Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrzeugen, Rechtsgrundlagen kurz erläutert |
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Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrzeugen, Rechtsgrundlagen kurz erläutert |
26.05.2006, 18:52
Beitrag
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Mitglied Gruppe: Globaler Moderator Beiträge: 4769 Beigetreten: 20.01.2005 Wohnort: Berlin Mitglieds-Nr.: 7902 |
Zitat QUELLTEXT [url=http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?showtopic=38229]FAQ: Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrzeugen[/url] P.S. "FAQ-Verlinkung": V.g. Code einfach markieren, kopieren und in jeweiliges Posting einfügen - fertig ist der Link :-) Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen für die Sicherstellung/Beschlagnahme von Fahrzeugen durch die Polizei dargestellt. Immer wieder tauchen Anfragen auf, ob die Polizei denn einfach ein Fahrzeug „wegnehmen“ darf und wo das steht. Dabei stehen die Anfragen zumeist im Zusammenhang mit Fahrzeugsicherstellungen auf Grund des Erlöschens der Betriebserlaubnis i. S. d § 19 Abs. 2 StVZO. Das Erlöschen der Betriebserlaubnis ist ein eigenständiges, sehr umfangreiches Thema, das ich zur Wahrung der Übersichtlichkeit nicht mit dem vorliegenden Thema vermischen möchte. Wie immer spiegeln die Ausführungen ausschließlich die Meinung des Verfassers wider und wurden nach bestem Wissen erstellt. Dennoch kann für die Richtigkeit keine Haftung übernommen werden. Es gibt zwei Zielrichtungen der Sicherstellung von Fahrzeugen, die separat abgehandelt werden. 1. Die Sicherstellung zur Gefahrenabwehr Da die Sicherstellung von Fahrzeugen einen Grundrechtseingriff darstellt, bedarf es auch einer Eingriffsbefugnis. Diese ist in den Polizeigesetzen der Länder enthalten. Hiernach können die Polizei und die Ordnungsbehörden (eingeschränkt) u. a. eine Sache sicherstellen, 1. um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren, 2. um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen, ..." Bei Fahrzeugmängeln, die den Verdacht der Verkehrsunsicherheit begründen, wäre zwar eine Sicherstellung zur Gefahrenabwehr nahe liegend, diese könnte aber nur zum Ziel haben, ein Fahrzeug aus öffentlichem Straßenland zu entfernen, um eine potentielle Gefahrenquelle zu beseitigen. Das wäre aber nur unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (GdV) rechtmäßig, wenn selbst vom stehenden Fahrzeug eine Gefahr ausgehen würde, beispielsweise durch auslaufende Treib- und Schmierstoffe. Auch hier müsste dann wieder abgewogen werden, ob nicht andere geeignete Mittel die Gefahr abwehren könnten, z. B. entsprechende Auffangbehälter. Das bedeutet, dass nur in den seltensten Fällen eine Sicherstellung von mängelbehafteten Fahrzeugen zur reinen Gefahrenabwehr i. S. d. einschlägigen Vorschriften in Betracht käme. Häufiger kommt dagegen die Nr. 2 zum Tragen, wenn hochwertige Fahrzeuge unverschlossen abgestellt werden (Achtung! Der GdV ist zwingend zu beachten). 2. Die Sicherstellung von Fahrzeugen zur Beweissicherung Die Polizei hat nach pflichtgemäßem Ermessen Ordnungswidrigkeiten zu erforschen. Dabei hat sie alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (§ 53 OWiG). Das Führen (auch Zulassen bzw. Anordnen durch den Halter) eines Kraftfahrzeuges (Fahrzeuges) mit technischen Mängeln oder baulichen Veränderungen auch i. V. m. Leistungssteigerungen, stellt grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit i. S. d. einschlägigen §§ der StVZO und der StVO dar. Je nach Anzahl und Ausprägung der Mängel, sind diese Ordnungswidrigkeiten regelmäßig nicht mehr geringfügig und werden mit empfindlichen Bußgeldern und Punkteintragungen geahndet. Besonders schwerwiegend stellen sich Sachverhalte dar, bei denen dadurch die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt wird. Für die Polizei ergibt sich hieraus der Zwang zum Handeln, da eine Ermessensschrumpfung auf Null vorliegt (Opportunitätsprinzig = Handeln nach pflichtgemäßen Ermessen). Das pflichtgemäße Ermessen bezieht sich nur darauf, ob der Beamte einschreitet oder nicht. Wenn er einschreitet, hat er alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit sicherzustellen. Die Polizei hat zu beweisen, dass sich ein Betroffener ordnungswidrig verhalten hat. Dies kann durch Feststellen und Dokumentieren bestimmter Mängel erfolgen, aber auch durch die Sicherstellung des Fahrzeugs zur Erstellung eines technischen Gutachtens. Welche Anordnungen oder Maßnahmen getroffen werden, bestimmt u. a. der GdV. Wenn eine reine Dokumentation, beispielsweise durch Fotos oder Messen bestimmter Verschleißmaße geeignet erscheint, auch vor Gericht eine entsprechende Beweiskraft zu entwickeln, dann wäre eine Sicherstellung nicht gerechtfertigt. So wäre eine Sicherstellung nur wegen abgefahrener Reifen oder wegen einer verbogenen Zuggabel eines Anhängers nicht verhältnismäßig. Von Beleuchtungsmängeln möchte ich hier gar nicht reden. Alles hängt aber sehr von der fachlichen Kompetenz des Polizeibeamten ab. Die Gerichte folgen i. d. R. immer dann der Aussage eines Polizeibeamten, wenn es sich um einfache, auch für den Laien leicht erkennbare Mängel handelt oder ein Gutachter in der Hauptverhandlung anhand von Fotos eine Bewertung treffen kann. Eine kleine Anmerkung hierzu am Rande. Auch, wenn ich mir selbst eine gewisse fachliche Kompetenz zur Erkennung und Bewertung technischer Mängel zuspreche (siehe Buch), durfte ich mir vor Gericht schon anhören: "Sie sind kein Sachverständiger, das können sie gar nicht beurteilen!" Selbstverständlich kann ich mich nicht mit einem amtlich anerkannten Sachverständigen messen, was auch nicht meine Absicht ist, aber ich dachte, ich bin sehr wohl dazu in der Lage einzuschätzen, wie lange ein Mangel schon Bestand haben musste, wenn die Bruchstelle verrostet ist. Weit gefehlt, die Richterin sah das anders. Nun hat der Beamte aber den Verdacht der Verkehrsunsicherheit eines Fahrzeugs und kann vor Ort keine abschließende Beweisführung betreiben. Die Einleitung eines Mängelberichtsverfahrens ist auch nicht geeignet, vor Gericht die getroffenen Feststellungen zu untermauern, da regelmäßig die unzulässigen Veränderungen vor der Begutachtung beseitigt wurden, was ja auch im Sinne eines Mängelberichtes ist. Wenn eine freiwillige HU-Vorführung (§ 29 StVZO) ebenfalls nicht möglich ist, dann hat der Beamte zumeist keine andere Wahl, als zur härtesten Maßnahme zu greifen, der Sicherstellung des Fahrzeuges zur Erstellung eines technischen Gutachtens, denn anders könnte das Verfahren gegen den Betroffenen nicht gesichert werden. Wie bereits zu 1. erwähnt, stellt die Sicherstellung von Fahrzeugen einen Grundrechtseingriff dar, für den es einer Eingriffsbefugnis bedarf. Diese ergibt sich im Ordnungswidrigkeiten- und Strafrecht aus § 94 StPO (Strafprozessordnung). Wenn der Betroffene nicht anwesend oder mit der Sicherstellung nicht einverstanden ist, dann sind die weiteren Formvorschriften aus § 98 StPO zu beachten. Deshalb werden die §§ 94, 98 StPO immer im Zusammenhang genannt. Da in der Regel der Betroffene nicht damit einverstanden sein wird, erfolgt die Beschlagnahme des Fahrzeuges. Von besonderer Bedeutung ist hier der Hinweis auf die Möglichkeit des ausdrücklichen Widerspruches i. S. d. § 98 Abs. 2 StPO. Dieser bewirkt, dass der anordnende Beamte binnen drei Tagen die richterliche Bestätigung der Anordnung beantragen muss. Der Polizeibeamte ist verpflichtet, den Betroffenen über diese Möglichkeit zu belehren. Bei meinen letzten derart gelagerten Fall hat das Gericht erst nach sechs Wochen die Anordnung bestätigt, was auch den Regelfall darstellt. Für diese Zeit verbleibt das Fahrzeug im Gewahrsam der Polizei und der Betroffene hat keinerlei Zugriffsrecht auf das Fahrzeug. Selbstverständlich hat der Betroffene jederzeit die Möglichkeit der Beschwerde. Daher ist auch allen Polizeibeamten anzuraten, ihre Verdachtsmomente, die zu einer Sicherstellung geführt haben, umfassend (am Tag der Sicherstellung) auf dem Sicherstellungsprotokoll zu dokumentieren, das dem Betroffenen auszuhändigen ist. Hiermit stellen sie sich jeden Verdacht der Willkür oder überzogener Maßnahmen entgegen. Fazit: Eine Sicherstellung zur Erstellung eines technischen Gutachtens erfolgt immer auf Grund der §§ 94, 98 StPO. Sie ist z. B. bei Tieferlegungen, Leistungssteigerungen (insbesondere Mofas und Kleinkrafträder) oder technischen Mängeln möglich, wobei der GdV jederzeit zu beachten ist. Dieser kann jedoch nur am Einzelfall geprüft werden. Gleichzeitig wird hiermit auch eine Gefahr beseitigt. Durch die Inbetriebnahme eines mängelbehafteten Fahrzeugs liegt eine Dauerordnungswidrigkeit vor. Dies stellt einen Verstoß gegen die Rechtsordnung dar und wird unter den Gefahrenbegriff subsumiert. Ebenso die tatsächliche Gefahr, die über die zulässige Gefahr des § 30 StVZO hinausgeht. Es findet somit ein so genannter doppelfunktionaler Eingriff statt. Mit einer Maßnahme sind zwei Rechtsgebiete betroffen, die Ordnungswidrigkeitenverfolgung und die Gefahrenabwehr. Dennoch würde die alleinige Sicherstellung zur Gefahrenabwehr am GdV scheitern (siehe zu 1.). Der Beitrag wurde von Burkhard bearbeitet: 01.11.2010, 11:37 -------------------- |
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