht das Gericht keinen Anlaß".

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 180 DM und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer (unter Berücksichtigung der Regel des § 25 Absatz 2a StVG) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führte zum Wegfall des Fahrverbots.

Aus den Gründen:
. . . II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft, und sie ist auch im übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und die Höhe des Bußgeldes wendet; sie hat jedoch hinsichtlich des angeordneten Fahrverbots Erfolg.

1. [...]

Die Höhe des Bußgeldes ist nicht zu beanstanden. Die Regelbuße beträgt zwar vorliegend nach lfd. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1a des Anhangs zum BKat nur 150 DM; eine Erhöhung ist jedoch wegen der Voreintragung gerechtfertigt (arg. § 1 Absatz 2 Satz 2 BKatV).

2. Die amtsgerichtlichen Feststellungen rechtfertigen nicht die Anordnung des Fahrverbots, weil dem Betroffenen keine "beharrliche" Verletzung der Pflichten eines Kfz-Führers im Rechtssinne anzulasten ist.

a) Alleinige Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist auch bei Taten, bei denen diese Rechtsfolge nach § 2 Absatz 2KatV "in der Regel in Betracht kommt" die Vorschrift des § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG (BGHSt 38, 125, 127 = NZV 1997, 117 = StVE § 25 StVG Nr. 28). Im vorliegenden Falle sind zwar die äußeren Merkmale eines Regelfalles nach § 2 Absatz 2 Satz 2 BKatV erfüllt, weil gegen den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 32 km/h eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er etwa neun Monate nach Rechtskraft der Entscheidung eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 36 km/h begangen hat. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert grundsätzlich das Vorliegen eines beharrlichen Verstoßes i.S. des § 25 Absatz 1 Satz 1 StVG. Diese Vorbewertung des Verordnungsgebers bindet auch die Gerichte, so dass für die Prüfung, ob trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Satz 2 BKatV eine beharrliche Pflichtverletzung im Einzelfall ausnahmsweise zu verneinen ist, nur noch in begrenztem Maße Raum bleibt. Eine Ausnahme in diesem Sinne ist vorliegend jedoch gegeben, weil der gegen den Betroffenen zu erhebende Fahrlässigkeitsvorwurf wegen eines bloßen "Augenblickversagens" in der konkreten Situation besonders gering war.

b) Die Grundsätze, die der BGH zum "Augenblicksversagen" bei "groben" Pflichtwidrigkeiten entwickelt hat (BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252= NZV 1997, 525), gelten entsprechend für die Fälle "beharrlicher" Pflichtwidrigkeiten, da die Grundkonstellationen in beiden Fallgruppen einander entsprechen. Bei den Merkmalen "grob" und "beharrlich" i.S. der §§ 25 Absatz 1 Satz 1 StVG, 2 I und II BKatV ist jeweils nach objektivem und subjektivem Tatbestand zu differenzieren. Die Merkmale unterscheiden sich zwar deutlich im objektiven Tatbestand, entsprechen sich aber weitgehend im subjektiven Tatbestand, welcher für das Gewicht des Schuldvorwurfs ausschlaggebend ist (BGH, aaO).
Die "grobe" Pflichtwidrigkeit ist in ihrem objektiven Teil u.a. (neben qualifizierten Rotlichtverstößen pp.) durch besonders hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen gekennzeichnet, während bei einer "beharrlichen" Pflichtwidrigkeit nur eine mittlere Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegen muß, deren Gewicht aber durch die Wiederholung geprägt wird; aufgrund dieser Wiederholung ist sie nach der Vorbewertung durch den Verordnungsgeber im Gewicht der besonders hohen, aber einmaligen Geschwindigkeitsüberschreitung gleich zu achten.
Der subjektive Tatbestand der in dem Beschluß des BGH vom 11. 9. 1997 (BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252= NZV 1997, 525) ausdrücklich behandelten "groben" Pflichtwidrigkeit erfordert ein besonders verantwortungsloses Handeln, welches anzunehmen ist, wenn die Zuwiderhandlung auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder auf Gleichgültigkeit zurückgeht. Es muß mithin eine über die konkrete Schuld im Einzelfall hinausweisende gemeinschaftsschädliche Grundhaltung des Betroffenen vorliegen. Wenn es an diesem subjektiven Merkmal fehlt, ist der Tatbestand der "groben" Pflichtverletzung nicht erfüllt (BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252= NZV 1997, 525). Das subjektive Merkmal ist regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Kfz-Führer aufgrund nur einfacher Fahrlässigkeit, die auch bei einem sorgfältigen pflichtbewußten Verkehrsteilnehmer vorkommen kann, ein die Höchstgeschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen schlicht übersehen hat (BGH, aaO).

Der subjektive Tatbestand der "beharrlichen" Pflichtwidrigkeit erfordert ein Handeln des Täters, das auf einem Mangel an rechtstreuer Gesinnung beruht (...). Auch hier muß also eine gemeinschaftsschädliche Grundhaltung vorliegen. Diese kann aber in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur "groben" Pflichtwidrigkeit nicht angenommen werden, wenn der Verkehrsverstoß auf ein Augenblickversagen zurückgeht, das auch ein sorgfältiger und pflichtbewußter Kraftfahrer nicht immer vermeiden kann, so dass auch hier bereits der (subjektive und damit letztlich der gesamte) Tatbestand der Pflichtwidrigkeit entfällt. Etwas anderes gilt (wie auch im Fall der "groben" Pflichtwidrigkeit, s. BGH, NJW 1997, 3252, 3254) nur dann, wenn Begleitumstände vorliegen, welche die besondere Aufmerksamkeit des Fahrers hervorrufen müssen wie z.B. ein Geschwindigkeitstrichter, eine Baustelle oder eine geschlossene Ortslage.

Zum gleichen Ergebnis kommt das BayObLG mit ähnlicher Argumentation in einem Beschluß vom 27. 2. 1998 (NZV 1998, 255), ohne ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH zum Augenblicksversagen zu verweisen. Trotz zweier Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um jeweils 28 km/h in kurzer zeitlicher Folge hat das Gericht keine "Beharrlichkeit" i.S. des § 2 Absatz 2 Satz 2 BKatV angenommen, weil der zweite Verstoß wegen unübersichtlicher Beschilderung "nur einen sehr geringen Schuldgehalt" aufwies und deshalb die Verhängung eines Fahrverbots "als unverhältnismäßig" erschien. Das hiermit angesprochene verfassungsmäßige Übermaßverbot ist einer der Gründe, die die Rechtsprechung des BGH zum Absehen vom Fahrverbot bei einem Augenblicksversagen in der Weise mittragen (BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252= NZV 1997, 525), dass sie zu einer restriktiven Auslegung des Begriffs der Pflichtverletzung führen.

c) Nach dem vorstehend Gesagten ist im vorliegenden Falle der subjektive Tatbestand des Merkmals der "Beharrlichkeit" nicht anzunehmen. Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Beschlusses hat der Betroffene geltend gemacht, er habe das Zeichen 274 ("100 km/h") schlicht übersehen. Diese Einlassung hat das Amtsgericht als nicht widerlegbar zugrunde gelegt. Es steht nämlich fest, dass das Schild nur einmal (wenn auch beidseitig) aufgestellt war; zusätzliche Umstände, die den Betroffene zu erhöhter Aufmerksamkeit und dazu hätten anhalten müssen, mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu rechnen, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil kam die Begrenzung für die Verkehrsteilnehmer eher überraschend, nachdem diese 600 m zuvor am Ende der Baustelle "freie Fahrt" erhalten hatten.
Auch der Umstand, dass der Betroffene nicht nur eine Voreintragung, sondern zwei Voreintragungen aufweist, ändert hier nichts daran, dass der subjektive Tatbestand der "Beharrlichkeit" nicht erfüllt ist. Im Falle eines Augenblickversagen ist es allein entscheidend, dass die subjektive Vorwerfbarkeit der Ordnungswidrigkeit besonders gering ist; nicht entscheidend ist es hingegen, wie deutlich der objektive Tatbestand des jeweiligen Merkmals erfüllt ist, d.h. wie hoch beim Regelfall der "groben" Pflichtwidrigkeit die Geschwindigkeitsüberschreitung ausfällt und nicht entscheidend ist demzufolge auch, wie viele Wiederholungen beim Regelfall der "beharrlichen" Pflichtwidrigkeit vorliegen. Eine ungewöhnlich hohe Zahl von Wiederholungen kann zwar für den Tatrichter Anlaß sein, eine Berufung des Betroffenen auf ein Augenblicksversagen bei der konkreten Anlaßtat besonders nachdrücklich zu hinterfragen und ggf. als Schutzbehauptung zu werten. Der vorliegende Fall legt eine solche Annahme aber noch nicht nahe.

Nach den Gesamtumständen ist nicht damit zu rechnen, dass der Tatrichter im Falle einer Zurückverweisung zusätzliche Umstände feststellen könnte. Der Senat kann deshalb nach § 79 Absatz 6 OWiG abschließend dahin entscheiden, dass ein Fahrverbot nicht zu verhängen ist.
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Uwe W
Beitrag 25.10.2011, 19:40
Beitrag #5


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Zur Frage eines Fahrverbots wegen Beharrlichkeit bei mindestens 3 Geschwindigkeitsverstößen im Bereich ab 21 km/h:

Die Frage, ob ein Fahrverbot wegen Beharrlichkeit bei drei Geschwindigkeitsverstößen im Bereich ab 21 km/h verhängt werden kann, auch wenn die Vorausetzungen der 2 * 26 km/h Regel nicht erfüllt sind, erfordert eine Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.
Hier zwei Beschlüsse des OLG Bamberg, in denen ein Fahrverbot wegen Beharrlichkeit als nicht zulässig angesehen wurde:

1. OLG Bamberg, Beschluss vom 30. 3. 2011 - 3 Ss OWi 384/2011
(Quelle: NZV 2011, 515 "OLG Bamberg: Kein Fahrverbot wegen beharrlicher Pflichtverletzung bei fünf Voreintragungen ohne Richtwertüberschreitung")
Zitat
1. Das Rechtsmittel führt zum Wegfall des angeordneten Fahrverbots, weil das AG zum Nachteil des Betr. im Ergebnis zu Unrecht einen wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne der §§ STVG § 24, STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 2. Alt., STVG § 26a StVG i.V.m. § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV gleichzusetzenden beharrlichen Pflichtenverstoß im Sinne von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG angenommen hat.

a) Von Beharrlichkeit im Sinne des § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen ,wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstoße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, BGHST Jahr 38 Seite 231/BGHST Jahr 38 Seite 234f; BayObLGSt 2003, BAYOBLGST Jahr 2003 Seite 132/BAYOBLGST Jahr 2003 Seite 133; st.Rspr. des Senats).

b) Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines – hier allein in Betracht kommenden und vom AG zu Recht seiner Prüfung zugrunde gelegten – beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betr. insbesondere angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG i.V.m. § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann – wovon das AG ebenfalls zutreffend ausgeht – im Einzelfall aufgrund der Rückfallgeschwindigkeit, der Häufigkeit früherer Verstöße auch bei einer Unterschreitung des ‚Grenzwertes’ von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen bzw. der früheren Geschwindigkeitsverstöße oder auch wegen früherer erhöhter Bußgeldahndungen oder eines früheren Fahrverbots geboten sein (OLG Bamberg NJW 2007 NJW Jahr 2007 Seite 3655f. = NZV 2008, NZV Jahr 2008 Seite 48f. = ZfS 2007, ZFS Jahr 2007 Seite 707f. = VRR 2008, 36f; OLG Bamberg VRR 2007, 318f m.Anm. Deutscher = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 sowie zuletzt OLG Bamberg DAR 2010, DAR Jahr 2010 Seite 98f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 47 = VRR 2010, 110f., jeweils m. zahlr. weit. Nachw.).

c) Dem Zeitmoment kommt, wie sich § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten.

2. Nach diesen Maßstäben kann wie insoweit die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zutreffend annimmt – anhand der seitens des AG seiner Rechtsfolgenbemessung zugrunde gelegten Vorahndungen des Betr. (noch) nicht von einem wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes im Sinne von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG i.V.m. § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverstoß ausgegangen werden, der die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen könnte:

Hier die Delikte des Betroffenen in tabellarischer Form:

Tattag 06.06.2010.... 21 km/h a.g.O. .... 140 Euro .... der vom OLG Bamberg entschiedene Fall
Tattag 08.10.2009.... 24 km/h a.g.O. .... 120 Euro .... rechtskräftig seit 12.12.2009
Tattag 10.12.2007.... 24 km/h ................ 60 Euro .... rechtskräftig seit 01.03.2008
Tattag 14.11.2006.... 23 km/h ................ 70 Euro .... rechtskräftig seit 03.01.2009
Tattag 21.03.2006.... 21 km/h ................ 40 Euro .... rechtskräftig seit 24.06.2006
Zitat
Zwar ergibt sich hieraus, dass der Betr. in einem Zeitraum von gut 4 Jahren mittlerweile in 5 Fällen jeweils wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften in Erscheinung getreten ist, wobei seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung im nunmehrigen Tatzeitpunkt gerade einmal 6 Monate vergangen waren. Andererseits wurde der ‚Richtwert’ von 26 km (vgl. § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV) bislang noch in keinem Fall erreicht oder überschritten. Hinzu kommt, dass den 3 früheren Bußgeldahndungen Tatzeiten zugrunde liegen, die im Zeitpunkt der hier verfahrensgegenständlichen Tat vom 6. 6. 2010 schon deutlich mehr als 4 Jahre, mehr als 3½ Jahre bzw. fast 2½ Jahre zurück lagen, auch wenn wegen der Tat vom 14. 11. 2006 aus nicht nachvollziehbaren Gründen erst am 3. 1. 2009 Rechtskraft eingetreten ist.

Bei dieser Konstellation rechtfertigt allein die Vorahndungslage des Betr. bei der gebotenen Gesamtbetrachtung (noch) nicht den Schluss, das Gewicht des verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsverstoßes um 21 km/h entspreche wertungsmäßig demjenigen eines Regelfalls im Sinne von § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV. Nachdem das AG sonstige Feststellungen für einen beharrlichen Pflichtenverstoß im Sinne von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG, etwa für die Annahme eines auch subjektiv auf Gleichgültigkeit beruhenden besonders verantwortungslosen Verkehrsverhaltens, nicht getroffen hat, kann die Fahrverbotsanordnung keinen Bestand haben.

3. Demgegenüber besteht für den Senat keine Veranlassung, die festgesetzte Geldbuße zu reduzieren Das AG durfte aufgrund der Vorahndungen des Betr. die Verhängung lediglich der Regelbuße als offensichtlich unzureichende Rechtsfolge ansehen und deshalb die Regelgeldbuße verdoppeln.


2. OLG Bamberg, Beschluß vom 4. 10. 2007 - 3 Ss OWi 1364/07
(Quelle: NZV 2008, 48 "OLG Bamberg: Wiederholte Geschwindigkeitsüberschreitung und einmaliger Verstoß gegen Handy-Verbot")
Zitat
1. Von Beharrlichkeit i.S. des § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG ist auszugehen bei Verkehrsverstößen, die zwar objektiv (noch) nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen (Erfolgsunwert), die aber durch ihre zeit- und sachnahe wiederholte Begehung erkennen lassen, dass es dem Täter subjektiv an der für die Straßenverkehrsteilnahme notwendigen rechtstreuen Gesinnung und Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt, so dass er Verkehrsvorschriften unter Missachtung einer oder mehrerer Vorwarnungen wiederholt verletzt (Handlungsunwert). Selbst eine Häufung nur leicht fahrlässiger Verstöße kann unter diesen Umständen mangelnde Rechtstreue offenbaren (BGHSt 38, BGHST Jahr 38 Seite 231 [BGHST Jahr 38 Seite 234f.] = NJW 1992, NJW Jahr 1992 Seite 1397; BayObLGSt 2003, BAYOBLGST Jahr 2003 Seite 132 [BAYOBLGST Jahr 2003 Seite 133] = NZV 2004, NZV Jahr 2004 Seite 102; st. Rspr. des Senats). Die Anordnung eines Fahrverbots wegen eines – hier allein in Betracht kommenden – beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls ist wegen der Vorahndungslage des Betr. angezeigt, wenn die (neuerliche) Geschwindigkeitsüberschreitung zwar die Voraussetzungen des Regelfalls nicht erfüllt, der Verkehrsverstoß jedoch wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S. von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG i.V. mit § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV gleichzusetzen ist. Eine derartige Gleichsetzung kann – wovon das AG zutreffend ausgeht – im Einzelfall auf Grund der Rückfallgeschwindigkeit auch bei einer Unterschreitung des Grenzwerts von 26 km/h der verfahrensgegenständlichen oder aber der früheren Geschwindigkeitsverstöße geboten sein (st. Rspr. des Senats, vgl. zuletzt insb. VRR 2007, 318 m. Anm. Deutscher = OLGSt, StVG, § 25 Nr. 36 m. zahlr. weit. Nachw. = BeckRS 2007, BECKRS Jahr 8728). Dem Zeitmoment kommt, wie sich § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV entnehmen lässt, Bedeutung für das Vorliegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes insoweit zu, als der Zeitablauf zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) und des jeweiligen Eintritts der Rechtskraft zu berücksichtigen ist. Daneben sind insbesondere Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten. Der Begriff der Beharrlichkeit ist prinzipiell nicht nur losgelöst von der konkreten Schuldform zu bestimmen. Das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzung eines Fahrverbots, darunter die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich i.S. des § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG, ist auch unabhängig von dem gegebenenfalls auf einer späteren Stufe zu erörternden Eingreifen des Übermaßverbots mit der Folge eines ausnahmsweisen Wegfalls des Fahrverbots zu beurteilen (OLG Bamberg, VRR 2007, 318 = OLGSt StVG § 25 Nr. 36 = BeckRS 2007, BECKRS Jahr 8728).

2. Nach diesen Maßstäben kann anhand der Vorahndungen des Betr. nicht von einem wertungsmäßig dem Regelfall eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S. von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG i.V. mit § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV gleichzusetzenden Pflichtenverstoß ausgegangen werden, der die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigen könnte:

Gegen den Betr. wurde zuletzt wegen einer Anfang Mai 2006 begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h eine Geldbuße von 40 Euro verhängt; Rechtskraft trat im August 2006 ein. Wegen unerlaubter Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons (Tatzeit: März 2006) war gegen den Betr. ferner eine Geldbuße von 40 Euro verhängt worden; Rechtskraft trat hier am 2. 6. 2006 ein. Wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 24 km/h (Tatzeit: September 2004) wurde gegen den Betr. zuvor eine weitere Geldbuße von 40 Euro festgesetzt; Rechtskraft trat insoweit im Dezember 2004 ein.

Zwar ergibt sich hieraus, dass der Betr. in einem Zeitraum von knapp zweieinhalb Jahren in vier Fällen, davon in drei Fällen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten ist, wobei seit Rechtskrafteintritt der letzten Vorahndung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 21 km/h weniger als sechs Monate vergangen sind. Andererseits wurde mit der verfahrensgegenständlichen Tat der Grenzwert von 26 km (vgl. § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV) erstmalig überschritten. Hinzu kommt, dass – bezogen auf den Rechtskrafteintritt – seit der ersten Vorahndung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 24 km mehr als zwei Jahre und zwei Monate, und – bezogen auf den Begehungszeitpunkt – sogar mehr als zwei Jahre und vier Monate verstrichen sind, so dass allein die Vorahndungssituation des Betr. bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht den Schluss rechtfertigt, das Gewicht des verfahrensgegenständlichen Verkehrsverstoßes entspreche wertungsmäßig demjenigen eines Regelfalls i.S. von § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz II 2 BKatV. Nachdem das AG sonstige Feststellungen für einen beharrlichen Pflichtenverstoß i.S. von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG, etwa für die Annahme eines auch subjektiv auf Gleichgültigkeit beruhenden besonders verantwortungslosen Verkehrsverhaltens, nicht getroffen hat, kann die Fahrverbotsanordnung keinen Bestand haben.

Hieran vermag die neun Monate zurückliegende und bislang einmalig gebliebene verbotswidrige Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons (§ STVO § 23 STVO § 23 Absatz Ia StVO) auch unter Berücksichtigung ihrer erst seit Juni 2006 rechtskräftigen Ahndung mit einem (Regel-)Bußgeld nichts zu ändern. Zwar kann ein wiederholter Verstoß gegen § STVO § 23 STVO § 23 Absatz Ia StVO im Einzelfall die Anordnung eines Fahrverbots wegen einer beharrlichen Pflichtenverletzung i.S. von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I StVG rechtfertigen (OLG Jena, DAR 2007, DAR Jahr 2007 Seite 157 [DAR Jahr 2007 Seite 158] = VRS 111 [2006], VRS Band 111 Seite 205 = BeckRS 2006, BECKRS Jahr 9082). Aus einem lediglich einmaligen und mit einem Bußgeld geahndeten Verstoß gegen § STVO § 23 STVO § 23 Absatz Ia StVO kann allerdings ohne das Hinzutreten sonstiger erschwerender Umstände bei der Beurteilung einer (wiederholten) Geschwindigkeitsüberschreitung als „beharrlich” im Sinne von § STVG § 25 STVG § 25 Absatz I 1 StVG nicht ohne Weiteres auf den für einen beharrlichen Pflichtenverstoß unabdingbaren inneren Zusammenhang im Sinne einer auf mangelnder Verkehrsdisziplin beruhender Unrechtskontinuität geschlossen werden. Auch wenn beide Verstöße jeweils als Indiz mangelnder Rechtstreue des Betr. zu werten sein mögen, erscheint eine pauschale Gleichsetzung nicht ohne Weiteres gerechtfertigt. Wie nicht zuletzt die in § BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz I 1 Nrn. 1–4 BKatV enthaltenen tatbestandlichen Umschreibungen ganz bestimmter, jeweils einen groben Pflichtenverstoß indizierender Regelbeispiele des Bußgeldkatalogs zeigt, hat der Verordnungsgeber selbst bestimmte Verkehrsverstöße, darunter Geschwindigkeits-, Abstands- und Rotlichtverstöße, besonders hervorgehoben. Treffen Verstöße dieser Gruppe, etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsverstöße jeweils unterhalb der Fahrverbotsschwelle des Bußgeldkatalogs (§ BKATV § 4 BKATV § 4 Absatz I 1 Nrn. 1 u. 2 BKatV) im Rahmen der Prüfung eines beharrlichen Pflichtenverstoßes zusammen, wird ein „innerer Zusammenhang” häufig ohne Weiteres zu bejahen sein. Denn die – wenn auch verschiedenartigen – Verstöße belegen regelmäßig hinreichend, dass sich der Betr. wiederholt in dem Bestreben, möglichst rasch voranzukommen, über seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer bedenkenlos hinwegsetzt.

3. Demgegenüber besteht für den Senat keine Veranlassung, die festgesetzte Geldbuße zu reduzieren. Das AG durfte auf Grund der Vorahndungen des Betr. die Verhängung lediglich der Regelbuße als offensichtlich unzureichende Rechtsfolge ansehen und deshalb die Regelgeldbuße verdoppeln.


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"Alle Mitgliedstaaten hätten Grund sich zu beklagen. Skouris betont, dass gerade dies beweise, dass der EuGH seine Arbeit gut mache."
(Interview mit Vassilios Skouris am 20.04.06 im ORF)
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