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> Verkehrszeichen ohne Anordnung
Mitleser
Beitrag 19.09.2013, 12:02
Beitrag #151


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Aber wenn die StVB des Altkreises nur für ihr Kreisgebiet eine Regelung treffen wollte und nur dafür eine Beschränkung angeordnet hat, so existiert für den Neukreis keine Anordnung einer Beschränkung - Vz hin oder her.
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granny
Beitrag 19.09.2013, 12:08
Beitrag #152


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Zitat (Andreas @ 19.09.2013, 11:58) *
in solchen Fällen sprechen sich die StVB aber ab.

Ist es sehr kühn, wenn ich annehme, dass man zu solchen "Absprachen" bei einer spontanen Visite im Archiv keine Akten finden würde? thread.gif
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mgka
Beitrag 19.09.2013, 12:13
Beitrag #153


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Zitat (reChtHabEr @ 19.09.2013, 10:33) *
Die StVO ist, soweit sie Regelungen enthellt, speziell & das VwVfG susidiär. Steht hier: http://www.gesetze-im-internet.de/vwvfg/__1.html auch mehr oder weniger ausdrücklich drin.

Mir ist allerdings völlig unklar, wie dieses Nebeneinander von StVO und VwVfG im Falle eines Bescheidungsantrags (z.B. gegen ein Gebotsschild) zu handhaben ist. Beispiel:
Ich stellte vor zwei Jahren einen (einfachen) Antrag an ein bayerisches Landratsamt mit der Forderung, eine Radwegbenutzungspflicht aufzuheben oder hilfsweise mich in der Sache neu zu verbescheiden. Widerspruchsverfahren gibt es hier nicht mehr, ich berief mich auf einen Rechtsanspruch, welchen ich auf Art. 51 Abs. 5 BayVwVfG ("Wiederaufgreifen im weiteren Sinne") mit hilfsweisem Rückgriff auf Art. 48 bzw. 49 gründete. Nach einigen Schriftwechseln, in welchen die Behörde nicht müde wurde zu betonen, dass die ursprünglichen Anordnungen mir gegenüber bestandskräftig geworden sind, wurde der größere Teile der Benutzungspflichten aufgehoben, ein Stück wurde mit VZ 240 belassen, was man mir in einem Schreiben bestätigte. Dieses Schreiben sah ich als Bescheid an (das VG folgte dieser Ansicht) und klagte dagegen. In der mündlichen Verhandlung legte die Kammer des VG mir nahe, die Klage zurückzuziehen, da die Behörde sich erfolgreich auf die Bestandskraft mir gegenüber berufe, welche nur dann hinter der Rechtswidrigkeit zurückstehe, wenn das Gericht im Rahmen der zuvor erfolgten Ortsbegehung zu der Ansicht gekommen wäre, dass die Aufrechterhaltung "schlichtweg unerträglich" sei.

Nun stellen sich hier doch einige Fragen:
  1. Habe ich meinen Rechtsanspruch zwecks Neuverbescheidung zu Recht auf das VwVfG gegründet? Oder ist § 45 StVO einschlägig? Wenn ja, warum?
  2. Der Begriff "Bestandskraft" ist klar dem Verwaltungsrecht zuzuordnen. Die StVO kennt einen solchen nicht, im Gegenteil: § 45 Abs. 9 StVO verlangt, dass Schilder sehr "sparsam" angeordnet werden (woraus man folgern kann, dass ein Großteil der heute aufgestellten Schilder entbehrlich und damit abzunehmen sind) und in den VwVStVO steht ja sogar, dass Verkehrszeichen "bei jeder sich bietenden Gelegenheit" zu überprüfen sind. Hier könnte man also annehmen, dass bei Verkehrszeichen überhaupt nie Bestandskraft eintritt - was dem Urteil des BVerwG aus 2010 zu dieser Sache zumindest teilweise widerspricht. Darüber hinaus sagt das BVerwG: die Berufung auf die Bestandskraft ist dann unzulässig, wenn die Wiederaufnahme der Sache durch das "Fachrecht positiv intendiert" ist. Trifft das hier zu? Zumindest die Formulierung "bei jeder sich bietenden Gelegenheit" in den VwVStVO legt doch dies nahe oder?
  3. Wenn ein "Wiederaufgreifen im weiteren Sinne" für eine Neuverbescheidung (also die Anwendung des VwVfG) in Frage kommt, so muss laut Rechtsprechung des BVerwG die zuständige Behörde zunächst einmal eine explizite Entscheidung darüber treffen, ob sie überhaupt das Verfahren wiederaufrollen möchte (im weiteren Sinne heißt: es gibt keinen in Abs. 1-3 von Art. 51 BayVwVfG gesetzlich vorgeschriebenen Wiederaufnahmegrund). Allein diese Entscheidung kann aber gerichtlich überprüft werden, d.h. ein kategorischen "Nein" der Behörde ohne fehlerfreies Ermessen dürfte vor dem VG keinen Bestand haben.



Zitat (granny @ 19.09.2013, 13:08) *
Zitat (Andreas @ 19.09.2013, 11:58) *
in solchen Fällen sprechen sich die StVB aber ab.

Ist es sehr kühn, wenn ich annehme, dass man zu solchen "Absprachen" bei einer spontanen Visite im Archiv keine Akten finden würde? thread.gif

Aussage der hiesigen StVB: "Wo steht, dass man solche Absprachen/Anordnungen schriftlich niederzulegen hat? Diese können auch mündlich erfolgen."


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Mitleser
Beitrag 19.09.2013, 12:36
Beitrag #154


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Zitat (reChtHabEr @ 19.09.2013, 10:33) *
Zitat (Mitleser @ 12.09.2013, 22:05) *
Zitat (reChtHabEr @ 12.09.2013, 20:38) *
Nach inzwischen wohl herrschender Auffassung werden Verkehrszeichen genau wie angeordnet auch wieder aufgehoben: Nach § 45 I 1 StVO. §§ 48 , 49 VwVfG sind subsidiär.
Woher nimmst Du die hM? (...) Wieso sollte die StVO überhaupt über und nicht neben dem VwVfG stehen?

Herr Ronnellenfitsch schreibt sogar (hier auf S. 163): Das ist einhellig anerkannt.
Hast Du auch weiter gelesen?:
"Das Aufstellen und Entfernen von Verkehrszeichen bestimmt sich nach einhelliger Meinung abschließend nach § 45 StVO. Die §§ 48 ff. VwVfG sollen auch nicht entsprechend anwendbar sein. In dieser Allgemeinheit ist die Aussage unzutreffend. § 45 StVO unterscheide die Anordnung zur Aufstellung von Verkehrszeichen von der Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung von Verkehrszeichen. Eine abschließende Regelung hinsichtlich der Aufhebung der Anordnung ist nicht getroffen."
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durban
Beitrag 19.09.2013, 13:19
Beitrag #155


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Zitat (Mitleser @ 19.09.2013, 12:02) *
Aber wenn die StVB des Altkreises nur für ihr Kreisgebiet eine Regelung treffen wollte und nur dafür eine Beschränkung angeordnet hat, so existiert für den Neukreis keine Anordnung einer Beschränkung - Vz hin oder her.


Doch, die existiert. Nochmal: Die Anordnung der StVB wird mit dem Inhalt wiedergegeben, die durch das VZ verkörpert wird. Ein VZ 274 regelt: "Hier zHg, bis sie (durch VZ) aufgehoben wird".

Angenommen, eine StVB ordnet ein VZ 274 an. Sie beabsichtigt, damit die zHg bis zur nächsten Einmündung zu regeln. Weil sie aber fälschlicherweise glaubt, eine Einmündung hebe das Zeichen auf, stellt sie kein Aufhebungszeichen auf. Das VZ 274 gilt daher noch weiter, bis 50 Meter weiter eine neue zHg vorgschrieben wird.
Auch hier bezieht sich die straßenverkehrsrechtliche Anordnung, die ohne Bekanntgabe keine Außenwirkung entfaltet nur auf das beabsichtigte Stück. Tatsächlich wird aber durch das Verkehrszeichen etwas anderes geregelt.

Wir unterhalten uns hier doch dauernd darüber, wie weit irgendein Verkehrszeichen (insbesondere Haltverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen) gelten. Das wäre ja alles obsolet, wenn es nur auf die Anordnung ankäme.


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hugo790
Beitrag 19.09.2013, 13:41
Beitrag #156


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@durban:
D.h. wenn irgendwo in Deutschland eine 30er Zone nicht beendet wurde, darf in ganz Deutschland nur 30 gefahren werden? Oder anders: Erst ist 30 erlaubt, danach 50. Jetzt wird das 50er Schild durch einen Unfall umgefahren. Darf man jetzt, selbst wenn man Kenntnis von dem Vorgang hat, nur 30 fahren?
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durban
Beitrag 19.09.2013, 14:30
Beitrag #157


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Zur Zone:
In diesem Fall ist die Zonengrenze unbestimmt und das Verbot daher nichtig. Das liegt aber nicht an der fehlenden Anordnung, sondern an der Unbestimmtheit der Regelung.

Zum Unfall:
Tatbestandlich ist die Geschwindigkeitsbegrenzung dann nicht aufgehoben. Denn die Aufhebung wird dem VT nicht bekanntgegeben. Die Geschwindigkeitsbegrenzung würde also weiter gelten. Die Frage ist, ob ein Verstoß geahndet wird oder werden kann.


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reChtHabEr
Beitrag 19.09.2013, 18:50
Beitrag #158


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Zitat (mgka @ 19.09.2013, 13:13) *
Mir ist allerdings völlig unklar, wie dieses Nebeneinander von StVO und VwVfG im Falle eines Bescheidungsantrags (z.B. gegen ein Gebotsschild) zu handhaben ist. (...) Habe ich meinen Rechtsanspruch zwecks Neuverbescheidung zu Recht auf das VwVfG gegründet? Oder ist § 45 StVO einschlägig? Wenn ja, warum?


Nun ja, die Verkehrsrechtler meinen wie gesagt: § 45 StVO ist speziell. Da kommt dann auch Dein subjektives Recht her. Du sollst ja schließlich etwas tun oder lassen. Das VwVfG und sämtliche Regelungen dort spielen überhaupt keine Rolle. Wenn dann die Verkehrsregelung Dir gegenüber ein Jahr nach Erstkontakt bestandskräftig geworden ist, kannst Du die Aufhebung beantragen, sich genau wie der Erlass nach § 45 StVO richtet. Soweit die Voraussetzungen - also: eine erheblich über die sonst mit der Teilnahme am Verkehr hinausgehende Gefahr - nicht gegeben ist, ist die Radwegbenutzungspflicht aufzuheben. Wenn eine solche qualifizierte Gefahr vorliegt, hast Du immer noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung, den die Behörde erst einmal erfüllen muss.
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Mitleser
Beitrag 19.09.2013, 20:44
Beitrag #159


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Zitat (durban @ 19.09.2013, 14:19) *
Zitat (Mitleser @ 19.09.2013, 12:02) *
Aber wenn die StVB des Altkreises nur für ihr Kreisgebiet eine Regelung treffen wollte und nur dafür eine Beschränkung angeordnet hat, so existiert für den Neukreis keine Anordnung einer Beschränkung - Vz hin oder her.

Doch, die existiert. Nochmal: Die Anordnung der StVB wird mit dem Inhalt wiedergegeben, die durch das VZ verkörpert wird. Ein VZ 274 regelt: "Hier zHg, bis sie (durch VZ) aufgehoben wird".

Angenommen, eine StVB ordnet ein VZ 274 an. Sie beabsichtigt, damit die zHg bis zur nächsten Einmündung zu regeln. Weil sie aber fälschlicherweise glaubt, eine Einmündung hebe das Zeichen auf, stellt sie kein Aufhebungszeichen auf. Das VZ 274 gilt daher noch weiter, bis 50 Meter weiter eine neue zHg vorgschrieben wird.
Auch hier bezieht sich die straßenverkehrsrechtliche Anordnung, die ohne Bekanntgabe keine Außenwirkung entfaltet nur auf das beabsichtigte Stück. Tatsächlich wird aber durch das Verkehrszeichen etwas anderes geregelt.

Wir unterhalten uns hier doch dauernd darüber, wie weit irgendein Verkehrszeichen (insbesondere Haltverbote und Geschwindigkeitsbegrenzungen) gelten. Das wäre ja alles obsolet, wenn es nur auf die Anordnung ankäme.
Die StVB soll ja eigentlich nicht anordnen "Hier steht Vz xyz", sondern "von ... bis ... gilt Verhalten abc". So der Idealfall.
Selbst wenn sie "Hier steht Vz xyz" schreibt, so ist dies auszulegen. Denn die StVB will bestimmt nicht regeln, dass dort ein bestimmtes Schild steht, sondern das ein bestimmtes Verhalten angeordnet wird.

Wenn sich "die straßenverkehrsrechtliche Anordnung ... nur auf das beabsichtigte Stück" "bezieht", aus welchem VA (Anordnung) soll dann die Beschränkung auf den weiteren Stücken ihre verwaltungsrechtliche Legitimation haben? Für diese Bereiche besteht keine Anordnung, mithin kein VA.
Ein VA wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird - § 43 Abs. 1 VwVfG. Bei einer kleineren Bekanntgabe halt nur mit weniger Inhalt als angeordnet; aber eine falsche erweiternde Bekanntgabe kann den VA doch nicht erweitern.
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reChtHabEr
Beitrag 19.09.2013, 20:58
Beitrag #160


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Zitat (Mitleser @ 19.09.2013, 13:36) *
Hast Du auch weiter gelesen?:


Ja. Herr Ronellenfitsch ist in zahlreichen Fragen Außenseiter und hat sehr persönliche Auffassungen. Was er hier genau für welchen Fall sagen will, habe ich nicht verstanden. Du?
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Mitleser
Beitrag 19.09.2013, 21:09
Beitrag #161


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Jemanden als Untermauerung seiner These zu nehmen, den man selbst als "Außenseiter" mit "sehr persönliche Auffassungen" ansieht, das hat schon was. whistling.gif
Ansonsten sagt er mMn, dass das Aufheben der Anordnung eben nicht in der StVO geregelt ist.
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mgka
Beitrag 19.09.2013, 21:59
Beitrag #162


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Zitat (reChtHabEr @ 19.09.2013, 19:50) *
Nun ja, die Verkehrsrechtler meinen wie gesagt: § 45 StVO ist speziell. Da kommt dann auch Dein subjektives Recht her. Du sollst ja schließlich etwas tun oder lassen. Das VwVfG und sämtliche Regelungen dort spielen überhaupt keine Rolle.

Da ist der VGH BaWü aber anderer Meinung (Az. 5 S 575/09), siehe dort Randnummern 30, 31 und 38. Dort wird explizit auf § 51 VwVfG Bezug genommen. (*)
Zitat
Wenn dann die Verkehrsregelung Dir gegenüber ein Jahr nach Erstkontakt bestandskräftig geworden ist, kannst Du die Aufhebung beantragen, sich genau wie der Erlass nach § 45 StVO richtet. Soweit die Voraussetzungen - also: eine erheblich über die sonst mit der Teilnahme am Verkehr hinausgehende Gefahr - nicht gegeben ist, ist die Radwegbenutzungspflicht aufzuheben. Wenn eine solche qualifizierte Gefahr vorliegt, hast Du immer noch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung, den die Behörde erst einmal erfüllen muss.

Wobei dann die Voraussetzungen zur Aufhebung der (belastenden) Anordnung im Vergleich zur Anfechtungsklage deutlich gesteigert sind (siehe z.B. Beschluss des BayVGH vom 22.04.2013, Az. 11 B 12.2671): "Für die Entscheidung des Rechtsstreits wird es nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs demgegenüber (auch) auf Folgendes ankommen: Das Verwaltungsgericht hat den Hauptantrag des Klägers weitgehend als zulässige Anfechtungsklage ausgelegt. Im Hinblick auf die Klagefrist bestehen allerdings Bedenken, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2012 angegeben hat, bereits seit 1953 in Nürnberg zu wohnen und schon immer die Münchener Straße bzw. die dort vorhandenen Radwege zu nutzen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die Klagefrist für einen Verkehrsteilnehmer gegen ihn beschränkende verkehrsrechtliche Anordnungen, die durch Verkehrszeichen zum Ausdruck gebracht werden, regelmäßig ein Jahr ab erstmaliger Kenntnisnahme des jeweiligen Verkehrszeichens beträgt. Vor diesem Hintergrund müsste in Bezug auf jedes angegriffene Verkehrszeichen, das eine selbständige Anordnung trifft, geprüft werden, wann der Kläger dieses erstmalig zur Kenntnis genommen hat. Diese Frage kann auch nicht - wie das Verwaltungsgericht offenbar meint - deshalb dahinstehen, weil die Klage ansonsten als Verpflichtungsklage auf Entfernung der streitgegenständlichen Verkehrszeichen auszulegen wäre. Zwar kommt eine solche Auslegung grundsätzlich in Betracht, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verpflichtungsklage - u.a. ein vorheriger Antrag an die Behörde - erfüllt wären. Eine solche Verpflichtungsklage wäre im Verhältnis zur Anfechtungsklage aber nur unter erhöhten Anforderungen begründet: Nämlich dann, wenn der Kläger im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null einen Anspruch auf Entfernung der streitgegenständlichen Verkehrszeichen hätte. Demgegenüber wäre eine Anfechtungsklage bereits dann begründet, wenn die den streitgegenständlichen Verkehrszeichen zu Grunde liegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen an einem formellen Fehler litten, der weder geheilt noch unbeachtlich ist, oder ein materiell-rechtlicher Fehler vorläge, nachdem der Kläger Adressat der von den streitgegenständlichen Verkehrszeichen getroffenen Regelungen ist."

Und dann sagen die Richter noch (was vielleicht dazu führen wird, dass die Nürnberger Stadtverwaltung ganz tief im Archiv wird kramen müssen whistling.gif ):
"Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Anfechtungsklage konnte auch nicht dahingestellt bleiben, ob die im fraglichen Bereich vorhandenen verkehrsbeschränkenden Verkehrszeichen jeweils auf einer verkehrsrechtlichen Anordnung basieren. Eine Anfechtungsklage ist nur gegen einen Verwaltungsakt zulässig. Hier besteht der Verwaltungsakt regelmäßig in einer sogenannten verkehrsrechtlichen Anordnung, die durch die Bekanntgabe in Form der Aufstellung des Verkehrszeichens wirksam wird (BVerwG, U.v. 14.12.1994 - 11 C 4/94 - NZV 1995, 244). Zwar ist die verkehrsrechtliche Anordnung grundsätzlich an keine Form gebunden. Insbesondere bedarf eine Allgemeinverfügung auch keiner Begründung (Art. 39 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG). Es ist jedoch zu weitgehend, wie das Verwaltungsgericht anzunehmen, dass jedenfalls in der Aufstellung bzw. Anbringung eines Verkehrszeichens auch immer eine verkehrsrechtliche Anordnung zu sehen ist. Stellt beispielsweise ein Mitarbeiter eines kommunalen Bauhofs, ohne hierzu befugt oder angewiesen worden zu sein, ein Verkehrszeichen an einer für ihn gut befundenen Stelle auf, fehlt es an einer entsprechenden zugrunde liegenden verkehrsrechtlichen Anordnung. Darüber hinaus ist es denkbar, dass für mehrere oder alle im fraglichen Bereich aufgestellten Verkehrszeichen tatsächlich schriftliche verkehrsrechtliche Anordnungen vorhanden sind, die allerdings nicht korrekt umgesetzt wurden. Wenn der Aufstellung eines Verkehrszeichens keine verkehrsrechtliche Anordnung durch die zuständige Behörde zugrunde liegt, ist das Verkehrszeichen unwirksam (VGH Mannheim, U.v. 16.12.2009 - 1 S 3263/08 - VD 2010, 113). Im weiteren Verfahren wird daher ggfs. auch zu klären sein, ob den streitgegenständlichen Verkehrszeichen tatsächlich jeweils eine verkehrsrechtliche Anordnung zugrunde liegt oder nicht."

---
(*) Die Urteilsbegründung selbst ist eigentlich überholt, denn es war tatsächlich eine Anfechtungs- und keine Verpflichtungsklage, da der Kläger rechtzeitig vor Ablauf der Jahresfrist das Verkehrszeichen angefochten hatte. Die letzte Klarstellung diesbezüglich erfolgte durch das BVerwG erst im darauffolgenden Jahr.


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reChtHabEr
Beitrag 20.09.2013, 05:32
Beitrag #163


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Zitat (Mitleser @ 19.09.2013, 22:09) *
Ansonsten sagt er mMn, dass das Aufheben der Anordnung eben nicht in der StVO geregelt ist.


Das meint er wohl nicht. Er ist wohl der Meinung, dass für Konstellationen, in denen die Behörde z. b. etwas zugesichert hat, die allgemeinen Widerrufs- und Rücknahmeregeln doch noch wieder eine Rolle spielen.

Zitat (mgka @ 19.09.2013, 22:59) *
Da ist der VGH BaWü aber anderer Meinung (Az. 5 S 575/09), siehe dort Randnummern 30, 31 und 38. Dort wird explizit auf § 51 VwVfG Bezug genommen.


Stimmt, und der VGH verweist ja auch auf die verschiedenen Auffassungen zum Thema. Richtig auch: Nur theoretisch macht es einen Unterschied, ob sich die Aufhebung nur nach StVO richtet oder auch allgemeine Verwaltungsverfahrensregeln heranzuziehen sind.


Zitat (Mitleser @ 19.09.2013, 22:09) *
Wobei dann die Voraussetzungen zur Aufhebung der (belastenden) Anordnung im Vergleich zur Anfechtungsklage deutlich gesteigert sind


Ja, das ist so. Wie dargestellt. Und die Behörde muss die Regelung selbst ändern und dies durch an- oder abschrauben von Schildern bekannt machen, während das bei Anfechtungsklagen das Gericht macht.
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wernecmn
Beitrag 20.09.2013, 06:01
Beitrag #164


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Zitat (reChtHabEr @ 19.09.2013, 10:33) *
Zitat (wernecmn @ 13.09.2013, 19:26) *
Allerdings hast Du in der Hauptsache nicht den Erlass eines Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) sondern die Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht (Widerspruchsklage) beantragt.


Doch, ich habe Verpflichtungsklage erhoben. Es geht um Uralt-Radwegbenutzungspflichten, die mir gegenüber schon vor Jahrzehnten bestandskräftig geworden ist.

Dann also Verpflichtungsklage, die verkehrsrechtliche Anordnung der Radwegbenutzungspflicht zu überprüfen und neu zu bescheiden. Mögliche Antwort der Behörde:
Wir haben gemeinsam mit der Polizei eine Ortsbegehung durchgeführt und sind zu der Überzeugung gelangt, dass die 1 m breiten Radwege ausreichen.

Zitat (mgka @ 19.09.2013, 13:13) *
In der mündlichen Verhandlung legte die Kammer des VG mir nahe, die Klage zurückzuziehen, da die Behörde sich erfolgreich auf die Bestandskraft mir gegenüber berufe, welche nur dann hinter der Rechtswidrigkeit zurückstehe, wenn das Gericht im Rahmen der zuvor erfolgten Ortsbegehung zu der Ansicht gekommen wäre, dass die Aufrechterhaltung "schlichtweg unerträglich" sei.

§ 48 VwVfG setzt voraus, dass es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt. Warst du und die Behörde euch einig, dass die Anordnung rechtswidrig war? Ansonsten hätte das VG diese Frage klären müssen, weil ja die Behörde ggfs. von einer falschen Annahme ausgegangen ist.
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mgka
Beitrag 20.09.2013, 07:37
Beitrag #165


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Nein, die Behörde (und die Landesanwältin als ihre Vertreterin vor dem VG) war natürlich der Ansicht, dass die Radwegbenutzungspflicht rechtskonform ist, weil auf der Fahrbahn für Radfahrer eine deutlich gesteigerte Gefährdung vorläge, welche es dann aufgrund § 45 (9) StVO erlaubt, diese zwangsweise von dort zu verbannen. Inwieweit der fahrbahnbegleitende "Radweg" zum sicheren Fahren auch geeignet ist, hat sie nicht beurteilt (meine Referenz diesbezüglich: eine Gruppe von 15 Rennradfahrern, welche zweifelsohne die Benutzungspflicht befolgen müssen). In meinen Augen ein klarer Ermessensfehler, was ich auch in der Klageschrift thematisiert hatte.
Im übrigen reicht eben für diesen Fall nicht nur eine Ermessensreduzierung auf Null - welche Grundvoraussetzung für ein Vornahmeurteil durch das Gericht ist - sondern eben auch die Erkenntnis, dass die Aufrechterhaltung "schlichtweg unerträglich" ist. Das ist eine deutliche Steigerung. Die Vorsitzende Richterin erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass die Kammer durchaus an einigen Stellen der 4km langen Strecke "Unzulänglichkeiten" gefunden hätte, welche verbesserungswürdig seien, was aber für die Aufhebung nicht ausreiche.
Hilfsweise hatte ich natürlich auch den Antrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, die Benutzungspflicht gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Da ich ja aber schon einen Bescheid hatte, ging das wohl auch nicht mehr.
Das Gericht hat der Behörde auch zugute gehalten, dass es eine vorbildliche Aktenführung gab. Die Benutzungspflicht wurde 1998 sogar erneut überprüft (und beibehalten - aber eine gewisse Ermessensausübung dabei konnte selbst ich nicht abstreiten). Es waren vollständige Beschilderungspläne vorhanden. Darüber hinaus hatte ich ja im Vorfeld des Verfahrens schon erreicht, dass von ca. 16km benutzungspflichtigem Radweg "nur" noch 4km übrig geblieben sind.


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reChtHabEr
Beitrag 20.09.2013, 08:14
Beitrag #166


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Zitat (wernecmn @ 20.09.2013, 07:01) *
Dann also Verpflichtungsklage, die verkehrsrechtliche Anordnung der Radwegbenutzungspflicht zu überprüfen und neu zu bescheiden.


Warum das? Ich habe selbstverständlich beantragt, die Behörde zur Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht zu verpflichten, hilfsweise, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Zitat (wernecmn @ 20.09.2013, 07:01) *
Mögliche Antwort der Behörde:
Wir haben gemeinsam mit der Polizei eine Ortsbegehung durchgeführt und sind zu der Überzeugung gelangt, dass die 1 m breiten Radwege ausreichen.


Deswegen ja: Siehe oben. Streng genommen reicht auf den von Dir beschriebenen Antrag ja der erste Teil des Satzes aus, um ihn erschöpfend zu beantworten. Abgesehen davon kommt es hier in Berlin ja soweit eigentlich nie. Ich habe Klage erhoben, als die Radwegbenutzungsschilder nach drei Monaten noch hingen & ich auch sonst nix gehört hatte. Das ist nach § 75 VwGO zulässig.
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wernecmn
Beitrag 20.09.2013, 15:10
Beitrag #167


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@reChtHabEr:
Ok, jetzt habe ich es verstanden: die Behörde hat nicht reagiert, und deswegen wird jetzt das Verwaltungsgericht entscheiden.

@mgka:
Bei der Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes hat die Behörde einen Ermessungsspielraum.

Es ist aber ein Ermessensfehlgebrauch, wenn die Behörde fälschlicherweise davon ausgeht, der VA sei gar nicht rechtswidrig. Dann muss das Gericht meines Erachtens die Behörde zur erneuten Bescheidung über die Rücknahme des rechtswidrigen VA verpflichten.

Dann aber muss die Behörde begründen, warum es gerechtfertigt ist, die rechtswidrige Verkehrsanordnung aufrecht zu erhalten, obwohl sie doch gemäß StVO bei jeder sich bietenden Gelegenheit prüfen muss, ob noch alles passt.

(Anmerkung: ob der VA rechtswidrig ist, ist keine Ermessensentscheidung sondern eine gerichtlich überprüfbare Tatsache.)
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mgka
Beitrag 20.09.2013, 15:24
Beitrag #168


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Meiner Auffassung nach ist es doch eigentlich für den Kläger eher günstig, wenn die Behörde nicht fristgerecht auf einen Antrag reagiert und man nach drei Monaten Untätigkeitsklage erhebt:
  • In den allermeisten Fällen wird sich der Anspruch auf Neuverbescheidung durchsetzen lassen, ergo: wenn der Klageantrag an das Gericht entsprechend formuliert wird, sind die Chancen zu gewinnen groß (und damit nicht auf den Gebühren sitzen zu bleiben)
  • Keine Antwort von Seiten der Behörde heißt für mich: keine Berufung auf die Bestandskraft der Anordnung.
  • Wenn die Behörde nach Klageerhebung doch noch einen Bescheid erlässt, so kann man aus prozessökonomischen Gründen die Klage leicht in eine Anfechtungsklage gegen diesen umwandeln.


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