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Verjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten:

Anhörungsbogen

Verjährungsunterbrechung durch Anhörungsbogen

Die Übersendung eines sogenannten Anhörungsbogens, mit dem der Betroffene Gelegenheit zur Stellungnahme erhält, ist grundsätzlich als Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens anzusehen. Für eine solche Bekanntgabe ist in § 33 Absatz 1 Nr. 1 OwiG bestimmt, dass durch sie die Verjährung unterbrochen wird. Voraussetzung für die Unterbrechung der Verjährung durch Übersendung eine Anhörungsbogens ist allerdings, dass sich aus dem Anhörungsbogen ein konkreter Ordnungswidrigkeitenvorwurf ergibt. Weiterhin ist erforderlich, dass sich der Vorwurf gegen eine bestimmte Person richtet. Die Rechtsprechung verlangt, dass sich für den Adressaten des Anhörungsbogens unmissverständlich ergibt, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden (OLG Hamm, VRS 98/00, 208). Handlungen, die erst zu der Ermittlung eines noch unbekannten Tatverdächtigen führen sollen, haben somit keine verjährungsunterbrechende Wirkung. Die Verjährung wird bereits durch die Anordnung der Bekanntgabe des laufenden Verfahrens bewirkt, also schon durch die Anordnung der Anhörung. Daher tritt die Unterbrechung der Verfolgungsverjährung selbst dann ein, wenn der Anhörungsbogen nicht bei dem Betroffenen eingeht. Der Eintritt der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung kann somit nicht dadurch verhindert werden, dass der Betroffene bestreitet, den Anhörungsbogen tatsächlich bekommen zu haben.

Der Bundesgerichtshof (NJW 1997, 598) entschied, dass eine Verjährungsunterbrechung nur eintritt, wenn der Betroffene im Zeitpunkt der Vornahme der Unterbrechungshandlung der Behörde bereits "der Person nach" bekannt sei.

Bekannt im Sinne der Rechtsprechung ist der Betroffene erst, wenn seine Personalien ermittelt sind, nicht bereits, wenn lediglich ein Foto des Täters in der Akte ist. Es ist allerdings ohne rechtliche Bedeutung, wenn der Name des Betroffenen in dem Anhörungsbogen falsch angegeben ist, etwa mit einem Schreibfehler, sofern sich aus den weiteren Umständen zweifelsfrei ergibt, gegen wen sich der Vorwurf konkret richtet.

Nach der Rechtsprechung hat die Übersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen selbst dann die Unterbrechung der Verjährung zur Folge, wenn der Anhörungsbogen dem Betroffenen nicht zugeht. Somit hilft die Behauptung "Ich habe den Anhörungsbogen aber gar nicht bekommen..." für die Frage nach einer Verjährungsunterbrechung nicht weiter.

Das Anbringen eines "Strafzettels", also einer schriftlichen Mitteilung an der Windschutzscheibe oder an der Heckscheibe, unterbricht die Verjährung hingegen nicht, wenn der Fahrzeugbenutzer damit lediglich darauf hingewiesen wird, dass er demnächst einen schriftlichen Bescheid erhalten wird. Allein auf Grund eines solchen Strafzettels kann der Betroffene nämlich nicht feststellen, dass gegen ihn bereits ein Bußgeldverfahren eingeleitet ist.

Anhörungsbogen bei sogenannten "Kennzeichenanzeigen"

Bei Kennzeichenanzeigen wird von der Bußgeldbehörde anhand des amtlichen Kennzeichens eines Kfz zunächst nur der Halter des Fahrzeugs festgestellt. Dies ist z.B. bei Parkverstößen oder auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen oftmals der Fall, wenn der Fahrer des Fahrzeugs nicht angetroffen oder angehalten wird. In der Praxis bekommt dann bei solchen Kennzeichenanzeigen der Halter des Fahrzeugs als einziger "Ansprechpartner" einen Anhörungsbogen zugeschickt. Die Übersendung des Anhörungsbogens hat bei sogenannten Kennzeichenanzeigen nur dann die Unterbrechung der Verjährung zur Folge, wenn dem Halter eine konkrete Ordnungswidrigkeit direkt vorgeworfen wird. Die Rechtsprechung stellt dabei auf den genauen Wortlaut des versandten Anhörungsbogens ab. Sofern der Halter mit den Worten angeschrieben wird "...wird Ihnen vorgeworfen, am...", handelt es sich um einen persönlichen Vorwurf gegenüber dem Empfänger, so dass im Verhältnis zum Empfänger des Anhörungsbogens die Verjährung unterbrochen wird.

Die Unterbrechung der Verjährung wirkt nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht (z.B. gegenüber dem Empfänger des Anhörungsbogens).

Wenn es in dem Anhörungsbogen hingegen heißt "wurde festgestellt, dass mit Ihrem Kfz eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde...", tritt eine Unterbrechung der Verjährung nicht ein. Es fehlt in dem letzten Beispiel nämlich an einem gegenüber einer bestimmten Person erhobenen Vorwurf. Die Anhörungsbögen, die in der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Außerdem kommt es bei den in den Anhörungsbögen verwendeten Formulierungen von Zeit zu Zeit zu Veränderungen. Es kann daher nicht allgemein für alle Fälle von "dem Anhörungsbogen" gesprochen werden. Vielmehr muß im Zweifelsfall der genaue Text des im konkreten Fall versandten Schreibens eingehend betrachtet werden.

Anhörungsbogen bei GmbH oder sonstiger Firma

In der Praxis kommt es oft vor, dass der Halter eines Kfz nicht eine Einzelperson ist, sondern eine Gesellschaft, z.B. eine GmbH. Im Falle einer Kennzeichenanzeige, bei der zunächst lediglich der Halter des Kfz ermittelt wird, erhält dann die GmbH als Halterin des Kfz den Anhörungsbogen zugeschickt. Eine konkrete Person ist in dem Anhörungsbogen dann in der Regel noch nicht als Fahrer benannt. Die Behörde weiß ja auch nur, dass die GmbH Halterin des Kfz ist, nicht hingegen, wer das Fahrzeug im Tatzeitpunkt benutzte.

Wenn der Anhörungsbogen an eine GmbH geschickt wird, tritt die Unterbrechung der Verjährung im Verhältnis zu demjenigen, der das Fahrzeug im Tatzeitpunkt benutzte durch die Übersendung des Anhörungsbogens grundsätzlich nicht ein. In einem an die GmbH gerichteten Schreiben kann nämlich keine an den betroffenen Fahrer gerichtete Mitteilung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gesehen werden.

Nur eine solche, an eine konkrete Person gerichtete Mitteilung führt aber zu einer Unterbrechung der Verjährung. Selbst wenn die Gesellschaft im Rechtverkehr nur durch eine Person wirksam vertreten werden kann, so führt die Übersendung des Anhörungsbogens gegenüber diesem Vertreter nicht zur Unterbrechung der Verjährung, sofern das Schreiben an die Gesellschaft gerichtet ist, ohne den Vertretungsberechtigten zu bezeichnen. Dies gilt auch für die Kommanditgesellschaft (KG). Bei der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ("GbR", "BGB-Gesellschaft") lässt es ein Teil der Rechtsprechung für die Verjährungsunterbrechung ausreichen, wenn der Anhörungsbogen unter Nennung der Namen der beiden einzigen Gesellschafter an die GbR versandt wird. Ob diese Betrachtung weiterhin vertretbar ist, nachdem der Bundesgerichtshof seit Neuestem die Rechtsfähigkeit der GbR bejaht, ist zweifelhaft. Selbst wenn sich die Handlung gegen die Firma eines Einzelkaufmanns richtet, tritt im Verhältnis zu dem (alleinigen) Firmeninhaber durch die Handlung grundsätzlich keine Verjährungsunterbrechung ein. Etwas Abweichendes gilt nur, wenn sich hinter dem Namen der Firma ausschließlich der Firmeninhaber selbst verbirgt.

Text: RA Goetz Grunert, © verkehrsportal.de


 
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