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> Unfallflucht / unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Wann? Wie?
Matte
Beitrag 01.05.2004, 13:36
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[URL=http://www.verkehrsportal.de/board/index.php?showtopic=7045]FAQ: Unfallflucht / unerlaubtes Entfernen vom Unfallort §142 StGB[/URL]

Unfallflucht / unerlaubtes Entfernen vom Unfallort §142 StGB

Was ist ein Verkehrsunfall?

Definition:
Ein Verkehrsunfall(VU) ist ein im Straßenverkehr plötzlich auftretendes Ereignis, das mit dessen typischen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und einen Personenschaden oder einen nicht völlig belanglosen Sachschaden zur Folge hat (BGH VerkMitt 2002 Nr. 15; VRS 59, 158).
Ein VU liegt grundsätzlich erst bei einem Schaden ab ca. 25€ vor (LG Gießen NZV1997, 364)
Der VU muss sich im öffentlichen oder zumindest faktisch öffentlichem Verkehrsraum (z.B. Supermarkparkplatz) ereignet haben. Auf einem Privatgelände ist §142 StGB und § 34 StVO nicht anwendbar.


Wer ist wartepflichtig?

Wartepflichtig sind grundsätzlich alle Geschädigten und Unfallbeteiligten.

Wer durch sein Verhalten oder nach dem Umständen zum Unfall beigetragen haben kann, ist Unfallbeteiligter.
Wer durch den Unfall einen Ersatzanspruch erlangt hat, ist Geschädigter. Beim Schaden muss es sich um einen Fremdschaden handeln (OLG Celle VerkMitt 1985 Nr. 94 = NJW 1986, 861 = VRS 69, 394).
Wer nur sich selbst geschädigt hat, ist nicht wartepflichtig.


Wie lang muss ich warten, wenn der Geschädigte nicht anzutreffen ist?

Die Wartepflicht bestimmt sich nach der Möglichkeit, dass feststellungsbereite Personen am Unfallort erscheinen können (OLG Hamm VRS 18, 199). Dies ist von der Lage, der Tageszeit, der Höhe des Fremdschadens und der Verkehrsdichte abhängig (OLG Düsseldorf VerkMitt 1972 Nr. 72). Die Wetterbedingungen haben keine Einwirkung auf die Wartedauer.
Wartepflicht beträgt bei geringem Schaden min. 20 min oder je nach Stadtgebiet und Schadenshöhe auch min. 45 min.
Bei schweren Sachschäden, ist innerorts und tagsüber von einer Wartefrist von min. 1 Stunde auszugehen. Die Wartefrist ist nach oben nicht begrenzt.
Grundsätzlich sollte auch bei geringen Schäden die Polizei verständigt werden, wenn der Geschädigte oder eine feststellungsbereite Person nicht verfügbar ist.
Bei geringen Sachschäden (bis ca. 900€) ist es möglich vom §142 StGB abzusehen, wenn der Verursacher ohne schuldhafte Verzögerung, jedoch max. 24 Stunden nach dem VU, die notwendigen Feststellungen nachträglich ermöglicht.

Strafbemessung bei Ersttätern:

ohne Personenschäden (§223, §229 StGB - (fahrlässige) Körperverletzung)
  • Schaden bis 250€ -> 15TS
  • Schaden bis 500€ -> 25TS + 1 Monat FV
  • Schaden bis 700€ -> 30TS + 2 Monate FV
  • Schaden bis 900€ -> 35TS + 3 Monate FV
  • Schaden über 900€ -> ab 40 TS + 6 - 10 Monate FE
mit Personenschäden (§223, §229 StGB - (fahrlässige) Körperverletzung)
  • Schaden mit §223, §229 -> 40 - 90TS + 6 - 12 Monate FE
FV = Fahrverbot
FE = Fahrerlaubnisentzug
TS = Tagessätze (1 TS entspricht 1/30 des Monatsgehalts)
wird ein Urteil nach dem Jugendstrafrecht gefällt, so werden Sozialstunden statt TS angeordnet


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Wenn die Klügeren immer nachgeben, geschieht nur das, was die Dummen wollen.

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Peter Lustig
Beitrag 14.05.2010, 12:27
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Zur zivilrechtlichen Seite bei einer Unfallflucht:

Nach allgemeiner Rechtsauffassung wird das unerlaubte Entfernen von einer Unfallstelle in der Regel als vorsätzliche Obliegenheitsverletzung angesehen. Das hat zur Folge, dass das Versicherungsunternehmen, bei dem der Kfz-Versicherungsschutz besteht, in diesem Fall grundsätzlich keine Verpflichtung besitzt, für den angerichteten Schaden aufzukommen. Somit muss der Täter den Schaden selber ersetzen und dem Versicherungsunternehmen dessen Leistungen erstatten (Ausnahmen siehe weiter unten).

Vorstehendes gilt nach herrschender Rechtsmeinung sowohl für die Kfz-Haftpflicht- als auch für die Fahrzeugversicherung.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der § 142 Abs. 4 StGB ("tätige Reue"). Zur Aufrechterhaltung der Ansprüche gegenüber dem Versicherungsunternehmen reicht es jedoch aus, wenn das Unternehmen nach Ablauf der Wartefrist oder nach berechtigtem oder entschuldigtem Entfernen unverzüglich benachrichtigt wird.

Die Regelungen zu den Verpflichtungen beim Gebrauch des versicherten Fahrzeugs finden sich in den "Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung (AKB*)" des jeweiligen Versicherungsunternehmens.

Die AKB eines großen Autoversicherers zum Nachlesen können z. B. hier (PDF-Dokument; 170 KB) heruntergeladen werden. Die Verpflichtungen in einem Schadensfall finden sich in dieser AKB auf Seite 14 im Abschnitt D.

Welche Folgen (Leistungsfreiheit oder Leistungskürzung) eine Verletzung dieser Pflichten haben kann, ist dort im Abschnitt D 3.3 nachzulesen.

Bei vorsätzlicher Pflichtverletzung besteht generell Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens.

Handelt der Versicherungsnehmer oder eine mitversicherte Person grob fahrlässig, ist in der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen die Leistungsfreiheit bzw. Leistungsverkürzung des Versicherers auf einen Betrag von maximal 5000 € beschränkt.

In der Fahrzeugversicherung ist die Leistungsfreiheit des Versicherers grundsätzlich nicht beschränkt. Dabei ist jedoch von einem erheblichen Verschulden des Unfallfahrers bzw. Versicherungsnehmers auszugehen, was die Rechtsprechung z. B. im Fall des § 142 Abs. 4 StGB in der Regel als nicht gegeben ansieht.

Behauptet das Versicherungsunternehmen, dass eine Obliegenheitsverletzung, z. B. eine Unfallflucht, vorliegt, muss es in diesem Fall beweisen, dass der Tatbestand des § 142 StGB erfüllt ist, also tatsächlich ein unerlaubtes Sichentfernen vom Unfallort vorliegt. Dabei reicht die Angabe, der Unfallfahrer könnte oder müsste den Unfall bemerkt haben, nicht aus.

Steht nach Sachlage und vorliegender Beweise fest, dass ein Sichtentfernen gegeben ist, ist es dann jedoch Aufgabe des Versicherungsnehmers, seinerseits fehlenden Vorsatz im versicherungsrechtlichen Sinn nachzuweisen, damit das Versicherungsunternehmen ggf. doch noch voll oder zumindest teilweise leisten muss.


*Mit der Freigabe des Versicherungsmarktes wurden die früher einheitlich für alle Kfz-Versicherer geltenden AKB abgeschafft. Die Versicherer können nun im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben die AKB individuell verändern und anpassen.

Ein Mustervorschlag des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft GDV zu den AKB kann hier heruntergeladen werden.

Der Beitrag wurde von Peter Lustig bearbeitet: 07.07.2013, 10:05
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